Abb.: Parlophone/Warner Music |
Bei mir hat es dazu geführt, dass ich das Album erstmals tatsächlich genießen konnte, denn plötzlich ist durch den Wilson-Mix eine klare Struktur erkennbar. Vorher fand ich einfach keinen Zugang dazu, gar nicht mal, weil es etwa zu sperrig gewesen wäre, sondern weil es hier zuwenig zu geben schien, was im Gedächtnis bleiben konnte. Scheinbar fehlen "A Passion Play" für ein Werk dieser Länge die offensichtlichen Themen, die einen Wiedererkennungseffekt bewirken konnten. So gibt es bei vergleichbaren Konzeptalben ja oft ein Eingangsthema, das sich dann auch am Ende wiederfindet. Solche Elemente sind bei "A Passion Play" tatsächlich schwieriger auffindbar, aber es gibt sie, verborgen unter einem Überangebot an Ideen, die hier dazu führen, dass viele davon einfach so verpuffen, weil sie nur kurz angerissen werden und dann, von der nächsten gejagt, verschwinden und nie wieder kommen. Soviel Kreativität nutzen andere Bands für vier oder fünf Alben. Umso erstaunlicher, wenn man sich die interessante Entstehungsgeschichte des Albums zu Gemüte führt, die im Booklet ausführlich beschrieben wird - wird da doch erst klar, dass es in nur wenigen Tagen komponiert und eingespielt wurde - obwohl bei den vorhergehenden Sessions in Frankreich eigentlich bereits genug Material erarbeitet worden war, hatte man praktisch nochmal bei Null angefangen.
Die Tapes der Chateau d'Herouville-Sessions sind daher auch die eigentliche Überraschung des Gesamtpakets. Erstmals sind sie vollständig und in der korrekten Reihenfolge - endlich enthalten nun auch die Urversion von Skating away on the thin ice of the new day - immer schon mein Tull-Lieblingssong. Lediglich die Nonsense-Geschichte vom Hare who lost his spectacles, die seinerzeit für "A Passion Play" übernommen und überarbeitet wurde, konnte nicht wieder in den Chateau-Urzustand rückversetzt werden. Befreit von den zusätzlichen Flötentönen und der kitschigen Soundanmutung der späten 1980er Jahre, die für die Erstveröffentlichung der meisten Stücke auf diversen Samplern in dieser Zeit hinzugefügt worden waren, sind die Sessions jetzt erstmals wirklich anhörbar - und erstaunlicherweise gar nicht unbedingt schlechter als das eigentliche Album! Wilsons Ziel war, die Sessions so klingen zu lassen wie das reguläre Album - das ist ihm vollauf gelungen und so macht es Spaß, Album und Sessions direkt hintereinander zu hören.
Design und Ausstattung des Pakets sind vorbildlich, ebenso die Auswahl der Fotos und Memorabilia. Die Texte sind ausführlich und interessant - gut, auf die zwei Seiten mit den Tourdaten 1974 hätte ich verzichten können, aber das war es auch schon, was ich hätte kritisieren können. Schön auch, dass es im selben Format wie die Neuausgabe von "Thick as a Brick" kommt, so stehen die beiden Deluxe-Editionen nett beieinander im Regal. Schade nur, dass nicht auch "Aqualung", "Benefit" und "Stand Up" in diesem Format erschienen sind.
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