Meine Haltung zum Thema Vinyl ist ja nicht zuletzt durch diesen Blog bekannt - weniger bekannt ist vielleicht, dass ich seit einigen Jahren nebenberuflich ein Mastering-Studio betreibe. Oft bekomme ich als Ausgangsmaterial "nur" eine mehr oder weniger verschlissene Schallplatte, die ich dann so weit aufarbeiten muss, dass sie als Master für eine CD und eine neue Vinylauflage taugt. Das ist vor allem ein sehr zeitraubender Vorgang.
Als Plattenspieler nutze ich zu diesem Zweck seit vielen Jahren einen DUAL CS741Q - dieses Modell kam 1982 auf den Markt - erstmals im zeitgenössischen Japan-Design, wobei er vollständig Made in Germany war. Das bis dahin jahrzehntelang kaum veränderte, eher rustikal anmutende "Schwarzwälder Design" der legendären Firma wurde aufgegeben - keine Nussbaum-furnierten Holzchassis mehr, dafür war jetzt Silberlook und Plastik angesagt. Kein billiges Plastik natürlich, sondern durchaus ein sehr stabiler Qualitätswerkstoff, aber modern sollte es halt aussehen - was man in den 1980ern halt so trug. Ich finde ihn heute noch ziemlich schick und elegant - er sieht irgendwie "technisch" aus, ohne ausschließlich funktional anzumuten wie die Studio-Trümmer von EMT - das gefällt mir. Eine seltenere Variante gab es übrigens auch in dunkelbraun - naja...
Dual CS741Q mit Lehmannaudio Black Cube SE II |
Vor ein paar Jahren - der Spieler stand schon da, wo er auch heute wieder steht (siehe Foto oben) - saß ich am Studio-Schreibtisch, als es plötzlich hinter mir anfing, fies nach "Elektronik" zu riechen. Aus der vorderen linken Ecke des Plattenspielergehäuses quoll eine stinkende Qualmwolke! Klar: hier war irgendwas abgeraucht. Ich bekam etwas Panik, zog den Netzstecker und öffnete vorsichtig das Gerät. Die Ursache war auf einen Blick zu erkennen: Am ohnehin schon länger defekten Ein/Aus-Schalter (dessen Funktion ich vor einiger Zeit überbrückt hatte, um das Gerät überhaupt verwenden zu können, ohne den Knopf die ganze Zeit gedrückt zu halten) befand sich ein durchgeschmorter Funkentstör-Kondensator. Nun, so ein 1,50 €-Bauteil war mir bereits bei meiner Senseo-Kaffeemaschine begegnet - da war es verantwortlich für die geplante Obsoleszenz, die gleich nach Ablauf der Garantiezeit dafür sorgen sollte, dass der Besitzer sich eine neue Senseo kauft. Diesen Vorwurf konnte ich meinem Plattenspieler nicht machen - das Teil hatte immerhin 30 Jahre tapfer durchgehalten. Anders als bei meiner Senseo ließ es sich auch einfach ersetzen - und meine Panik war unbegründet: Diese Sorte Kondensator brennt quasi kontrolliert ab und löscht sich dann selbst - ohne dass das Studio dabei in Flammen aufgeht. Es stinkt halt nur.
Das war jedoch nicht das einzige Problem. Dual hatte damals die Idee mit "ULM - Ultra-Low-Mass" - die Masse des Tonarms sollte möglichst gering sein, damit es auch bei verwellteren Platten mit deutlichem Höhenschlag zu keinem Abtastproblem kommen sollte. Außerdem, so die (durchaus umstrittene) Theorie, würde die Nadel der Rillenauslenkung noch besser folgen können. Also wurde im Wortsinn massiv abgespeckt. Schließlich mussten sogar die Schrauben der üblichen Halbzoll-Befestigung dran glauben. Dual ließ von seinen Zulieferern Shure und Ortofon ULM-Spezial-Systeme entwickeln, die in den Tonarmkopf eingeklickt wurden.
ULM-Träger mit Halbzoll-Adapterplatte |
Auch die Automatik hatte mit den Jahren gelitten, immer häufiger senkte sich der Tonarm nicht in die Einraufrille, sondern schon knapp vor der Platte ab.
Dennoch waren mit dem von mir verwendeten Ortofon OMB5-Billig-System bis zuletzt durchaus brauchbare Digitalisierungen möglich - der Frequenzgang war absolut OK, allerdings war der Klang wenig "dynamisch" und eher etwas "muffig" - was ich allerdings erst jetzt, im direkten (und lautheitskorrigierten) Vergleich feststellen kann.
Zeit also für eine Generalüberholung! Auf die Webseite der Magdeburger "Dualklinik" war ich schnell aufmerksam geworden, eine Anfrage über das Kontaktformular wurde schnell beantwortet und die Komplettrestauration inkl. Umbau des Tonarms auf Halbzoll beauftragt (Kosten insgesamt: 670 € - beinahe Neupreis. Letztlich etwas teurer als ursprünglich veranschlagt, weil ich dummerweise vergessen hatte, das Anti-Resonator-Gegengewicht für den Transport zu demontieren - es kam in Einzelteile zerlegt in Magdeburg an und musste komplett ersetzt werden). Etwa zwei Wochen war der Plattenspieler unterwegs, dann kam er zurück und sah beinahe aus wie neu. Im Karton lag ein Beutel mit allen ausgetauschten Bauteilen - sämtliche Elkos, alle Mikroschalter und die nun nicht mehr benötigten Teile der alten Systembefestigung. In der begleitenden Mail wurde ich freundlich darauf hingewiesen, dass "mit der jetzt montierten 5er Nadel [...] kein Hifi Genuss aufkommen [kann]. Man baut in die Mercedes S-Klasse ja auch keinen Motor vom VW Polo ein". Empfohlen wurde mir eine 30er oder 40er Nadel (für 270 bzw. 360 Euro). Meine Entscheidung war jedoch bereits gefallen, da ich zwischenzeitlich herausgefunden hatte, dass Ortofon für den OM-Träger eine speziell auf den Anwendungszweck der Digitalisierung optimierte Nadel mit dem schönen Namen "Arkiv" entwickelt hatte. Diese sollte besonders neutral klingen und war mit 40 Euro auch deutlich preiswerter. Davon abgesehen wusste ich, dass die Nadel ohnehin nicht der kritischste Teil der Wiedergabekette ist - das ist nämlich der Phono-Vorverstärker (auch "Phono-Stage" genannt).
Der fehlte mir noch. Bisher hatte ich bedenkenlos den Phono-Eingang meines Yamaha RX-V663-Receivers verwendet. Ich wäre nur gern auch etwas flexibler mit dem Signalrouting gewesen, deshalb sollte der Ausgang der Vorstufe auf meinem analogen LEMO-Steckfeld liegen. Also ein externer Preamp - da kam eigentlich nur ein "Black Cube" von Lehmannaudio in Frage. Diese kleinen Kistchen haben seit fast 25 Jahren einen ausgezeichneten Ruf in der "Audiophilen"-Szene. Die RIAA-Entzerrung erfolgt hier ausschließlich durch passive, selektierte Komponenten mit perfekt neutralem Frequenzgang und ebenso perfekter Wiedergabe der Transienten. Da die Firma bei uns quasi um die Ecke "wohnt", bin ich hingefahren und habe mich von Inhaber Norbert Lehmann beraten lassen. Schließlich ist es ein Black Cube SE II geworden, mit einem VP von 950 € der teuerste, aber durch sein voluminöses Netzteil auch der beste Black Cube.
Da ich selbst Vinyl-Masterfiles erzeuge, bin ich in der seltenen Lage, eine Schallplatte direkt mit ihren Masterfiles vergleichen zu können. Als Testobjekt diente mir hier eine White-Label-Testpressung von Optimal Media des im Frühjahr bei Tapete Records erschienenen Doppelalbums "The Nightmare of J. B. Stanislas" von Nick Garrie. Die folgenden Kurven zeigen den Peak- (gelb) und den Durchschnitts-Frequenzgang (grün) des Titelsongs (LP1, A1). Die dickeren Linien sind der Vinyltransfer, die dünneren das 24 Bit-Masterfile:
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Entscheidend aber ist die Transienten-Wiedergabe - da ist der Black Cube durch sein passives RIAA-Filter im Vorteil - und das hört man auch. Verglichen mit dem Yamaha klingt hier alles eine Spur "klarer" und "frischer", Drums sind "knackiger" und scheinen mehr im Vordergrund zu stehen. Damit wird beinahe die Präzision des digitalen Masters erreicht - ich denke, dass die Wiedergabe vom Vinyl kaum originalgetreuer sein kann - und darauf kommt es an!
Mit dem Kurzschließer-Mechanismus der Dual-Automatik habe ich jedoch immer noch ein Problem - er knackst vernehmlich, sowohl beim Schließen als auch beim Öffnen. Zuletzt habe ich Spitzen von bis zu -5.5 dbFS gemessen. Natürlich ist die Funktion prinzipiell eine gute Idee gewesen, wird doch so das Aufsetzgeräusch der Nadel wirksam vermieden. Dafür bekomme ich zwei Knackser statt einem. Bei nächster Gelegenheit nehme ich den Mechanismus daher wohl besser außer Betrieb.
v.l.n.r.: IN R | OUT R | Netzteil-Festanschluss | IN L | Masseklemme | OUT L |
Fazit: Trotz des hohen finanziellen Aufwands hat sich die Umrüstung gelohnt. Für die nächsten 35 Jahre habe ich jetzt Ruhe - und mein Studio eine professionelle und völlig neutrale Vinyl-Wiedergabe. Der nächste Vinyl-Restaurations/Mastering-Auftrag ist schon eingetroffen - da freue ich mich drauf! 😊
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