Wollen wir mal das Gesamtsystem
Schallplatte betrachten:
Wie man aus dem Physikunterricht weiß, ist es prinzipiell
nicht möglich, Energie von einer Form verlustfrei in eine andere zu
überführen. Bei Vinyl passiert das mehrfach - und unter hohen Verlusten. Bereits beim Lackschnitt
wird elektrische Energie in mechanische Energie gewandelt.
Gleichzeitig wird der Frequenzgang des Audios extrem verbogen, damit das
überhaupt möglich ist - die Bässe werden um 20 dB abgesenkt und die
Höhen um den gleichen Betrag angehoben (20 dB entspricht Faktor 10 - die
Bässe haben nur noch ein Zehntel, die Höhen das Zehnfache der
ursprünglichen Lautstärke). Beim Abtasten auf dem heimischen
Plattenspieler wird dann mechanische Energie wieder in elektrische
Energie gewandelt. Leider ist von der ursprünglichen elektrischen
Energie hier kaum noch etwas übrig, deshalb muss diese elektronisch um etwa
den Faktor 1000 verstärkt werden. Ebenso muss der verbogene Frequenzgang
mit einem entsprechenden Gegenfilter korrigiert werden. Analoge Filter
verursachen jedoch immer Phasenverschiebungen, die sich auf die Präzision
der Wiedergabe auswirken. Wie schon früher ausgeführt, kommt es beim
Abspielen zu Verzerrungen, dazu kommen Störgeräusche wie Rillenrauschen und Knackser
durch statische Aufladung und Staub. Auch das sind Veränderungen des
Originalsignals.
Das Gesamtsystem
Schallplatte verursacht also an mehreren Stellen mehr oder weniger starke Veränderungen am
Audiosignal. Eine 1:1 Reproduktion des Studiomasters ist damit unmöglich,
egal mit welcher Anlage. Dagegen verändert der Laserstrahl bei der CD-Abtastung das Audiosignal nicht, da er nicht das Audiosignal selbst abtastet,
sondern stattdessen nur eine höchst präzise mathematische Beschreibung
des Audiosignals, die auf der Disc in Form von winzigkleinen Buckeln
und dazwischenliegenden Vertiefungen als Nullen und Einsen gespeichert
ist.
Um das an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen: anders als eine Vinyl-Schallplatte handelt es sich bei einer CD nicht um einen Tonträger, sondern um einen reinen Datenträger!
Der große Vorteil der Digitaltechnik ist daher, dass sich der Datenstrom
aus lauter aneinander gereihten Nullen und Einsen, die der Analog-Digital-Wandler im Tonstudio
erzeugt hat, völlig verlustfrei speichern, transportieren und
vervielfältigen lässt. Denn erst im Abspielgerät des Kunden erzeugt ein
Digital-Analog-Wandler daraus wieder ein hörbares Audiosignal. Alles was
zwischen den beiden Wandlern stattfindet, ist für den Wohlklang völlig
irrelevant - es kann nichts verändert werden - jedenfalls nicht unbeabsichtigt!
Die Fehlerkorrektur, die bei jeder Speicherung von Daten erforderlich
ist, gleicht nur den Nachteil des jeweiligen Speichermediums aus. Bei
optischen Datenträgern ist es natürlich erforderlich, dass Staub,
Kratzer und Fingerabdrücke auf den Discs keine Störungen verursachen.
Dazu bedient man sich mehrerer Tricks, zum Beispiel Prüfsummen.
Auch werden Daten immer zu einem gewissen Anteil redundant gespeichert -
wenn einzelne Bits (Nullen oder Einsen) nicht lesbar sein sollten,
lässt sich der verlorene Wert so zweifelsfrei rekonstruieren. Auch das geschieht also verlustfrei - es sei denn eine Disc wäre zu stark verschmutzt oder verkratzt.
Eine Digitalaufnahme kommt in jedem Fall dem am Nächsten, was der
Toningenieur, der Künstler, die Band, der Produzent entschieden hat -
wie oben beschrieben, der A/D-Wandler steht im Tonstudio, der
D/A-Wandler steht beim Hörer im Wohnzimmer. Mehr Klangtreue gäbe es nur noch, wenn der Hörer seinen gemütlichen Sessel direkt im Studio aufstellen könnte.
Der persönliche Geschmack spielt bei der Klangtreue keine Rolle - das darf er auch gar nicht!
Kein Mensch hört alle Frequenzen gleichermaßen gut - das menschliche Gehör
ist vielmehr optimiert, Sprache zu verstehen, daher ist es im Bereich des
menschlichen Stimmumfangs am Empfindlichsten (tatsächlich liegt Babygeschrei exakt auf der allerempfindlichsten Frequenz - evolutionsbedingt ein nachvollziehbarer Vorteil). Bässe und Höhen sind
dagegen deutlich weniger empfindlich.
Für die Klangtreue ist es jedoch immens wichtig, dass die Kennlinien der Aufnahme- und
Wiedergabegeräte in der gesamten Kette keine Frequenzen bevorzugen oder benachteiligen, denn nur dann bleibt
das Klangerlebnis für den Hörer wirklich neutral. In der Analogtechnik war dies
früher ein Zustand, der nur mit teurem Equipment und selbst damit nur annäherungsweise
erreichbar war. Das führte zu mehr oder weniger großen
Klang-Verfärbungen. Gute Wandler für die Digitaltechnik sind heutzutage
jedoch billig und sie haben stets einen schnurgeraden Frequenzgang, sind daher
völlig neutral.
Als "audiophil" bezeichnete sich zu Analogzeiten ein Liebhaber möglichst
großer Klangtreue, der daher gleichzeitig auch bereit war, große Summen
für sein Equipment auszugeben, auch wenn das nicht immer eine
Verbesserung bedeutet hat. "Audiophile" haben leider immer wieder
wahnhafte Ideen entwickelt, wie sich Wohlklang angeblich noch weiter
steigern lässt, und so auch viel Geld für absoluten Humbug ausgegeben,
beispielsweise für fingerdicke Lautsprecherkabel mit vergoldeten
Anschlüssen. Gesteuert und gefördert wurde dieses Verhalten von den
Audio- und Hifimagazinen, an deren Kompetenz es lange keinen Zweifel
gegeben hatte, die jedoch mit dem Aufkommen der Digitaltechnik und der
daraus resultierenden Erkenntnis, dass hervorragender Klang plötzlich auch mit einem Bruchteil des
bisher eingesetzten Gelds möglich war, Einbußen im Anzeigengeschäft
befürchteten und daher viele der erwähnten Wahnideen selbst entwickelten - wie etwa der berühmte Filzstift, mit dem man ernsthaft CDs am Rand bemalen sollte. Oder es wurden gebrannte CD-Rohlinge auf Klangunterschiede getestet - die dann
natürlich auch angeblich festgestellt wurden und natürlich waren die
teuren Markenrohlinge die bestklingenden. Da Musik heute oft auf USB-Sticks transportiert wird, würde es mich nicht wundern, wenn es da inzwischen auch schon entsprechende Vergleichstests gegeben hätte.
Hifi-Anlagen sind verglichen mit der Anfangszeit der Stereotechnik
inzwischen völlig ausgereift und daher gibt es auch nur noch wenig
Schwankungen in der Qualität. Preisunterschiede enstehen hauptsächlich
durch die Anzahl der Anschlüsse und der eingebauten Features. Sicherlich
lässt sich auch der Sound beeinflussen, aber das geht nicht mehr so
unkompliziert wie früher mittels Bass-, Mitten- und Höhenregler, ohne die Verstärker in der Analogzeit nicht auskamen. Moderne A/V-Receiver lassen diese Möglichkeiten und
noch viele mehr jedoch durchaus zu - schlechte Basswiedergabe eines
Lautsprechers kann man also nach wie vor kompensieren. War das früher jedoch Geschmacksache, werden heutige A/V-Receiver meist mit einem
Messmikrofon geliefert, das am Hörplatz aufgestellt wird und die
Kompensation macht der Receiver dann automatisch gemäß der ermittelten
Kennlinie. Was nicht heißt, dass man nicht der Meinung sein darf, mehr
Bässe wären toll - nur hat man dann keine neutral eingestellte Anlage
mehr, sobald man die einmal aufgedreht hat.
Die nächsten Folgen dieser Serie:
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) V
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VI
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VII
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VIII
Die früheren Folgen:
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) I
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) II
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) III
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