Dienstag, 21. Juni 2011

GENESIS - ...And Then There Were Three... (1978)

Abb.: Wikipedia
Dieses Album ist für viele Genesis-Fans der Scheidepunkt - bis dahin war (fast) alles gut, danach ging es nur noch bergab. - Das ist natürlich etwas zu einfach und wie immer ist es hilfreich, das Album im Hinblick auf seine Entstehungszeit einzuordnen. 1978 und in den beiden Jahren davor hatte sich die Musikszene vor allem in UK um 180° gewendet. Genesis galten zwar auch vorher nie als unbedingt angesagt, aber mit dem Aufkommen des Punk und der nachfolgenden Gleichschaltung der damals noch wichtigen Musikgazetten fanden sich Genesis plötzlich in einer Reihe mit den anderen "Dinosauriern" des Rock, etwa Yes, King Crimson, Pink Floyd und ELP - und kassierten entsprechende Prügel.

Genesis ging es zu dieser Zeit auch aus anderen Gründen nicht gut. Gitarrist Steve Hackett hatte sich nach internen Querelen um seinen Anteil am musikalischen Output nach der "Wind & Wuthering"-Tour 1977 frustriert verabschiedet und die nunmehr zum Trio geschrumpfte Band litt unter einem Berg von Schulden. Banks, Collins und Rutherford wollten daher einen Wechsel einleiten - weg vom den progressiv-symphonischen Zehnminütern hin zu einfacheren Songstrukturen, die auch ein wenig zeitgemäßer anmuten sollten und sich so vielleicht besser verkaufen ließen. Leider trafen sie nicht immer die richtigen Entscheidungen. Eine davon war sicherlich, David Hentschel im Produzentensessel sitzen zu lassen.
Das Songmaterial selbst ist dabei noch halbwegs akzeptabel zu nennen, wenn auch keinerlei Höhepunkte wie auf früheren Alben zu finden sind (Cinema Show, Afterglow, Dance On A Volcano, Ripples, um nur wenige zu nennen). Steves Ausstieg hatte bewirkt, dass es auf der Gitarrenseite ein Vakuum gab, das Mike nicht annähernd füllen konnte, obwohl das Bemühen erkennbar ist, die E-Gitarre hin- und wieder zu betonen, als ob man sagen wollte: "hört her, hat gar nicht weh getan". Leider wurden darüber jedoch vor allem die akustischen Gitarrenparts nahezu vollständig geopfert - was sehr überraschend war, da Mike an diesen doch bislang einen großen Anteil hatte. Da seine E-Gitarre jedoch nicht annähernd Steves Kompetenz hatte, war das Gleichgewicht hier deutlich zu Tonys Gunsten verschoben. Jeder Song ist daher stark Keyboard-lastig, ständig wabern käsige Klangteppiche - zum ersten Mal fehlte das Mellotron - die Drums sind pappig und selten im Vordergrund und die Gitarren gehen im Klangbrei weitgehend unter. Das Konzept - wenn es denn überhaupt eins gab - ging nur an wenigen Stellen auf.

David Hentschel war als Produzent der Herausforderung entweder nicht gewachsen, oder er hatte nicht erkannt, dass die neuen Strukturen auch einen neuen Sound erfordert gehabt hätten. Dies kann man vor allem daran erkennen, dass die erhältlichen Remixe, schon der frühe US-Remix der Follow You Follow Me-Single aber auch der 2007er Nick-Davis-Remix des ganzen Albums, wie auch die Live-Versionen plötzlich um ganze Klassen frischer, dynamischer und lebendiger klangen als das von ihm verantwortete Original.

Dies und die Abkehr von den proggigen Instrumentalpassagen war das, was die bis-dahin-Genesis-Fans so enttäuschend fanden. Ich behaupte mal, dass nur sehr wenige, die vor "...And Then There Were Three..." bereits Fans der Band waren, dieses Album ebenfalls gut finden konnten. Im Rückblick und losgelöst vom damaligen Zeitgeist (ich habe 1978 auch lieber die Sex Pistols, The Cars, Ultravox, Devo und Ramones gehört) mag der Eindruck vielleicht anders sein, inzwischen wird das Album (unverdienterweise) oft als verdienter Nachfolger von "A Trick Of The Tail" und "Wind & Wuthering" oder sogar als "letztes gutes" Genesis-Album gehandelt.

Wäre "...And Then There Were Three..." bereits von Hugh Padgham produziert worden und hätte es den Sound von "Abacab" vorweggenommen, wäre es sicher völlig anders rezipiert worden. Möglicherweise wäre es sogar zu dem Meilenstein der Bandgeschichte geworden, für den "Abacab" leider ein paar Jahre zu spät gekommen war, aber die kreative Luft in der Band war zu diesem Zeitpunkt eigentlich zu dünn, um nicht zu sagen: raus. Das Album ist wie ein Beweis dafür, dass man die bisherige Stilrichtung ohne Steve Hackett (leider) nicht weiter bedienen konnte.

Versucht haben sie es immerhin tapfer, daher klingt "...And Then There Were Three..." über weite Strecken wie ein schaler Aufguß der vorangegangenen beiden Alben, ohne auch nur annähernd deren Originalität und Qualität zu erreichen. Burning Rope besteht aus Elementen abgeleitet von Eleventh Earl of Mar und One For The Vine, Undertow reimt sich nicht zufällig auf Afterglow und Deep in the Motherlode erscheint nicht viel mehr als eine Neuauflage von Squonk im 6/8-Takt. Das hatte man alles schon vorher und leider auch besser gehört. Halbwegs originell war bestenfalls Scenes from a night's dream und - ja, zugegeben: Follow you follow me.

Tatsächlich war bei aller berechtigter Kritik an diesem superbanalen und extrem kommerziellen Song hier der einzige Schritt in Richtung Neuland zu beobachten. Dieser ungenierte Versuch, einen Pop-Hit zu schreiben, kann man nur als gelungen betrachten. Die Bandgeschichte war daher hier doch nicht zuende, denn zum einen wurde die Singleauskopplung der bis dahin größte Hit - und zum anderen schaffte es die anschließende Tournee, die "...And Then There Were Three..."-Stücke so gut in die Setlist zu integrieren, dass sowohl alte wie neue Fans auf ihre Kosten kamen.

Die danach anstehende, fast zweijährige Pause wurde dann klug für die überfällige Neuaufstellung genutzt und so die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der 1980er Jahre geschaffen. Weitreichendste Änderung: nach dem Vorbild Follow you follow me wurden alle wichtigen Songs ab sofort nur noch im Team und während der Recording-Sessions geschrieben und entwickelt. Nach 1982 fand sogar überhaupt keine Einzelkomposition mehr den Weg in eine Album-Setlist.

"...And Then There Were Three..." war daher für die Band immens wichtig - dieses Album hat -sicherlich unbeabsichtigt- das Kunststück geschafft, den Beteiligten aufzuzeigen, warum eine deutliche Veränderung zwingend erforderlich war. Es ist nur ein wenig schade, dass es dazu erst hat veröffentlicht werden müssen...

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