Ich muss vorausschicken: Wie bei so vielen anderen Artists oder Bands habe ich auch meine
Begeisterung für Mike Oldfield verloren, in dem Augenblick als er kommerziell erfolgreich
wurde.
Etwa 1977/78 hatte ich die "Boxed" gekauft, ein 4LP-Set, bestehend aus den ersten drei Alben "Tubular Bells", "Hergest Ridge" und "Ommadawn",
sowie eine LP "Collaborations" mit Single-Tracks und anderen Obskuritäten. Diese drei Alben
werden für mich immer eine herausragende Bedeutung haben, weil sie es
immer wieder schaffen, mich in diese Zeit zurückzuversetzen und davon
abgesehen einfach großartig und völlig außergewöhnlich waren und sind.
Vergleichbares zu Oldfield gab es bis Ende der 1970er Jahre nicht.
1979 hatte ich in der Philipshalle in Düsseldorf ein fabelhaftes Konzert
seiner allerersten Tour gesehen, leider bestand die Hälfte der übersichtlichen Setlist
aus seinem damals aktuellen Album "Incantations", das nach drei Jahren
Pause zwar nicht schlecht war, jedoch die fließenden Übergänge seiner
Vorläufer vermissen ließ. Stattdessen wurde oft abrupt von einem Part in
den anderen gewechselt, was mir nicht so gut gefiel.
Auch die folgenden vier Alben "Platinum", "QE2", "Five Miles Out" und "Crises"
hab ich als Fan noch mehr oder weniger begeistert mitgemacht, mir war
aber schon klar, dass es den "alten" Oldfield nicht mehr geben würde.
Mit Moonlight Shadow war dann Schluss bei mir - ein perfekter
Popsong, den ich anfangs toll fand, der dann aber leider ein Superhit
wurde und 1983 dermaßen totgedudelt wurde, dass ich ihn nicht mehr
ertragen konnte.
Ich hatte danach immer mal gelegentlich reingehört, was dann so kam. "Amarok" schien ganz interessant zu sein, war aber noch stärker (und härter) zusammengestückelt als "Incantations" - dazu fand ich keinen Zugang. Dann kam "Tubular Bells II",
das ich nur noch ärgerlich und peinlich finden konnte. Das war nichts
anderes als ein Selbstplagiat, kalkuliert und schamlos - hat sich ja
auch wie blöd verkauft. Es kam
mir immer vor wie ein schlechter Witz, so als hätte er "Tubular Bells" 1 parodieren
wollen. Alle Elemente sind deckungsgleich aufgebaut und arrangiert, nur
die Melodien weichen leicht voneinander ab. So ähnlich funktionierte
auch damals die Beatles-Persiflage "The Rutles" von Eric Idle und Neil Innes.
Gelohnt hat es sich vermutlich, denn nach einer Serie schlecht
verkaufender Alben hat er mit "Tubular Bells II" nochmal gut abgesahnt. Ist doch nett,
dieselbe Idee nochmal verkaufen zu können nach so langer Zeit. Bei "Tubular Bells III"
ein paar Jahre später haben dann wohl auch die beinharten Fans gemerkt, was hier
los war und die "Millennium Bell" war dann nur noch peinlich. "Tubular Bells 2003" hat
mich dann doch nochmal interessiert, weil hier ja nicht der Versuch gemacht
wurde, Innovation vorzugaukeln, aber das Album war für mich ebenfalls
eher eine Enttäuschung, weil kaum etwas übrig war vom Charme des
Debuts. Über weite Strecken klang es wie eine
schlechte Coverversion eines anderen Künstlers. Wenigstens der 5.1-Mix hat halbwegs Spaß gemacht, Mike hat alle Instrumente im Raum herumkreisen lassen, danach saß man
schwindelig gespielt an seinem Sweet Spot. Allerdings fand ich das
Ergebnis letztendlich auch nicht wirklich überzeugend, denn ohne diese ganzen
kleinen Fehler der Originalversion verlor die Musik ihren Reiz, die 2003er
Version war technisch einfach zu perfekt.
Oldfield hatte "Tubular Bells" (das Original) unter schon sehr speziellen Umständen
aufgenommen. Er hatte damals im "Manor"-Landsitz, in dem sich auch die damals zum
Teil noch im Bau befindlichen Studios von Virgin Records befanden, ein
Zimmer bezogen und immer an dem Album gearbeitet, wenn sonst niemand im
Studio war. Dadurch war es natürlich Stückwerk und wenn man die
Berichte und seine (übrigens sehr lesenswerte) Autobiografie liest, ist
auch einiges dabei gehörig schief gegangen, aber mich störte das nie; es hat bis heute einen unerreichten Charme und auch eine erstaunliche
Spontaneität, die man bei einem Overdub-Kunstwerk dieser Größenordnung
ansonsten kaum erwarten kann.
Übrigens war Oldfield vor seiner Solokarriere längere Zeit als Bassist
von Kevin Ayers' Band "The Whole World" unterwegs, versteht also
durchaus sein Handwerk. Auf "Tubular Bells" spielt er auch ziemlich
anspruchsvolle Sachen - etwa beim Finale von Part 1 wird die ganze Zeit
die Gitarre mit ihren schnellen 16teln gedoppelt. Ich habe mal versucht,
das auf dem Bass nachzuspielen, schaffe das aber gerade mal drei oder
vier Takte lang und das hat dann mit Präzision nichts zu tun.
Gekauft hatte ich mir 2007 die SACD von "Tubular Bells" mit dem
genialen Quadro-Mix von 1975:
Hier stimmt einfach alles - dass es nix im Center und Subwoofer gibt, macht
nix. Die Instrumente sind sehr gut verteilt und die Aufnahme ist klar
und transparent wie nie. Auch der Rundgang durch das Manor-Studio vor Sailor's Hornpipe ist mit drauf und hier machen Vivian Stanshall und die Jecken wirklich
einen Rundgang - einmal rum um den Sweet Spot. Teil 2 ist dadurch gut drei Minuten länger als auf den
"normalen" CDs. Der CD-Layer enthält die 25th Anniversary-Version. Diese wäre also
entbehrlich, wenn das schöne Booklet im Pixibuchformat nicht wäre - das von der SACD kann
man getrost vergessen. Statt eines Booklets gibt es hier nur einen
Pappschuber mit drei losen Blättern drin. Wenigstens eins davon ist
jedoch sehr interessant, enthält es doch einen Bericht von Phil Newell
über die merkwürdigen Umstände beim Zustandekommen des Quadro-Mixes.
Die Quadro-Mixes von "Hergest Ridge" und "Ommadawn" waren jedoch nirgendwo in Sicht, auf eine SACD-Ausgabe wartete man vergebens. In der Zwischenzeit war es einigen Soundfreaks jedoch gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, Quadrofonische Aufnahmen, bei denen die vier Quad-Kanäle auf zwei Stereo-kompatible Kanäle per Phasen-Matrix verteilt waren, digital zu extrahieren. Also besorgte ich mir die CD-Erstausgabe von "Boxed", von der bekannt war, dass sie die originalen, unveränderten Quadro-Masters enthielt. Nachdem mein PC mehrere Tage und Nächte lang durchgelaufen war, hatte ich schließlich eine selbst gebrannte quadrophonische DVD-Audio in der Hand, die heute noch zu meinen am häufigsten gespielten Multichannel-Tonträgern gehört.
Nur wenige Jahre später wurde dann Mike Oldfields Wechsel von Warner zu Universal bekannt gegeben. Universal hatte mit seiner "Deluxe Edition"-Serie bereits Maßstäbe gesetzt und als verkündet wurde, dass Oldfields Alben in diesem Format nach und nach neu erscheinen würden, war die Freude groß.
Die Rezensionen, die ich zwischen 2009 und 2014 anlässlich der jeweiligen Releases geschrieben hatte, sind hier ohne große inhaltliche Änderungen zusammengefasst:
Die Remasters 2009-2013
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Abb.: Amazon |
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Als erstes wurde, natürlich,
"Tubular Bells" neu veröffentlicht, zusätzlich zur "normalen" und "Deluxe Edition" auch in einer "Ultimate Edition" Box im Großformat, die außer einem neuen Surround-Mix auch eine Vinyl-LP enthielt. Mich hat natürlich zuerst die DVD mit dem 5.1 Remix interessiert - hier muss ich sagen: spektakulär!
Fantastisch ist noch untertrieben. Kein Vergleich zur SACD mit dem
Original Quad-Mix. Schade, dass es nur Dolby Digital und kein
dts gibt, aber die Klangqualität ist auch so hervorragend. Eine bessere,
knalligere Version vom
Caveman hatte ich bis dahin noch nie gehört.
Und
Mike Oldfield's Single in Surround ist ebenfalls Gänsehaut-produzierend schön.
Leider wars das auch schon auf der Plus-Seite.
Die vielen Minusse:
- DVD kein dts (schon erwähnt), eine nervige Computeranimation der
"Bell" als Videospur (Glocke rotiert in immer demselben, etwa 5 sec
langen Loop vor einem sich etwa alle 5 min änderndem bewölkten Himmel).
-
Tubular Bells part one live at 2nd House (BBC) hatten wir schon auf der Elements-DVD.
- Die Vivian-Stanshall-Version von
Sailor's Hornpipe ist einfach hinten dran geklebt und wird ausgeblendet, bevor das eigentliche
Sailor's Hornpipe beginnt.
- Der 2009er Stereo Remix von
Tubular Bells klingt leider nur
gelegentlich besser als der Originalmix und leidet vor allem an der
stark eingeschränkten Dynamik. Zuvor leise Passagen sind jetzt erheblich
lauter, was auch den Klangvergleich erschwert (ich musste ständig
nachregeln).
- Auch das Remaster des Originalmix' kann mit der 25th Anniversary
Edition leider nicht mithalten in Sachen Klarheit und Transparenz.
- Die Demo-CD: OK, ganz interessant für Freaks wie mich, aber klanglich
eine einzige Katastrophe. Streckenweise fehlt der rechte Kanal bei
Tubular Bells (long)
und auch ansonsten gibt es jede Menge Dropouts, Verzerrungen und
sonstige Störungen. Bis auf Entrauschen hat man sich hier wohl das
Restaurieren gespart. Damit reduziert sich der Wert dieser CD auf
"historisch". Frage mich allerdings ernsthaft, wie er damals geschafft hatte,
mit diesen Demos Richard Branson zu überzeugen.
- Das Vinyl: Vollkommen überflüssig (wie immer in solchen Verpackungen: treibt nur die Produktionskosten in die Höhe).
Fazit: Was soll ich sagen - irgendwie bin ich froh, doch nicht die 67
Euro dafür ausgegeben zu haben, obwohl das Buch darin mit den
Screenshots von Mikes Nuendo-Session schon wirklich klasse aussieht.
Andererseits sind die beigelegten Memorabilia-Repliken nicht der Rede
wert und die Geschichte hinter "Tubular Bells" steht auch in der 25th
Anniversary Edition.
Für den Komplettisten fehlt allerdings auch die Quad-Version (die gibts
zwar auf SACD, hätte aber noch gut mit auf die DVD gepasst), sowie die
Orchestral Version von 1974.
"Hergest Ridge" (3-Disc-Deluxe Version 2010):
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Abb.: Amazon |
Fantastisch, dass er sich nun entschieden hat, doch einige der
Instrumentenspuren zu belassen, die er für die SQ-Quadro-Abmischung 1976
(die bekanntlich Master war für alle späteren Veröffentlichungen)
verworfen hatte. So ist der Klangeindruck deutlich näher am Originalmix
von 1974, jedoch sind z.B. die Chöre fast genau so deutlich zu hören wie
im Quad-Mix. Hat das Beste draus gemacht, der Gute! Sogar an das Cover
kann man sich schnell gewöhnen, zumal das Originalcover im Booklet sogar
mit Rückseite seitenfüllend abgebildet ist. Der Klangunterschied zwischen den Quad-Mixen und der
Neu-Surroundabmischung ist riesig - das war schon bei Tubular Bells
letztes Jahr zu hören. Plötzlich klingt alles viel klarer und sauberer
definiert, natürlich ist auch die Kanaltrennung besser und die Ortung
eindeutiger.
"Hergest Ridge" fand ich früher immer deutlich
schwächer als "Tubular Bells" und "Ommadawn"; dem geneigten Hörer
erscheint es noch introvertierter als die beiden anderen Alben und
besonders auf Seite 2 auch erheblich repetitiver und, ja: langweiliger. -
Fakt ist jedoch (und das habe ich erst Jahre später gelernt), dass die
"Boxed"-Version, die ich kannte, eine Neuabmischung war, die sich -
anders als die beiden anderen Alben, bei denen es in erster Linie darum
ging, die vier Quadro-Kanäle zu füllen - durch radikales Weglassen
vieler Instrumente, Stimmen und anderer Elemente "auszeichnete", die die
Originalversion erst abwechslungsreich und interessant gemacht haben.
Oldfield hatte damit wohl auf die seinerzeit häufig geäußerten Kritiken
reagiert, "Hergest Ridge" sei nur ein völlig überproduzierter Abklatsch
seines Debuts gewesen. Anders als bei seinen anderen Alben hatte er nach
dem Erscheinen von "Boxed" verfügt, dass jede spätere Veröffentlichung
von "Hergest Ridge" ausschließlich im "Boxed"-Mix erfolgen durfte. Der
Original-Stereo-Mix erschien somit erst mit der Deluxe Edition 2010 zum
ersten Mal wieder und zum ersten Mal überhaupt auf CD, dafür ist die
"Boxed"-Version nun nach 35 Jahren out-of-print.
Ich denke, man sollte daher erst über das Album urteilen, wenn man auch
den Originalmix oder die Neuabmischung von 2010 gehört hat. Inzwischen
gibt es die folgenden Versionen, die alle ihre Vorzüge und Nachteile
haben:
1. 1974 Original Stereo Mix (UK-Vinyl-Erstauflage und 2010 Deluxe Edition, sowie "Back to black"-Vinyl-Edition)
2. 1976 "Boxed"-Version (stripped-down-Quad-Remix, "Boxed" und alle
späteren Vinyl- und CD-Versionen, außer 2010 Veröffentlichungen)
3. 2010 New Stereo Remix (2010 Veröffentlichungen; das ist in etwa ein Kompromiss aus "Boxed"- und Originalversion)
4. 1974 Demo Version (2010 Deluxe Edition; das ist natürlich eine ganz andere Aufnahme)
5. 2010 New 5.1 Surround Mix (2010 Deluxe Edition - mein persönlicher Favorit)
"Ommadawn" (3-Disc-Deluxe Version 2010):
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Abb.: Amazon |
Interessanterweise ist der Unterschied zwischen der neuen 5.1-Abmischung
und dem Quadrophonie-Mix von 1976 nicht so groß wie erwartet. Klar ist
natürlich auch diese Neufassung sauberer, transparenter und
präsenter,
die Aufteilung der Instrumente und ihre Balance ist jedoch sehr
ähnlich, es gibt nur wenige Überrraschungen. Dafür kommt der Mix aber
auch weniger subtil und geheimnisvoll rüber. Ommadawn habe ich früher
bevorzugt leise gehört, allein bei abgedunkeltem Zimmer und Kerzenlicht.
Das war magisch - keine andere Platte hatte diese Wahnsinnsausstrahlung
gerade bei geringstem Pegel.
Mit dem neuen Surroundmix hatte ich zunächst das Problem, dass ich die
Loudness schlecht einschätzen konnte. Die Dynamik entspricht nämlich
nicht dem Original. So hatte ich am Anfang auf vermeintlich gewohnten
Pegel eingestellt, es wurde jedoch nicht lauter, da, wo es hätte lauter
werden müssen - den Effekt kannte ich schon vom "Tubular Bells"-Remix. Ich
hätte also von Anfang an lauter stellen müssen.
Die stark eingeschränkte Dynamik ist vielleicht das größte Manko der
neuen Mixe. Am stärksten fällt es auf nach dem orgasmischen Ende von
Teil 1 - üblicherweise spielen die African Drums von Jabula leise den
Rhythmus weiter ("like post-coital heartbeat"), hier scheinen sie
plötzlich, da keine anderen Instrumente mehr zu hören sind, deutlich
lauter als noch kurz zuvor. Hatte das Original dann eine minutenlange
Ausblende, reißt es hier am Schluss geradezu ab. Nicht sehr geschickt
gemacht. Dennoch: der überwiegende Klangeindruck ist sehr gut - es
strahlt geradezu, Sound und Mix können bis auf die genannten
Einschränkungen als gelungen bezeichnet werden.
Mir ist übrigens erstmals aufgefallen, dass die Quad-Version von Part 1
genau eine Minute länger ist. Warum, kann ich nicht sagen.
Der eigentliche Kaufanreiz dieser Deluxe-Edition ist jedoch die "Lost
Version" von Ommadawn, mitnichten ein "Demo", wie uns die Tracklist
weismachen will, sondern die wegen technischer Probleme mit dem
Bandmaterial abgebrochene, fast fertige Urfassung des ersten Teils in
Form eines Stereo-Rough Mixes, den man verschollen glaubte, jedoch
kürzlich in den Virgin-Archiven ausgraben konnte. Im Booklet ist die
Geschichte dazu genau beschrieben. Durch die unzähligen Overdubs und das
ständige Spulen wurde das Tape mechanisch zu stark belastet, es traten
hoher Abrieb und zunehmende Dropouts auf. Das Band fiel praktisch
auseinander. Auch eine Kopie half nur vorübergehend - auch diesem Tape
drohte nach kurzer Zeit das selbe Schicksal. Oldfield war also
gezwungen, ganz von vorn zu beginnen, was ihn zunächst in Depressionen
stürzte. Wenn man sich die Aufnahme anhört, kann man verstehen, warum.
Da stecken Monate an Arbeit drin. Viele Bestandteile der späteren
Fassung sind enthalten, einige Ideen kamen offenbar erst beim zweiten
Versuch, was Oldfield damals schnell half, den Frust zu überwinden.
Natürlich ist die Endfassung Klassen besser - klar, er hatte ja Monate
mit dem Material geübt. Dennoch ist diese Aufnahme bemerkenswert gut und
hochinteressant - nicht nur für Ommadawn-Fans, denke ich.
"Incantations" (3-Disc-Deluxe Version 2011):
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Abb.: Amazon |
Für mich als überzeugten Surround-Fan ist das Fehlen der 5.1-Version
schon ein Manko - aber man wusste man ja vorher, dass die Multitrack-Tapes des Albums nicht mehr aufzutreiben waren. Das auf der DVD vorhandene Ersatz-Surroundmaterial kann nur wenig beeindrucken. Die drei
Stücke aus "Incantations" sind OK, klingen nicht spektakulär, es scheint sich hier jedoch um Outtakes bzw. Alternativaufnahmen zu handeln. Besonders auffällig erscheint das
bei
Hiawatha, hier leiert Maddy Prior deutlich schlimmer als auf dem Album und manchmal singt sie einfach falsch.
Piano Improvisations
scheinen alles andere als Improvisationen zu sein, sie klingen eher wie
eine "Incantations"-Ouvertüre, sehr schön, allerdings für Surround nicht
gerade
prädestiniert.
Guilty
in 5.1 ist eine ziemliche Enttäuschung, der Sound ist flach und pappig,
extrem trocken und alles fiept und blubbert gleichmäßig aus allen
Lautsprechern. Die Sologitarre ist viel zu laut und das Solo deutlich
uninspirierter als in der bekannten Version. Aber ich will nicht
meckern, nett, dass wir überhaupt etwas in Surround bekommen haben.
Die neue Aufmachung der Universal Deluxe-Editions ist allerdings
traurig. Den halb-transparenten "Deluxe"-Balken gibt es jetzt nur noch als
Aufklebe-Streifen, der nicht wiederverwendbar ist, sobald man ihn
einmal abgelöst hat (was wenigstens problemlos ging). Der Plastikschuber
ist gar nicht mehr vorhanden, naja, der hat gern mal geklemmt, aber ich
hätte die Tradition dennoch beibehalten - es hat einfach wertig
ausgesehen und die Ausgaben hatten bereits ein entsprechendes Image, was
jetzt wohl erstmal zerstört sein dürfte.
Die Liner Notes liefern ein
bisschen Oldfield-Bio, aber wenig zum eigentichen Album und kein Wort
zum Remaster und zu den Bonustracks. Auf
Incantations Live und die
Promovideos hätte ich gern verzichtet, denn ich habe die "Exposed"- und
"Elements"-DVDs bereits. Stattdessen wäre die Surroundfassung des
"Exposed"-Albums hier eine feine Dreingabe gewesen, bei der nicht mal eine
neue Abmischung hätte erstellt werden müssen, denn das Album ist ja in
allen Versionen stets als SQ-Quad-Mischung erschienen.
Die CD der Deluxe Edition hatte einen bedauerlichen Fehler, den Universal durch eine kostenlos zugeschickte Replacement-Disc korrigieren musste - es
fehlte ein Teil eines Takts, deshalb klang
es wie ein Sprung in einer Schallplatte, nur ohne den Klick.
Was ich zudem feststellen musste (und was ich 1978 schon festgestellt
hatte): Das Album ist gar nicht mal so gut. Es klafft doch nicht
nur zeitlich eine große Lücke (drei Jahre) zu den drei Vorgänger-Klassikern. Vor allem habe ich
jetzt wieder gemerkt, dass sich einzelne Passagen viel zu oft und
variationslos wiederholen, dass es manchmal echt nervt.
Hiawatha vor
allem - das ist eine gefühlte Viertelstunde immer derselbe Gesang von
einer Frau, die wie meine Omma singt in Endlosschleife. Die
Gitarrensolos erscheinen weitgehend uninspiriert, oft kommt es einem so
vor, als habe er echt nicht gewusst, was er dazu improvisieren sollte.
Den afrikanischen Drummern von Jabula hat jemand Halsbänder und Ketten angelegt, die klingen, als ob
sie sich nicht trauen oder unwohl fühlen. Ich stelle auch fest, dass es
dem Vinyl-Album guttat, dass man vier LP-Seiten hatte, die man erstmal
umdrehen bzw. wechseln musste. So alles am Stück und knapp
hintereinander weg ist schon heftig. Nicht weiter verwunderlich, dass
die Live-Version deutlich kürzer und wesentlich stringenter klingt. Und
erstaunlich auch, wie gut
Guilty dazu passt, diese Single kam ja
deutlich später raus als das Album und hatte diesen sehr zeitgemäßen
Discosound, der in meiner ursprünglichen Wahrnehmung immer total anders
klang.
"Platinum" und
"QE2" (2012):
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Abb.: Wikipedia |
Ich habe jetzt beide neuen Deluxe Editions intensiv gehört - und bin wenig begeistert.
Da ich beide Alben nie auf CD gekauft hatte, war ich gespannt auf das
Wiederhören nach so vielen Jahren. Leider war ich doch ziemlich
enttäuscht, weil die Alben in meiner Erinnerung deutlich besser waren.
"Platinum" mag 1979 noch ziemlich hip gewesen sein mit seinen
unterlegten Disco-Rhythmen, heute ist das mitunter nur schwer erträglich
und nervt streckenweise einfach. Leider gilt das auch und vor allem für
die ansonsten musikalisch durchaus ambitionierte
Platinum-Suite, aber auch
Into Wonderland und
I got rhythm sind eigentlich ziemlich furchtbar arrangiert und leider auch interpretiert.
Die Bonustracks auf CD 1 sind unspektakulär und wären auch verzichtbar gewesen.
Blue Peter ist zwar nett, aber passt irgendwie nicht in den Kontext des Albums und dass
Sally fehlt, das seinerzeit auf der Vinyl-Erstausgabe noch enthalten, aber schon bald auf Wunsch von Virgin Records entfernt worden war, ist mehr als nur beklagenswert.
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Abb.: Wikipedia |
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"QE2" schneidet etwas besser ab, auch weil die Drums von Phil Collins
und Morris Pert auf den ersten drei Titeln beachtenswert gut, jedenfalls
besser als die simplen und variationslosen Discorhythmen von "Platinum"
sind. Dennoch erscheinen einige Ideen auch hier nicht ganz
ausentwickelt und die oft sehr kurzen Stücke wie Fragmente, was
vielleicht das Hauptmanko des Albums ist. Daneben sind die beiden
Coverversionen auch nicht wirklich gelungen und nerven schon beim ersten
Wiederhören.
Bonustracks:
Shiva (ein "reworking" von
Sheba mit Text
gesungen vom Meister selbst) ist einfach eine scheußliche
Geschmacklosigkeit. Es klingt, als habe er einfach mit dem iPhone über die
vorhandene Aufnahme drübergesungen und das nicht mal ansatzweise gut.
Polka, eine bekannte live B-Seite, hätte man vielleicht mal entrauschen und entbrummen sollen, aber gut, man kann nicht alles haben.
Beide Deluxe-Editions kommen mit je einer Live-Bonus-CD, die vom Mix her nicht
immer optimal scheinen - fast wie alte Radio Shows, dabei handelt es
sich laut Booklet um Neuabmischungen von den Multitracks "under Mike
Oldfield's supervision", naja.
Sicherlich am jeweils interessantesten sind die älteren Stücke im
Programm, daher ist auch die 1981er Show von "QE2" die spannendere, auch
weil die Mitgliederzahl der Liveband gegenüber der "Platinum"-Tour noch
einmal reduziert wurde. So erfährt
Ommadawn hier die erste
offizielle Live-Veröffentlichung, die um einiges anders klingt als die
Studiofassung. Maggie Reilly scheint allerdings nicht immer zu wissen,
was sie tut oder tun soll und das klingt streckenweise ziemlich
peinlich.
In jedem Fall ist es ungünstig, CD1 und CD2 direkt hintereinander zu hören,
da direkt am Anfang der Live-CDs die soeben gehörten Album-Stücke erneut zu
hören sind, noch dazu in recht wenig variierten Versionen.
"Five Miles Out" (3-Disc-Deluxe Version 2013):
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Abb.: Wikipedia |
Die Deluxe Edition mit dem neuen 5.1-Mix wurde schon vor längerer Zeit
geliefert, hatte aber bis zum Wochenende noch nicht Gehör gefunden.
Jetzt also endlich - und leider konnte ich mich anschließend wieder
erinnern, warum mir dieses Album nie wirklich zusagen konnte.
Taurus II
ist ein Oldfield-Longtrack, wie er nicht sein soll - ohne Gefühl und
Gespür für Dynamik eingespielt. Drums und Rhythmusgitarren wie von
Holzfällern eingespielt - sinnlos eingestreute Pipes und andere
Folk-Elemente. Keine Steigerung, kein Sinn fürs Ganze. Schade. Der neue
Surround-Mix kann nicht ganz überzeugen, vieles geht einfach unter,
andere Sachen stechen überprominent heraus. Noch schlimmer der Rest:
Family Man ist nervig,
Orabidoo
verschenkt seine Möglichkeiten - herausragend ist nur das spartanisch
instrumentierte Ende, das ich völlig vergessen hatte. Hier zeigen
Oldfield und Reilly, wie man nur mit einer Akustikgitarre und tollem
Gesang ein Glanzlicht setzen kann. Der Titelsong kommt auf der DVD
gleich dreimal hintereinander und ist ein Musterbeispiel dafür, wie
Oldfield sich damals verzettelt hat - hier passt einfach nichts
zusammen.
"Crises" (5.1-Mix 2013):
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Abb.: WOM |
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Habe jetzt die DVD aus der Deluxe-Edition mit dem Surroundmix gehört und
bin hin- und hergerissen. Das Titelstück ist ihm eigentlich gut
gelungen, aber die zweite Seite hat es in sich.
Moonlight Shadow ist völlig daneben, er hat den Mix komplett umgekrempelt, ähnlich wie er das auch schon mit
Guilty
gemacht hat, nur noch schlimmer. Den Anfang lasse ich noch gelten, da
hat er die 12"-Version verwendet, aber dann wird es nur furchtbar.
Höhepunkt sind seine nervigen (und schlecht gesungenen) Backingvocals,
die im alten Mix gar nicht auffielen und die er jetzt viel zu laut nach vorn gemischt hat. Sicherlich gibt es viele Argumente
gegen das Fade-Out des Originals, aber den Song einfach abrupt abreißen
zu lassen, ersetzt auch kein auskomponiertes Ende. Das klingt so, als sei er noch gar nicht fertig mit dem Mixen gewesen.
Die anderen Songs klingen ebenfalls seltsam bis merkwürdig, aber ich
habe "Crises" in den letzten Jahrzehnten nicht mehr gehört (besitze die
CD bis heute nicht), daher kann ich kaum feststellen, was alles noch
verändert wurde.
Ich denke, er sollte die Surroundmixes gelegentlich doch anderen Leuten überlassen, die etwas davon verstehen...
Gesamtfazit:
"Incantations" war
schon das erste von Oldfields weniger gelungenen Alben, aber immer noch
über weite Strecken anhörbarer als alles, was danach kam. Es stimmt, er hat es in den 1980er Jahren ein paarmal geschafft, perfekte Popsongs zu komponieren und zu produzieren.
Mistake oder
Moonlight Shadow sind gelungene Beispiele. Leider hatte ich immer den Eindruck, als sei ihm danach einfach nichts mehr eingefallen. Schon die Single
Crime of Passion war nur ein schamloses und, wie ich finde, recht peinliches Selbstplagiat von
Moonlight Shadow.
Ich denke, dass ihm letztlich die komplexeren Kompositionen mehr am
Herzen gelegen haben und er da auch ein unbestreitbares Talent hatte.
"Tubular Bells" war ja nur der Anfang; "Hergest Ridge" und "Ommadawn"
sind mindestens gleichwertige Meisterwerke (mein ewiger Favorit bleibt
"Ommadawn"), die trotz einiger Perlen auf späteren Alben künstlerisch
meterhoch über allem stehen, was danach kam.
Möglicherweise war das einschneidende Erlebnis, das ihm bei einem
Selbsterfahrungs-Seminar 1978 widerfahren war, auch der Grund, warum
seine Kreativität danach neue Wege einschlug. Ein überdosierter LSD-Trip
in den frühen 1970ern hatte ihn zu einem introvertierten, fast
autistischen Einzelgänger gemacht, der, von Angstneurosen und
Panikattacken geplagt, keine Bühne betreten konnte, dazu war er schwerst
alkoholabhängig. Möglicherweise war die Musik in diesen Jahren seine
einzige Möglichkeit, seine Probleme halbwegs zu kompensieren, daher
verwundert es nicht, dass sich sein Stil deutlich veränderte, nachdem er
diese Probleme los war. Es liegt wohl auf der Hand, dass man nur
introvertierte Musik machen kann, wenn man selbst introvertiert ist.
Oldfield fing 1979 aber sofort an, sich mit Gastmusikern und später mit mehr
oder weniger festen Bands zu umgeben, da war es klar, dass es nicht so
weiter gehen konnte.
Dennoch: Wenn man ihn nicht gezwungen hätte, kommerzieller zu werden (es
gab ziemlich Druck von Richard Branson seinerzeit, auch und vor allem
wegen seiner anfänglichen Weigerung, auf Tour zu gehen), wäre die
Substanz seiner Alben nach "Incantations" sicher deutlich besser
geworden, das zeigt nicht zuletzt auch das "Amarok"-Album - wohl das
beste seiner "Spätwerke", wenngleich auch immer noch kein gutes,
da es ziemlich überfrachtetes Stückwerk ohne nachvollziehbare Über- oder
Zusammenhänge bot. Aber es entstand immerhin ohne jeden Einfluss von Virgin Records; da er sich damals mit seiner Plattenfirma wegen der für ihn ungünstigen Vertragslage seiner frühen Alben überworfen hatte, wollte er nur noch raus aus seinem laufenden Deal - daher war "Amarok" bewusst so unkommerziell wie möglich gehalten - und zeigt so deutlich, welch kreatives Potential Oldfield auch Ende der 1980er noch hatte.