Ich hab's im Allgemeinen nicht so mit US-Bands, daher ist es eher die Ausnahme, wenn ich mich mal mit einer solchen beschäftige...
Eigentlich
waren die STABILIZERS ein Duo aus Erie, Pennsylvania, bestehend aus
Rich Nevens (Gitarre, Bass, Keyboards, Programming) und Dave Christenson
(Vocals), die sich aber Live immer mit weiteren Musikern verstärkten.
Mit liegt ein knapp 45 minütiger Mitschnitt aus einem Club namens
"Sherlock's" in Erie aus der Zeit vor "Tyranny" vor, da beginnen sie
gleich mit einer guten Version von Message in a bottle und spielen anschließend neben weiteren Police-Songs einige zeitgenössische Klassiker wie Talking in your sleep von den Romantics, Don't Change und The One Thing von INXS und sogar eine richtig gute Version von Peter Gabriels Shock the Monkey - keine Eigenkompositionen.
1984/85 liefen einige ihrer 4-Spur-Demos, aufgenommen mit einem Tascam 244 Portastudio in Rich Nevens Appartment im lokalen Hit-Radio K-104. Das brachte ihnen schließlich einen Plattenvertrag mit Columbia. Für ihr erstes und einziges Album "Tyranny" verstärkten sie sich mit einigen Gästen (darunter auch der hier nicht ganz unbekannte Nathan East). Es erschien am 1.12.1986 und wurde kein Hit. Anfang 1987 lief in "Formel 1" ihre erste Single-Auskopplung One Simple Thing - und dieser Song hatte mich gleich geflasht. Ich halte ihn heute noch für eins der wenigen Beispiele für den perfekten Pop-Rock-Song. Hier das Video dazu - immerhin von keinem geringeren als David Fincher dirigiert - leider in der längeren und deshalb nicht ganz so guten Album-Version:
Die
"Edited Version" der Single hat den ersten Refrain gleich nach dem
Intro herausgeschnitten - das spart uns das Falsetto von Dave und rockt
gleich vernünftig los. Leider gibt es keine gute Version davon bei
YouTube - die einzige, die ich gefunden habe, läuft deutlich zu schnell.
Schon vor einiger Zeit dachte ich daran, mir mal das Album zuzulegen, denn auch die zweite Single, der Titelsong Tyranny
ist durchaus anhörbar. Leider ist es nur zweimal auf CD erschienen,
1987 in USA und Japan. Beide Versionen bekommt man zwar durchaus noch
second hand, aber leider nur zu heftigen Preisen. Typischer Fall für ein
Album, das nicht mehr existiert - weder Download- noch
Streaming-Dienste führen es, keiner der üblichen Webshops hat es.
Letzte Woche fand ich dann schließlich doch noch eine erschwingliche Kopie. Vorher schon hatte ich einige "Bonus Tracks" auftreiben können: die beiden Single-Versionen und einen Non-Album-Song Maybe This Time vom Soundtrack des Films "If Looks Could Kill" von 1991, also fünf Jahre nach dem Album! - Keine Ahnung, was die Jungs in der Zwischenzeit gemacht haben. Ich fand Hinweise auf ein komplettes, aber nie erschienenes zweites Album, für das sie bei MCA Records unter Vertrag waren. Aus dieser Session wird wohl Maybe This Time stammen - derselbe Producer wie beim ersten Album und auch der Sound ist ziemlich ähnlich.
Da das Cover-Booklet der CD die Fotos viel zu dunkel und recht unscharf reproduziert hatte, suchte ich anschließend nach einem gut erhaltenen Vinyl-Exemplar und fand eins bei Discogs. Sogar das Vinyl selbst war gut erhalten - die Platte sah ungespielt aus. Das erwies sich als Segen, denn mir fiel jetzt erst auf, dass die Laufzeiten von Track 4 Now I Hear You verschieden waren: 4:44 min auf der LP, 4:04 auf der CD. Beim direkten Vergleich der beiden Versionen fiel gleich auf, dass der Edit bereits im Intro erfolgte, das in der LP Version deutlich länger ist. Allerdings ist zu meiner Überraschung der Song für die CD-Ausgabe offensichtlich auch neu abgemischt worden. Dieser Unterschied fällt sofort auf. Über das Warum kann man nur spekulieren, da die verfügbaren Infos über die Band und ihr einziges Album sehr dürftig sind. Ich habe natürlich auch gleich alle anderen Songs miteinander verglichen, aber keine weiteren Abweichungen gefunden (abgesehen von der ein oder anderen etwas früheren Ausblende bei der CD, aber das sind jeweils nur wenige Sekunden und nicht weiter von Bedeutung). Ich habe also schließlich den CD-Remix von Now I Hear You gegen die lange Originalversion ausgetauscht und die Kurzversion als weiteren Bonustrack zwischen die beiden Single-Versionen gesetzt.
Schließlich
veröffentlichte Dave Christenson auf seinem Soundcloud-Account 2012
zwei der besagten Demos von 84/85. Der auffälligste Unterschied ist hier der Einsatz eines Linn Drumcomputers. Die beiden Aufnahmen befinden sich jetzt als Track 14 und 15 am Ende der neuen CD.
Natürlich ist das Album ein Produkt seiner Zeit. Aufgenommen mit ordentlich Digital Reverb und FM-Synthesizern klingelt und zischt es, dass es nur so eine Freude ist. Orchester-Hits knallen, Fretless- und Slap-Bässe knurren, es gibt natürlich Saxofon-Soli und dazu reichlich höhenlastige Gitarren mit Powerchord-Vorlieben. So klangen die Eighties! - Aber davon abgesehen ist jeder Song gut, natürlich keiner besser als One Simple Thing, aber die weltweit erste und einzige remasterte "Tyranny"-CD mit sechs Bonustracks steht jetzt in meinem Regal. Warum diese Band es nicht geschafft hat, erschließt sich mir nicht wirklich.
Dave Christenson starb Ende 2017 im Alter von 54
Jahren an Lungenkrebs.