Robert Reed, der Kopf der walisischen Progband "Magenta" und da eigentlich Keyboarder, spielt hier die meisten Instrumente selbst, die unvermeidlichen Röhrenglocken eingeschlossen. Alles, was er spielt, sei echt, keine Samples, behauptet er in einem Promo-Interview, das sich in seinem YouTube-Kanal findet. Das kann man beruhigt glauben, denn für die Akribie, mit der Reed hier die Oldfield-typischen Sounds rekonstruiert hat, ist Authentizität die oberste Voraussetzung. Nach den inzwischen hochbetagten Analogsynthesizern wird er lange gesucht haben, die meisten der Orchesterinstrumente konnte er sich zum Glück leihen, jedoch, so Reed, sei es nicht leicht gewesen, sich die jeweiligen Spielfähigkeiten von Glockenspiel, Marimbas und Orchesterbecken anzueignen. Aber das Ergebnis stimmt bis ins kleinste Detail - selbst die leicht verstimmten Flöten vom Anfang von "Hergest Ridge" finden sich auf "Sanctuary" wieder und wer bisher geglaubt hat, dass Oldfields Sologitarrensound, bedingt durch seine spezielle Spielweise (als gelernter Bassist natürlich stets ohne Plektrum) einmalig sei, wird hier unschwer eines Besseren belehrt, so originalgetreu klingen auch die vielen eingestreuten Soli. Der "Glorious Reedaphonic Sound" (eine weitere Anspielung auf die typischen Oldfieldschen Albumcredits) mag alt oder besser: altbekannt sein, neu sind jedoch die Melodien, die ihm ebenso gut gelungen sind wie Mike Oldfield vor nun über 40 Jahren.
War ich anfangs mehr als skeptisch, ob ein solcher Ansatz an der Grenze zum Plagiat funktionieren kann, war ich schon ab dem zweiten Durchgang problemlos der Faszination erlegen. Hätte nicht gedacht, jemals wieder neue Musik in diesem Stil hören zu können. Reed schafft hier konsequent und ohne zu plagiieren seine eigenen Räume in einem vorgegebenen Universum und er begeistert mich insbesondere da, wo er ansatzweise auch beim Sound innovativ wird. Das kommt hier zugegeben nicht oft vor - und war ja auch ganz offensichtlich nicht seine Intention - aber es stecken hinter der bekannten Fassade viele neue kluge Ideen, die "Sanctuary" auch lösgelöst vom Oldfield-Kanon als durchaus wertvoll erscheinen lassen.
Die CD/DVD kommt in einer schmalen und einfach gehaltenen Hochglanz-Pappkarton-Faltverpackung, sieht also Vinyl nicht unähnlich, abgesehen von der Größe natürlich. Die Discs werden allerdings innen herausgenommen, dabei hilft ein kleiner Ausschnitt. Das Artwork ist stimmig und sieht nicht billig aus, das Frontfoto ist hübsch; innen sieht man Robert im Studio mit seiner geliehenen Instrumentensammlung und dem Hämmerchen in der Hand vor den Tubular Bells. Die übliche lange Liste der Instrumente, die zum Einsatz kamen, steht hinten auf dem Cover und man bekommt sie auch als Standbild bei der DVD zu lesen.
Der Surroundmix klingt überzeugend, er gibt der Musik noch mehr Raum und Tiefe, teilt die dichten Klangteppiche auf in überschaubarere Einheiten. Einige wenige Male wandern Instrumente im Raum. Die Speaker hinten haben genauso viel zu tun wie die vorderen. Dies gelingt besser als die jüngsten Surroundmixe Oldfields, der sich, nun da die Neuausgabe seiner Alben mittlerweile bei seinen mittachtziger Popalben angekommen ist, zuletzt bei "Crises" deutlich verhoben hatte. Zusätzlich auf der DVD gibt es auch die Stereofassung in 24/96 LPCM, sowie die drei Videos, die auch bei YouTube zu sehen sind.
Co-produziert, abgemischt und gemastert wurde das Album übrigens mithilfe des Teams der originalen "Tubular Bells", Tom Newman und Simon Heyworth. Man darf also davon ausgehen, dass es diesen beiden auch gefallen hat.
Ich habe das Album jetzt so oft gehört, dass es für mich problemlos in einer Reihe mit den Vorbildern steht. Oldfields Alben ab einschließlich "Incantations" hat Robert Reed mit "Sanctuary" auf jeden Fall locker überholt, zu den ersten drei ist vielleicht noch ein wenig Luft, aber es ist auf jeden Fall verdammt knapp!
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