Meine Nerven oder Die Freuden der analogen Studiotechnik
Gut, ich habe lange mit Bandmaschinen gearbeitet und die gute alte Telefunken/AEG M15A geliebt. Leider ist die für mein Studio zu groß (ich hatte es probiert), daher hab ich zwei andere, deutlich kleinere - eine TEAC A-3440 für 38 und 19 cm/s und eine Revox A77 mit Viertelspur für die weniger professionellen 19 und 9.5 cm/s Bandgeschwindigkeiten. Also dachte ich, weil heute ja so gar nix los ist in Köln, digitalisiere ich doch mal nebenher die 38er Mastertapes von Sky Records, die hier noch rumstehen. Sind aus den 1980ern und die Alben sollen demnächst wiederveröffentlicht werden. Ich packe das erste aus, BASF-Karton, ist schon mal gut, denn die Bänder schmieren auch nach Jahrzehnten nicht. Keine Spule drin, nur ein "Bobby" - der übliche AEG-Wickelkern. Bei mir immer etwas komplizierter, denn nur für die Revox hab ich dafür den Teller mit der Bobby-Arretierung. Ich muss dann das Tape vom Bobby auf die Leerspule umspulen, die lege ich dann auf die TEAC. Normales Procedere.
Aber was ist das? - Die haben den Bobby komplett bis zur Kartongrenze vollgemacht! Seite 1 und 2 der LP hintereinander, 44 min plus Pieptöne am Anfang. Oje. Das Band bekomme ich so gerade eben auf die Revox, es ragt deutlich über den Tellerrand hinaus, sogar leicht in die rechts aufgelegte Leerspule hinein, lässt sich aber gerade noch frei drehen. Gut, ich riskier's. Vorsichtig spule ich vor und das Band wickelt sich rechts auf, wie's soll. Die Geschwindigkeit ist mir nicht ganz geheuer, aber es klappt, die Spule füllt sich. Aber dann, zack! Großer Schreck!
Kurz vor dem Bandende hat die Spule blockiert, denn offenbar hat ihr innerer Kern einen etwas größeren Durchmesser als der Bobby. Nichts geht mehr, die Spule hat sich am Kopfträger der Revox verklemmt und vorsichtig versuche ich, das Band zurückzuziehen. Natürlich fallen jetzt die Windungen links vom Bobby runter - ist ja kein Zug mehr drauf. Das kann ich schnell stoppen, aber nach unten haben sich schon ein paar Schleifen abgeseilt. Also den Bobby abgemacht und mit der Hand das Band da wieder aufgewickelt, rechts klemmt es ja noch. Zum Glück ist es unbeschädigt. BASF-Tape ist recht dick, da passiert so schnell nichts. Außerdem ist die empfindliche Beschichtung innen, anders als bei deutschen Rundfunkmaschinen. Alles gut gegangen, der Bobby ist wieder drauf mit allen Wicklungen. Es geht wieder in die andere Richtung. Am Anfang von Seite 2 ist ein langes, rot/weißes Vorspannband, das man gut sieht. Hier stoppe ich und schneide das Band durch. Jetzt hab ich Seite 1 rechts auf der Spule, Seite 2 ist links noch auf dem Bobby. Ich mach die Spule auf die TEAC, fang schon mal an mit dem Digitalisieren und überleg dabei, wie's danach weitergeht.
Leider hab ich nur eine einzige Leerspule, die auf beide Maschinen passt, das ist das Problem. Eine zweite ähnliche Spule hab ich zwar noch, aber die ist voll mit Band. Und das abzuwickeln würde ewig dauern, denn es ist fast einen ganzen Kilometer lang. Aber mir fällt ein, ich hab ja noch andere Tapes mit Metallspulen, die sind zwar ebenfalls voll, aber da ist das Entleeren einfacher, denn ich brauche nur die beiden Metallteller vom inneren Kern abzuschrauben und kann das Band dann seitlich abdrücken. Gedacht, getan. Nachteil ist, dass die Metallspulen nur auf die TEAC passen, das erfordert also einen weiteren Umspulvorgang, aber das kostet nur Zeit, keine Nerven. Nach der Digitalisierung alles wieder in umgekehrter Reihenfolge auf den Bobby zurück. Uff, geschafft. Jetzt hab ich zwei Leerspulen für die TEAC und der Papierkorb ist voll mit Tonband, na gut.
Die anderen beiden Mastertapes sind deutlich kürzer und das letzte ist sogar auf Metallspule, das brauche ich also gar nicht erst umzuspulen. Dafür sind es leider Scotch-Tapes, die sind die schlimmsten - schmieren wie Sau. Halte die Tapes bei jedem zweiten Gelbband an und putze Tonköpfe und Umlenkrollen mit Isopropanol. Die Q-Tips sind jedesmal schwarz. Aber die beiden Alben sind am Ende komplett und sauber auf der Festplatte, so kann ich arbeiten.