Freitag, 5. Dezember 2014

ROBERT PLANT - lullaby and... The Ceaseless Roar (2014)

Abb. Nonesuch/Warner
Ich schicke mal voraus, dass ich kein Led Zeppelin-Fan war oder bin. Es ist nicht so, dass ich diese Band nicht mag, sie hat mich vielmehr nur relativ kalt gelassen. Sicher gibt es eine ganze Reihe herausragender Songs und da, wo Stairway to heaven als bester Song der Rockgeschichte ever abgeschnitten hat, war diese Wahl für mich durchaus nachvollziehbar. Das vierte, namenlose Album befand sich lange als einziges in meiner Sammlung, später kam noch "III" dazu, mit diesem hübschen Artwork mit den Löchern und der drehbaren Scheibe dahinter. Ein Freund hatte mir damals mal "Physical Graffiti" geliehen, auch hier gab es ein nettes durchlöchertes Artwork zum Rumspielen, aber die Musik hatte mich als damals gerade mal 15jährigem doch ziemlich überfordert. Robert Plants Soloalben hatte ich anfangs noch mitverfolgt - klar, denn an den ersten beiden war ein gewisser Phil Collins beteiligt. Ich erinnere mich dann an 29 Palms auf MTV und fand den Song ziemlich gut. Später jedoch verlor sich Robert Plants Spur für mich. Ende Oktober war ich in einem HMV-Laden in einer südenglischen Kleinstadt und musste die Verkäuferin fragen, was denn da für eine eigenartige Musik über die Beschallung zu hören war. Sie meinte, das sei das neue (großartige) Robert Plant-Album. Das machte mich neugierig.

Seit ein paar Tagen läuft es nun fast ununterbrochen auf meinem iPhone und ich finde es mit jedem Durchlauf besser. Der erste Eindruck: eigenartig - trifft es nach wie vor; das Album klingt doch recht ungewöhnlich. Plants Stimme ist stark zurückgenommen, sehr verhalten, man hört ihn nie schreien. Stattdessen sind ein bis zwei ziemlich großartige Gitarren zu hören, im Panorama meist ganz nach links und rechts verteilt, die keine Soli spielen, dafür einige leicht angezerrte Lick-Miniaturen und viele geniale Riffs und meist das Klangbild auf diese Weise dominieren. Einen konventionellen Schlagzeugsound gibt es nirgendwo zu hören; die Drums klingen leicht verzerrt und sehr "noisy"; auf Hi-Hats oder Becken wird die meiste Zeit verzichtet, dafür stammen einige Patterns deutlich hörbar von Drumcomputern. Ein wenig so wie Peter Gabriel das bei seinem dritten Album von 1980 erstmals exerzierte (interessanterweise wurde das Album in Teilen in Gabriels Real World-Studio in Bath aufgenommen). Darüber liegen dann einige akustische/exotische Folkinstrumente wie Banjo, Djembe, Tehardant und Bendirs (was immer das alles sein mag). Darunter pulsiert ein federnder, treibender Bass und einige Synthie/Sequencer-Sprengsel fügen alles zu einem dichtgewebten Klangteppich zusammen, den ich so noch nirgendwo gehört habe.

Das Album beginnt mit dem Traditional Little Maggie und zwei akustischen Instrumenten, eins davon vermutlich ein Banjo. Später kommt etwas Fiddle-artiges hinzu, das eine sehr repetitive Melodie darüberlegt. Rainbow, auch als Single ausgekoppelt, ist gleich danach so etwas wie die Blaupause des Albums. Ein starker, simpler Groove, tolle Vocals und eine geniale Gitarrenlinie treiben eine sehr eingängige Melodie nach vorn. Der Mittelteil erinnert erstmals ein wenig an Led Zeppelin, der Männerchor allerdings auch wieder nicht. Pocketful of Golden beginnt mit einem Didgeridoo über einem nicht variierten Drum-Loop. Plant singt hier wie ein Schlafwandler, dadurch bekommt der Song etwas Hypnotisches. Auch Embrace Another Fall beginnt mit einer Art Traumsequenz, darüber dann ein exotisches Saiteninstrument mit leicht fernöstlichem Einschlag. Gastsängerin Julie Murphy singt irgendetwas walisisches, die Melodie könnte jedoch genauso gut aus Nordafrika stammen. Turn it up ist dann so nah am traditionellen Rock und am Zeppelin, wie das hier nur möglich scheint. Die schweren Blues-Gitarrenriffs stehen ganz weit vorn und man wird so ein wenig an Kashmir erinnert. A Stolen Kiss ist dann das genaue Gegenteil, eine pianodominierte Ballade mit einer schönen Melodie, sehr ruhig und verhalten. Der Albumtitel ist einer Zeile dieses Songs entnommen. Ein Schlaflied ist es dennoch nicht, denn es bleibt bis zum Ende spannend, der tiefe Männerchor ist wieder zu hören und am Ende singt ein feines E-Bow-Solo. Somebody There wäre wohl der nächste Single-Kandidat. Der Refrain ist unglaublich catchy und die Gitarrenlinien wieder so, dass man kaum genug davon bekommen kann. Poor Howard ist wieder traditioneller/akustischer, was überwiegend natürlich am hier dominierenden Banjo liegt. Ich habe in den Credits nachgeschaut - es ist kein Traditional, worauf ich ansonsten gewettet hätte. House of Love beginnt mit einer leisen E-Bow-Gitarre und entwickelt sich gleich zum nächsten Album-Highlight. "Ooo, when I think about it no-oow" singt Plant über einen pulsierenden Groove mit oktavierendem Wechselbass und das ist einfach umwerfend. Up on the Hollow Hill (Understanding Arthur) ist dann ein ziemlich finsteres Werk mit sehr bluesigen Anlagen bevor das Album mit dem kurzen Stück Arbaden (Maggie's Baby) einen würdigen Abschluss findet. "Badimbadimbadimbadim" singt jemand in einer exotischen Sprache, das klingt erstmal lustig - dann variiert Plant das Thema des Openers erneut, bevor sich der Geräuschteppich langsam der Ausblende ergibt.

Ich denke ich werde mich jetzt mal in Plants Back-Katalog einhören, vielleicht gibt es da noch die ein- oder andere Perle zu entdecken...


Donnerstag, 2. Oktober 2014

Technobabble: Platinum SHM-CDs - der Wahn hört nie auf...

Da das mit der SuperAudioCD (kurz: SACD) dann doch nicht hingehauen hatte, weil kaum ein Hörer großen Wert auf tollen High-End-Klang legen wollte bzw. keine Lust hatte, sich extra einen neuen CD-Player zu kaufen, der all die neuen hochauflösenden Formate abspielen konnte, hat die Industrie mal kurz innegehalten und nachgedacht. Ja, das machen die wirklich! Oder doch nicht? - Egal, statt einheitlich auf die Blu-Ray als Trägermedium zu setzen, haben sie jetzt tatsächlich dem nun schon fast 35 Jahre alten Standard CD-Audio nochmal ein Update verpasst: Die SHM-CD!
Das ist eine neue Erfindung, natürlich aus Japan, bei der der übliche Polycarbonatträger der CD gegen ein neues Material (ebenfalls Polycarbonat, aber viel besser!) ausgetauscht wurde, das einige Vorteile besitzen soll. Es ist angeblich transparenter und soll in der Fertigung Pressfehler minimieren, so dass es in der Summe dadurch zu weniger Lesefehlern kommen soll.

Das liest sich ja erstmal gar nicht schlecht und fast schon so, als hätten die Experten den Schwachpunkt der guten alten CD ausgemacht. "Lesefehler" - da hat jeder die Assoziation von Spratzern, Klicks und springenden CDs, die in Endlosschleife einen millisekundenlangen Schnipsel repetieren, bevor der Player dann endgültig die Wiedergabe abbricht. Kennen wir alle, vor allem von Selbstgebrannten.
Die Lesefehler, die bei SHM-CDs möglicherweise geringer werden, sind jedoch die, die bei CDs ohnehin ständig vorkommen - die aber, und das ist der Witz, keinerlei Konsequenzen haben geschweige denn Störungen verursachen, denn das Digitalsignal mit seinen endlosen Einsen und Nullen hat genug Reserven, um verloren gegangene Bits absolut fehlerfrei und perfekt zu rekonstruieren.
Diese Fehlerkorrektur ist eine Grundfunktion eines Digital-Analog-Wandlers, jener Baustein, der in jedem CD-Player dafür sorgt, dass aus den Zahlen wieder hörbare Musik wird. Von Anfang an haben die Entwickler des CD-Formats eine bestimmte Zahl an möglichen Lesefehlern pro Zeiteinheit einkalkuliert, daher werden den Zahlenkolonnen Prüfsummen und weitere zusätzliche Daten mitgegeben, die die Fehlerkorrektur in die Lage versetzen, die ausgefallenen Bits einfach neu zu errechnen. Und da es sich dabei um Mathematik handelt, ist das Ergebnis nicht nur ungefähr so, wie es ursprünglich war, sondern stimmt bis aufs kleinste Bit überein. Mehrere hundert Fehler pro Sekunde kann ein CD-Player so locker wegstecken. Das ist auch der Grund, warum CDs, DVDs und Blu-Rays nicht in Cartridges verpackt sind wie seinerzeit die MiniDisc. Es ist einfach bei normaler Behandling nicht notwendig. Die üblichen Staubfusseln stören die Wiedergabe nicht im Geringsten.
Erst im Grenzbereich, d.h. wenn eine CD stark verkratzt oder verschmutzt ist, können irreparable Fehler entstehen, die unter Umständen und je nach Abspielgerät auch hörbar sind (starke Verzerrungen, Sprünge, kurze Wiederholungen, Hängenbleiben, Aussetzer oder Stummschalten der Wiedergabe).

Daher kann das verbesserte Polycarbonat der SHM-CD keinen klanglichen Unterschied bieten!

Von SHM profitiert zuallererst die Industrie, da das Verfahren offenbar weniger Ausschuss durch Pressfehler erzeugt - angeblich fließt das Material besser beim Pressvorgang und schmiegt sich so noch besser an die "Mutter"-Matritze an.
Allerdings können ältere CD-Player, deren Laserdiode kurz vor dem Ende der Lebensdauer steht, von SHM ebenfalls profitieren. Oder Nutzer, die ihre CDs regelmäßig auch als Bierdeckel, Wurfgeschosse oder Fingerabdruckspeicher verwenden.

Es geht jedoch noch toller: Der allerneuste Schrei der Highend-Esoteriker ist die Platinum-SHM-CD. Da wird die üblicherweise verwendete Aluminiumbeschichtung gegen eine 20mal so teure aus Platin getauscht. Dadurch wird der Klang natürlich noch edler, ist ja klar...?
Nee, Spaß beiseite: Aluminium -mit dem üblicherweise CDs beschichtet werden- wird in der Astronomie für die Verspiegelung von Teleskopen eingesetzt - das sagt eigentlich schon alles. Silber wäre eigentlich die noch bessere Wahl, denn es hat die besten Reflexionswerte, leider oxydiert Silber recht schnell, daher ist es für Teleskopspiegel unbrauchbar. Dennoch wird es für CD-Rs und CD-RWs eingesetzt, da es die Verluste durch den Brenn-Farbstoff etwas kompensiert (die Oxydation hat man hier gut im Griff, solange die CD-Rs auf der Labelseite vollflächig bedruckt sind).

Der Hersteller von Platinum SHM-CDs weist nun extra darauf hin, dass die CDs nur auf Playern laufen, die CD-R kompatibel sind. Daraus lässt sich zweifellos schließen, dass die Reflexionseigenschaften der Platinbeschichtung schlechter sind als die üblichen Silber- und Aluminiumbeschichtungen.

Da kann man wieder schön sehen, wohin der Highend-Wahn führt - der Vorteil der optisch verbesserten Trägerschicht durch das neue Polycarbonat wird durch die Wahl eines weniger gut reflektierenden Beschichtungsmetalls absichtlich wieder herabgesetzt, weil sich die CDs mit dem Aufdruck "Platinum" besser und teurer verkaufen lassen. Und weil die High-End-Esoteriker ja mal wieder was zum Bejubeln brauchen. Dieser Artikel fand sich in der Zeitschrift STEREO: Story: SHM-CD - darin macht der Autor sich zunächst Mühe, zwei bitidentische Exemplare einer CD zu finden und vergleicht die "normale" CD-Ausgabe dann mit der SHM-CD. Mit verblüffendem Resultat:
"Wie also hören sich Fairport Convention auf SHM-CD an? Auf der Laufwerk/Wandler-Kombi TL1N/DA1N von C.E.C. klingt die SHM-Version tatsächlich in den oberen Lagen entspannter, weniger glasig, beschwingter, gelöster und dreidimensionaler. Die Normal-CD wirkt dagegen wie eingeschnürt: kompakter und belegter. Diese Unterschiede sind deutlich reproduzierbar..."
Wie kann es zu solch einem herrlichen Fehlurteil kommen? Die Lasereinheit am Ende? Die Bierdeckel-Theorie scheidet wohl aus und dass der Autor von den Grundlagen der Digitaltechnik nichts versteht, ist ebenfalls nicht zu vermuten. Bleibt der Eindruck, dass hier ganz bewusst Esoterik-Bullshit geschrieben wurde, um das Leservolk weiterhin zu desinformieren - was die High-End-Presse ja nun schon seit Jahren versucht, seit ihre Anzeigenkunden mit der Einführung der Digitaltechnik das Problem bekommen haben, dass guter Klang auch mit wenig Geld (=wenig Umsatz) zu bekommen ist.

Die SHM-CD ist also nur ein weiterer Versuch der Industrie (und ihrer angeschlossenen Printmedien), die CD schlecht zu reden und damit die Musikliebhaber zu verleiten, mehr Geld für dieselbe Qualität auszugeben. 

Freitag, 12. September 2014

SWEET - Sweet Fanny Adams (1974/2005) und mehr...


Bei mir gings mit Co-co los, da war ich gerade mal 10. Der Song lief eine Weile lang im Radio rauf und runter und gefiel mir sehr, vor allem das wiederholte "aha-ha" in den Strophen. Was ich vom Refrain mit seinem "Huutschikackahoh" halten sollte, wusste ich damals noch nicht. Dass es schon die zweite RCA-Single von Sweet war, hatte ich nicht mitbekommen, geschweige denn, dass es davor schon ein paar erfolg- und bedeutungslose Versuche auf anderen Labels gab. Aber ab da war ich Fan und sammelte alles was ich in die Finger bekam. Parallel dazu war natürlich auch der Output ihrer Glamrock-Zeitgenossen T.Rex, Slade, Mud, Suzi Quatro, Alice Cooper, Mott The Hoople, Wizzard etc. hochinteressant, aber richtig Fan war ich nur von The Sweet (wie sie anfangs noch hießen).

Anfangs sammelte ich nur die Singles; was ich nicht direkt beim Erscheinen gekauft hatte, wurde nachbestellt oder unter Freunden getauscht. So kam ich u.a. zu einer Promo von Alexander Graham Bell, erkennbar am weißen Label.
"Sweet Fanny Adams" - das beste Sweet-Album aller Zeiten! (Abb.: Wikipedia)
Die erste RCA-LP "Funny how sweet Co-co can be" hatte ich ausgelassen, weil es praktisch nur ein Sampler aus bereits erschienenen Singles plus ein paar Coverversionen wie Tom-Tom Turnaround war. Interessant war erst das 1974er Album "Sweet Fanny Adams", das gänzlich ohne Single-Tracks daherkam und das, wie auch schon die im Vorjahr erschienenen Singles Blockbuster, Hell Raiser und Ballroom Blitz eine hochwillkommene Abkehr vom Bubblegum-Sound der ersten Jahre und eine Hinwendung zum immer populärer werdenen "Hard-Rock" bedeutete. Für mich damals eine Offenbarung. Erst später habe ich festgestellt, dass einige Riffs und Intros kräftig bei Deep Purple geklaut waren. "Desolation Boulevard" ein Jahr später bedeutete dann schon das Ende der Partnerschaft mit Nicky Chinn und Mike Chapman, die ausnahmslos bis dahin sämtliche Hits geschrieben hatten. Mit Fox on the run, der ersten von Sweet selbst geschriebenen Single, konnte man zunächst an die Chinn/Chapman-Erfolge anknüpfen, aber danach ging es bergab auf der Erfolgsleiter - auch in meiner Sammlung. Action war meine letzte Sweet-Single und das zugehörige Album "Give us a wink" hatte ich dann schon nicht mehr gekauft. Stattdessen hatte ich mich bereits der nächsten Chinn/Chapman-Band, "Smokey" zugewandt, die dann später unter dem Namen "Smokie" ein paar größere Hits hatte.

Abb.: Amazon
Sweet hatte ich lange nicht gehört, bis ich Anfang der 1990er Jahre über einen ausgezeichneten Sampler ("The Collection") des Labels Castle Communications stolperte, der sämtliche Tracks des legendären "Sweet Fanny Adams"-Albums (damals noch nicht auf CD erschienen) plus alle wichtigen Singles ab 1974 beinhaltete, also die Bubblegum-Anfangsphase außen vor ließ. Da hatte ich erstmals realisiert, dass Sweet tatsächlich eine richtig geile Rockband waren!

Natürlich habe ich inzwischen alle Alben der 2005er Remaster-Serie von RCA nachgekauft, die im übrigen alle Non-Album-Singles plus weitere Bonustracks enthalten - "Sweet Fanny Adams" sticht nach wie vor heraus, gehören doch die oben erwähnten drei Singles nun mit mit zum Paket. Das letzte Album mit Brian Connolly als Sänger, "Level Headed" mit dem letzten Hit Love is like oxygen konnte ich mir in einer inzwischen vergiffenen Version von Repertoire besorgen, die die beiden Singles einschließlich der Non-Album-B-Seiten zusätzlich enthält (die Neuausgabe von 2005 hat nur die Singleversion von Oxygen als Bonus). Auch dieses Album ist etwas Besonderes, denn Sweet gehen da zum Teil ganz neue, fast schon progressive Wege. An manchen Stellen könnte man glauben, hier ein Album des Alan Parsons Project zu hören, wüsste man es nicht besser. Leider wurde Connolly danach wegen seiner Suchtprobleme gefeuert und die drei späteren Alben ohne ihn sowie die folgenden Lineup-Inkarnationen haben mich nie interessiert.

Andy Scott, 2006 (Wikipedia)
1992 erschien dann ein neues Studioalbum, davon hatte ich keine Notiz genommen. Ohnehin war von der Hit-Besetzung der 1970er nur noch Gitarrist Andy Scott dabei. Ich hatte vor ein paar Wochen erst angefangen, als Tontechniker für einen Radiosender zu arbeiten und war im Studio mit dem Schnitt eines aktuellen Wortbeitrags beschäftigt, als plötzlich einige Mitarbeiter unserer Jugendwelle aufgeregt hereingestürmt kamen. Sie müssten jetzt dringend einen kurzen "Aufsager" machen, der müsse sofort auf den Sender. Sie hatten einen etwas mitgenommen aussehenden, langhaarigen und ziemlich übergewichtigen älteren Herrn im Schlepptau, den ich zunächst nicht beachtet hatte, bis sie ihn ans Mikro setzten und der dann, nachdem ich den Regler aufgezogen hatte, die folgenden, bedeutsamen Worte sprach: "Hi, this is Andy Scott from Sweet and this is our new single!".
Da wäre ich ja fast tot umgefallen vor Ehrfurcht. Als ich ihnen das Tape in die Hand drückte, kam Andy nach vorn zu mir als Mischpult, gab mir die Hand, bedankte und verabschiedete sich, sehr britisch-höflich. Dann war er mit seiner Entourage so schnell wieder draußen, wie sie gekommen waren. Seitdem kann ich stolz behaupten, eine Recording-Session mit dem legendären Andy Scott gemacht zu haben.

Dienstag, 9. September 2014

ORIGINAL SOUNDTRACK - Can a song save your life?



Abb.: Amazon
Can Keira Knightley sing?
Ein kleiner, feiner Musikfilm von John Carney (einst Regisseur des gefeierten Musikfilms "ONCE"), der die von einigen Bloggern und Reviewern gestellte eigentliche Frage (siehe Überschrift) leider nicht ganz eindeutig mit "JA" beantworten lässt. Der Soundtrack beinhaltet neben den eher zweitklassigen Stücken von Adam Levine (Kastratensänger von Maroon 5, der im Film aber nur eine Nebenrolle als Ex-von-Keira spielt) und einigen anderen, an die man sich auch nach dem Anschauen des Films kaum erinnern kann, auch die fünf Songs, bei denen Keira singt (bzw. haucht) - und das macht sie nicht nur sehr charmant, sondern auch gekonnt, wenn man davon absieht, dass einige ihrer Vocal-Tracks in der Produktion ganz offensichtlich mit einem "Autotune"-Effekt versehen wurden, jedenfalls sind die typischen Artefakte (man vergleiche "Believe" von Cher) an einigen Stellen deutlich zu vernehmen. Möglicherweise war ihre Intonation dann doch etwas zu bescheiden, weshalb hier nachgeholfen wurde. Allerdings sind die von ihr interpretierten Pop-Songs kleine Perlen der Songwriting-Kunst, nicht nur musikalisch, sondern auch textlich; das macht es wieder wett. 
Gut, Zeilen wie "Cupid wants his arrow back" und "Youth is wasted on the young" hat man auch schon woanders gehört, aber hier wird mit Selbstironie und Hintersinn ein Lebensgefühl reflektiert, für das die Greta im Film steht. Fast könnte man vergessen, dass es nur eine Rolle ist, die Keira Knightley ganz hervorragend spielt, so authentisch kommt das 'rüber - obwohl manche Songs bis zu vier Autorennamen auflisten (der Name Knightley ist natürlich nicht darunter).

Den vielleicht besten Song Tell me if you wanna go home gibt es doppelt - er kommt zusätzlich als "Rooftop-Version" mit Hailee Steinfelds krachendem Stratocaster-Solo. Und der Schlüsselsong des Soundtracks, Lost stars, ist sogar gleich dreimal drauf, wobei allerdings (absichtlich) nur die spartanisch instrumentierte Keira-Version zu genießen ist.

Bei mir spielen die sechs Keira-Tracks derzeit jedenfalls in Dauerschleife.


Kleiner Nachtrag zur Irritation mit den Filmtiteln: auch wenn der Film in den USA unter dem Titel "Begin again" lief, ist "Can a song save your life?" keinesfalls eine Idee aus dem unerschöpflichen Kreativfundus deutscher Verleiher -auf diese naheliegende Idee hätte man ja durchaus kommen können- sondern tatsächlich der Originaltitel, unter dem der Film beim Toronto Film Festival im September 2013 Premiere feierte. Warum er in den USA zum Kinostart umbenannt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, zeigt aber, dass es offenbar auch jenseits des Atlantiks kreative Verleiher gibt... ;) 

Freitag, 15. August 2014

Background: Progressive Rock - wasndas?

Heute mal was Einfaches: wir definieren "Progressive Rock"...
Es gibt Webseiten, die das sehr schön auf den Punkt bringen, z.B. cracked.com:
  1. Progressive rock is categorized by a sacking of traditional song structure, complex rhythms, odd time signatures and a sense of inherent superiority over other rock genres
  2. Because of this, it's pretty much never been popular
  3. It is the only rock genre in which the term "flute solo" has any meaning
Leider ist es dann doch nicht ganz so einfach. Zuletzt hatte prog.teamrock.com mal wieder eine (ernstgemeinte) Liste der besten 100 Prog-Alben veröffentlicht, auf der absurdeste Scheiben zu finden waren, die nicht im Mindesten dazugehören - dafür fehlten natürlich wichtige Alben. Nun kann man sagen, OK, Geschmacksache, aber das wäre auch wieder eine unzulässige Vereinfachung. Also räumen wir zuerst mal mit den Missverständnissen auf:

"Progressive" ist kein eigenes Genre!
Das kann man schon an der Wortart erkennen; es ist klar und deutlich kein Substantiv, sondern nur ein Adjektiv. Der vollständige Begriff lautet: "Progressive Rock"; wörtlich übersetzt also "fortschrittliche Rockmusik". Das zugehörige Genre lautet also: "Rock".
Eine Feststellung, ob Musik fortschrittlich ist oder nicht, kann nur in Bezug auf einen Vergleich mit anderer Musik desselben Genres erfolgen. Gemessen und gewertet wird der Innovationsgehalt eines Albums, eines Musikstücks oder eines Künstlers. Jemand, der einmal in seiner Karriere ein progressives Album veröffentlicht, aber sich sonst nur selbst kopiert hat, kann nicht per se ein progressiver Künstler sein. Ohnehin neigen ältere Künstler eher dazu, sich weniger häufig neu zu erfinden - die Kreativität lässt ganz allgemein nach, je näher man dem Rentenalter kommt. Eric Clapton war sicherlich ein Innovator in den 1960er Jahren, als man ihm den Gottstatus verleihen wollte, aber ich habe nicht mitgezählt, seit wieviel Jahrzehnten der Herr schon langweilt. Es kommt also auf Anderes an.

1970 galt auch ein Album wie "Deep Purple In Rock" als "progressive", obwohl es aus heutiger Sicht eher zum "Dadrock" gerechnet wird. Das hat aber wohl eher mit der geringen Innovationsleistung zu tun, die Deep Purple in den 20 Jahren danach zuwege gebracht hat. Im Rückblick wird halt zuwenig darauf geachtet, welchen "Impact" ein Album bei seinem Erscheinen ausgelöst hat. Ich halte diesen Faktor jedoch für essentiell.
Vielfach wird eingewandt, ein kommerziell erfolgreiches Album könne nicht gleichzeitig auch "progressive" sein, was natürlich völliger Unsinn ist. "Sgt. Pepper" - der Archetyp eines progressiven Rockalbums -  war nach Ohrenzeugenberichten 1967 ein absoluter Hammer, der selbst eingefleischte Beatles-Fans fassungslos zu Boden schmetterte. Gleichzeitig war es überaus erfolgreich.
So ist "The Dark Side Of The Moon" sicherlich ein progressives Album - Pink Floyd haben es damit zum ersten Mal meisterlich geschafft, solide Kompositionen mit elektronischen, experimentalen (Ambient-) Sounds und Geräuschen zu verbinden. Das hatten sie zwar auch schon zuvor versucht, jedoch nicht mit dieser songdienlichen Stringenz.

Wichtiger als Verkaufszahlen erscheint doch, dass das Produkt zu einem "Fortschritt" in der Rezeption des Publikums (eingeschlossen weitere zeitgenössische Rockmusiker oder -bands) geführt und damit eine nachhaltige Wirkung ausgelöst hat, die die weitere Historie des Genres "Rock" maßgeblich geprägt hat. Leider hat es nicht allzu viele Alben in der Geschichte der Rockmusik gegeben, die gleichzeitig erfolgreich und progressiv waren, dennoch schließen sich diese Parameter nicht gegenseitig aus.

Kriterium ist für mich eindeutig die Originalität, die in einer Aufnahme steckt - das Variieren einer bereits bekannten oder beliebten kreativen Idee kann sicherlich ebenfalls kreativ sein, jedoch geht nichts über die Originalität.
Was heutzutage als "Prog" gilt, ist jedoch meist besser in der Schublade "Retro" aufgehoben. Gesampelte Mellotronsounds können sicherlich trotzdem nett klingen. "Retroprog" (diese absurde Wortschöpfung gibt es tatsächlich) ist ein kläglicher Versuch, ein Label zu finden für all die Epigonen, die den Progressive Rock von damals mit alten Stilmitteln und Sounds wie eben Mellotron nachahmen - also eigentlich nur "retro" sind.
The Watch zum Beispiel. Oder Steven Wilson - der ist als ausgewiesener Progfan dafür gut, immer mal eine alte Idee als Hommage einzustreuen (siehe Watchmaker von seinem Album "The Raven that Refused to Sing" - eine Collage aus Genesis' Cinema Show meets Pink Floyds Dogs). Aber "fortschrittlich" oder "originell" ist das im eigentlichen Sinn nicht - und ist dann auch sicher nicht so gemeint.

Viele Fans (und Musiker) verwechseln Virtuosität mit Kreativität. 
Das konnte man zuletzt sehr schön bei den Lobeshymnen sehen, die aus dem Proglager auf Steven Wilsons "Raven" angestimmt wurden. Es handelt sich dabei um eine Grundfehlannahme, die seit den frühen 1970er Jahren immer wieder getroffen wird und vermutlich dem Einfluss der Improvisation (also Blues und Jazz) auf die Rockmusik geschuldet ist. Insbesondere wurde der Jazz, nachdem er in den 1950ern langsam aus der Mode kam, allmählich ein Lieblingskind vorzugsweise elitärer Kreise, seine Protagonisten als musikalische Genies gefeiert - heute ist Jazz ungefähr so innovativ wie Barockmusik, was man auch an seinen abendgarderobierten "Fans" erkennt, die längst zum Hochkulturestablishment gehören.
Rockfans, die sich anfangs eher am unteren Ende des sozialen Spektrums sahen, begrüßten diese Einflüsse daher von Anfang an, weil sie ihre Lieblingsmusik dadurch aufgewertet sahen. Dabei wird übersehen, dass ein Gitarrensolo an sich ist jedoch nur selten progressiv ist, auch nicht, wenn es 20 Minuten dauert oder ausschließlich aus 64tel Noten besteht.

Will man das Adjektiv jedoch konsequent nur an solche Rockmusik vergeben, die es auch verdient hat, kommt man nicht umhin, seinen persönlichen Geschmack in die Ecke zu stellen und stattdessen einen Blick in die Musikhistorie zu werfen, denn nur so lässt sich beurteilen, wann eine Idee wirklich neu war, oder ob wieder mal nur Epigonen am Werk waren.
Beispiel 1: ich halte Pink Floyds "The Division Bell" für ein tolles Album, das ich sehr gern höre, aber es ist nun mal nicht "progressive" (wäre es 20 Jahre früher erschienen sicher gewesen).
Beispiel 2: King Crimsons "In the Court of the Crimson King" ist sicherlich unbestritten ein bahnbrechendes Album des Progressive Rock, allein ich mag es nicht wirklich (ich besitze es trotzdem).

Montag, 11. August 2014

Background: Elvis

Nein, dieser hier ist nicht gemeint:



Aber mal ernsthaft: von Thommie Bayer gibt es einen Song, in dem er Rock'n'Roll-Todesopfer aufzählt und beklagt. Da heißt es am Schluss der langen Liste:

"...Jim Morrison, Janis Joplin, Sandy Denny und Keith Moon - bei Elvis war's egal, der hat nichts damit zu tun"

Dem kann ich mich eigentlich nur anschließen. Elvis Presley war in erster Linie die Gelddruckmaschine seines Managers, "Colonel" Tom Parker. Denn Elvis war ein Weißer, der wie ein Schwarzer singen konnte - und damit den bis dahin "schwarzen" Rock'n'Roll auch in Weißen Kreisen etablieren konnte. So ließen sich Millionen scheffeln durch maximale Vermarktung - in der Musikindustrie seinerzeit ohne Beispiel.

Seine großen Hits haben andere Künstler wie Little Richard und Chuck Berry geschrieben, die wesentlich talentierter als Elvis, aber eben leider zu stark pigmentiert für eine große Hollywood-Karriere waren. Dass er ein passabler Gitarrist war, gut aussah für damalige Verhältnisse (Männer mussten in den 1950ern wie Schmierlappen rumlaufen) und sowohl singen (naja, eher knödeln) als auch sich bewegen konnte - geschenkt. Nichts konnte er wirklich gut, schon gar nicht schauspielern. Seine Hollywood-Filme und seine Schlagerschnulzen sind aus heutiger Sicht überwiegend peinliche Geschmacks-Entgleisungen.

Nichtsdestotrotz sind viele seiner Aufnahmen aus seinem ersten RCA-Jahr 1956 (das Jahr seines Durchbruchs) ziemlich gut. Leider gab es danach keinerlei positive musikalische Weiterentwicklung, was auch dem Militärdienst und der Hollywood-Karriere geschuldet war, die ab 1957 sein Leben bestimmten. Spätestens die "British Invasion" mit der Speerspitze Beatles hatten ihn unwiderruflich abgehängt. Zudem trat immer mehr sein Faible für Country-Musik in den Vordergrund. Seine Grammys verdiente er sich gar mit Gospel-Alben. Sein Ende als schmieriger, übergewichtiger Las-Vegas-Entertainer war vorhersehbar - aber, wie schon oben festgestellt, aus musikhistorischer Sicht tatsächlich egal.

Dienstag, 29. Juli 2014

Technobabble: Pimp my CD-Player

Mittlerweile kann man schon für ein ehemaliges Massenprodukt wie den CD-Player nostalgische Gefühle entwickeln, denn es werden offenbar keine mehr produziert. Bei Amazon gibt es derzeit unter dem Suchwort "CD-Player" gerade noch eine handvoll Produkte als Neuware für den HiFi-Bereich, von denen das jüngste Modell (ein Denon) schon mehr als zwei Jahre auf dem Markt ist.
Diese Beobachtung habe ich zum Anlass genommen, meinem inzwischen 19 Jahre alten Denon DCD-625 eine kleine Frischzellenkur zu gönnen. Nach wie vor finde ich den Player klasse - besonders seine Zehnertastatur. Denn da ich oft einzelne Tracks aus CDs spiele, ist es echt praktisch, nach dem Einlegen einer CD in die Schublade direkt auf die Tracknummer zu drücken. Dann schließt er die Schublade und spielt sofort den gewünschten Song, ohne sich mit dem Inhaltsverzeichnis aufzuhalten. In der entscheidenden Disziplin Zugriffsgeschwindigkeit schlägt er daher meinen Pioneer BDP-440 Kombiplayer um Längen und ist so immer noch erste Wahl bei CDs. Dass der Player einen möglicherweise nicht mehr ganz aktuellen Delta-Sigma 20 Bit - 8fach Oversampling D/A-Wandler an Bord hat, spielt für mich keine Rolle, denn er ist per SPDIF coaxial an meinen erst zwei Jahre alten Onkyo-A/V-Receiver angeschlossen - ich nutze ihn also nur noch als Laufwerk.


Leider hatte er zuletzt angefangen, etwas zu schwächeln. Manchmal dauerte es deutlich länger als normal, bis das TOC einer CD angezeigt war und bei einigen Selbstgebrannten kam es auch gelegentlich zu Abspielfehlern. Klare Anzeichen dafür, dass die Laserdiode am Ende ihrer Lebensdauer angekommen war. Vermutlich hatte zuletzt nur noch die Fehlerkorrektur dafür gesorgt, dass die meisten CDs abspielbar blieben, aber dass sich das alsbald dramatisch verschlechtern würde, war mir klar.

Zum Glück hatte ich mich damals für ein Markengerät eines renommierten Herstellers entschieden, für das auch nach 19 Jahren noch problemlos Ersatzteile zu bekommen sind. Eine neue Lasereinheit (übrigens von Sony) kostet bei Ebay knapp unter 35 € und ein neuer Antriebsriemen für die Schubladenmechanik war für 3,50 € auch noch drin. Der Wechsel der Einheit hat nicht mal zwei Minuten gedauert, allerdings brauchte ich eine Stunde, um erst einmal herauszufinden, wie weit ich das Laufwerk überhaupt zerlegen musste. Aber ich hatte am Ende wider Erwarten doch keine Schraube übrig, und jetzt spielt er wieder wie am ersten Tag - und hält jetzt hoffentlich nochmal 19 Jahre.

Sonntag, 27. Juli 2014

Technobabble: Eine Lanze für die Blu-Ray

Gegen das Blu-Ray-Disc-Format (BD) kann man sicherlich problemlos Einwände finden:
Zum Beispiel hat es leider einen üblen Kopierschutz sowie die völlig unnütze "BD-LIVE" Funktion, die der Player zum Ausspähen des Userverhaltens missbraucht. Das ist nachgewiesen. Das Ziehen des Netzwerksteckers oder das Deaktivieren der Funktion (sofern überhaupt möglich) quittieren manche Spieler mit Streik oder Nag-Screens.

Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand:
Blu-ray hat durch die etwa vierfache Pixelzahl gegenüber der sog. Standard-Definition (SD), wie wir sie von der DVD und vom digitalen Fernsehstandard DVB kennen, auch auf kleineren TVs die deutlich sichtbar bessere Full-HD-Auflösung. Mittlerweile sind auch kleinere TV-Geräte Full-HD-tauglich, das früher verbreitete "HD-Ready" gibt es bestenfalls noch auf dem Gebrauchtmarkt. Wichtig ist allerdings, dass die TV-Geräte unbedingt auf "Just Scan" oder "no Overscan" gestellt werden, denn sonst werden ca. 6% des Videobilds an den Rändern abgeschnitten unter deutlichem Schärfeverlust durch die damit verbundene Skalierung.

Neben der prinzipbedingten geringeren Auflösung leiden DVDs außerdem an der relativ geringen Maximaldatenrate von ca. 9,5 Mb/s, die sich sämtliche Ton- und Untertitelspuren mit der Videospur teilen müssen (auch die, die gerade nicht genutzt werden). Bei üblicherweise drei oder mehr Sprachspuren und noch mehr Untertitelsprachen bleibt in der Regel zuwenig Datenrate für schnell bewegte Videoinhalte übrig, was oft zu sichtbaren Bildartefakten (den typischen "Klötzchen") führt. Das ist bei Blu-ray kein Problem mehr, auch schon, weil effektivere Videocodecs als das betagte MPEG II der DVD verwendet werden dürfen.

Es gibt aber noch weitere Vorteile der BD wie die 3D-Fähigkeit (davon habe ich schon als Kind geträumt, seit es damals die ersten Versuchssendungen in Rot-Grün-3D im Fernsehen gab). Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Fähigkeit, Kinofilme mit 24 Bildern pro Sekunde, also exakt demselben Tempo wie im Kino abzuspielen. Auf europäischen DVDs (PAL-System) laufen alle Kinofilme mit 25 Bildern pro Sekunde, werden also etwa 4% schneller abgespielt. Erst in jüngerer Zeit wird die daraus resultierende hörbare Tonerhöhung um etwa einen Viertelton nach oben (worunter insbesondere Musikfilme gelitten haben) durch entsprechendes Processing kompensiert. Zu schnell laufen die Filme dennoch.

Mittlerweile scheint sich das Format auch auf dem Nischenmarkt Hires-Audio durchzusetzen. Die bislang verfügbaren Formate SACD und DVD-Audio sind nicht zuletzt auch deshalb gescheitert, weil es dafür neue Player brauchte, deren Mehrwert nur darin bestand, diese Formate abspielen zu können. Ein BD-Player kann aber hochauflösendes, unkomprimiertes Audio auch in der preiswertesten Standardversion abspielen - so definieren die neuen Marketing-Initiativen "PureAudio Blu-Ray" und "High Fidelity Pure Audio" keine neuen Formate, sondern sind vollkompatible Varianten des normalen Blu-Ray Standards.Ob dieser Tonträger langfristig die CD ablösen wird, ist jedoch keine Frage, denn die CD ist bereits längst abgelöst und das Ende der BD kommt in einigen Jahren unausweichlich, spätestens wenn in jedem Wohnzimmer ein 4k-Fernseher steht.

Besitzer einer gut durchmischten Sammlung aus BD, BD-3D, DVD-V, DVD-A, SACD und CD, sowie deren gebrannter Derivate müssen nicht verzweifeln, denn derzeit gibt es ausreichend gut funktionierende Kombiplayer für sämtliche Formate (ein Oppo muss es nicht sein, der Pioneer BDP-450 tut es für 260 € auch - aber bitte nicht den Vorgänger BDP-440 nehmen, der ist leider Murks!).

Montag, 21. Juli 2014

JETHRO TULL - A Passion Play (1973/2014)

Die Neuausgabe der klassischen Jethro Tull-Alben schreitet weiter voran. Nun liegt also "A Passion Play" in überarbeiteter Edition vor. Die schmucke Box trägt den Untertitel: "An Extended Performance" - was sich auf die ebenfalls enthaltenen Chateau d'Herouville-Sessions bezieht.

Abb.: Parlophone/Warner Music
Wie gewohnt ist die Abmischung unspektakulär großartig - Steven Wilson geht wie immer sehr behutsam vor und schafft den Spagat, den Altsound nicht allzu stark zu verändern und trotzdem die neuen Möglichkeiten durch das erweiterte Panorama zu nutzen.

Bei mir hat es dazu geführt, dass ich das Album erstmals tatsächlich genießen konnte, denn plötzlich ist durch den Wilson-Mix eine klare Struktur erkennbar. Vorher fand ich einfach keinen Zugang dazu, gar nicht mal, weil es etwa zu sperrig gewesen wäre, sondern weil es hier zuwenig zu geben schien, was im Gedächtnis bleiben konnte. Scheinbar fehlen "A Passion Play" für ein Werk dieser Länge die offensichtlichen Themen, die einen Wiedererkennungseffekt bewirken konnten. So gibt es bei vergleichbaren Konzeptalben ja oft ein Eingangsthema, das sich dann auch am Ende wiederfindet. Solche Elemente sind bei "A Passion Play" tatsächlich schwieriger auffindbar, aber es gibt sie, verborgen unter einem Überangebot an Ideen, die hier dazu führen, dass viele davon einfach so verpuffen, weil sie nur kurz angerissen werden und dann, von der nächsten gejagt, verschwinden und nie wieder kommen. Soviel Kreativität nutzen andere Bands für vier oder fünf Alben. Umso erstaunlicher, wenn man sich die interessante Entstehungsgeschichte des Albums zu Gemüte führt, die im Booklet ausführlich beschrieben wird - wird da doch erst klar, dass es in nur wenigen Tagen komponiert und eingespielt wurde - obwohl bei den vorhergehenden Sessions in Frankreich eigentlich bereits genug Material erarbeitet worden war, hatte man praktisch nochmal bei Null angefangen.

Die Tapes der Chateau d'Herouville-Sessions sind daher auch die eigentliche Überraschung des Gesamtpakets. Erstmals sind sie vollständig und in der korrekten Reihenfolge - endlich enthalten nun auch die Urversion von Skating away on the thin ice of the new day - immer schon mein Tull-Lieblingssong. Lediglich die Nonsense-Geschichte vom Hare who lost his spectacles, die seinerzeit für "A Passion Play" übernommen und überarbeitet wurde, konnte nicht wieder in den Chateau-Urzustand rückversetzt werden. Befreit von den zusätzlichen Flötentönen und der kitschigen Soundanmutung der späten 1980er Jahre, die für die Erstveröffentlichung der meisten Stücke auf diversen Samplern in dieser Zeit hinzugefügt worden waren, sind die Sessions jetzt erstmals wirklich anhörbar - und erstaunlicherweise gar nicht unbedingt schlechter als das eigentliche Album! Wilsons Ziel war, die Sessions so klingen zu lassen wie das reguläre Album - das ist ihm vollauf gelungen und so macht es Spaß, Album und Sessions direkt hintereinander zu hören.

Design und Ausstattung des Pakets sind vorbildlich, ebenso die Auswahl der Fotos und Memorabilia. Die Texte sind ausführlich und interessant - gut, auf die zwei Seiten mit den Tourdaten 1974 hätte ich verzichten können, aber das war es auch schon, was ich hätte kritisieren können. Schön auch, dass es im selben Format wie die Neuausgabe von "Thick as a Brick" kommt, so stehen die beiden Deluxe-Editionen nett beieinander im Regal. Schade nur, dass nicht auch "Aqualung", "Benefit" und "Stand Up" in diesem Format erschienen sind.

Donnerstag, 10. Juli 2014

MIKE OLDFIELD - Remasters/Remixes 2009-2013

Ich muss vorausschicken: Wie bei so vielen anderen Artists oder Bands habe ich auch meine Begeisterung für Mike Oldfield verloren, in dem Augenblick als er kommerziell erfolgreich wurde. 

Etwa 1977/78 hatte ich die "Boxed" gekauft, ein 4LP-Set, bestehend aus den ersten drei Alben "Tubular Bells", "Hergest Ridge" und "Ommadawn", sowie eine LP "Collaborations" mit Single-Tracks und anderen Obskuritäten. Diese drei Alben werden für mich immer eine herausragende Bedeutung haben, weil sie es immer wieder schaffen, mich in diese Zeit zurückzuversetzen und davon abgesehen einfach großartig und völlig außergewöhnlich waren und sind. Vergleichbares zu Oldfield gab es bis Ende der 1970er Jahre nicht.

1979 hatte ich in der Philipshalle in Düsseldorf ein fabelhaftes Konzert seiner allerersten Tour gesehen, leider bestand die Hälfte der übersichtlichen Setlist aus seinem damals aktuellen Album "Incantations", das nach drei Jahren Pause zwar nicht schlecht war, jedoch die fließenden Übergänge seiner Vorläufer vermissen ließ. Stattdessen wurde oft abrupt von einem Part in den anderen gewechselt, was mir nicht so gut gefiel.
Auch die folgenden vier Alben "Platinum", "QE2", "Five Miles Out" und "Crises" hab ich als Fan noch mehr oder weniger begeistert mitgemacht, mir war aber schon klar, dass es den "alten" Oldfield nicht mehr geben würde. Mit Moonlight Shadow war dann Schluss bei mir - ein perfekter Popsong, den ich anfangs toll fand, der dann aber leider ein Superhit wurde und 1983 dermaßen totgedudelt wurde, dass ich ihn nicht mehr ertragen konnte.

Ich hatte danach immer mal gelegentlich reingehört, was dann so kam. "Amarok" schien ganz interessant zu sein, war aber noch stärker (und härter) zusammengestückelt als "Incantations" - dazu fand ich keinen Zugang. Dann kam "Tubular Bells II", das ich nur noch ärgerlich und peinlich finden konnte. Das war nichts anderes als ein Selbstplagiat, kalkuliert und schamlos - hat sich ja auch wie blöd verkauft. Es kam mir immer vor wie ein schlechter Witz, so als hätte er "Tubular Bells" 1 parodieren wollen. Alle Elemente sind deckungsgleich aufgebaut und arrangiert, nur die Melodien weichen leicht voneinander ab. So ähnlich funktionierte auch damals die Beatles-Persiflage "The Rutles" von Eric Idle und Neil Innes.
Gelohnt hat es sich vermutlich, denn nach einer Serie schlecht verkaufender Alben hat er mit "Tubular Bells II" nochmal gut abgesahnt. Ist doch nett, dieselbe Idee nochmal verkaufen zu können nach so langer Zeit. Bei "Tubular Bells III" ein paar Jahre später haben dann wohl auch die beinharten Fans gemerkt, was hier los war und die "Millennium Bell" war dann nur noch peinlich. "Tubular Bells 2003" hat mich dann doch nochmal interessiert, weil hier ja nicht der Versuch gemacht wurde, Innovation vorzugaukeln, aber das Album war für mich ebenfalls eher eine Enttäuschung, weil kaum etwas übrig war vom Charme des Debuts. Über weite Strecken klang es wie eine schlechte Coverversion eines anderen Künstlers. Wenigstens der 5.1-Mix hat halbwegs Spaß gemacht, Mike hat alle Instrumente im Raum herumkreisen lassen, danach saß man schwindelig gespielt an seinem Sweet Spot. Allerdings fand ich das Ergebnis letztendlich auch nicht wirklich überzeugend, denn ohne diese ganzen kleinen Fehler der Originalversion verlor die Musik ihren Reiz, die 2003er Version war technisch einfach zu perfekt.

Oldfield hatte "Tubular Bells" (das Original) unter schon sehr speziellen Umständen aufgenommen. Er hatte damals im "Manor"-Landsitz, in dem sich auch die damals zum Teil noch im Bau befindlichen Studios von Virgin Records befanden, ein Zimmer bezogen und immer an dem Album gearbeitet, wenn sonst niemand im Studio war. Dadurch war es natürlich Stückwerk und wenn man die Berichte und seine (übrigens sehr lesenswerte) Autobiografie liest, ist auch einiges dabei gehörig schief gegangen, aber mich störte das nie; es hat bis heute einen unerreichten Charme und auch eine erstaunliche Spontaneität, die man bei einem Overdub-Kunstwerk dieser Größenordnung ansonsten kaum erwarten kann.

Übrigens war Oldfield vor seiner Solokarriere längere Zeit als Bassist von Kevin Ayers' Band "The Whole World" unterwegs, versteht also durchaus sein Handwerk. Auf "Tubular Bells" spielt er auch ziemlich anspruchsvolle Sachen - etwa beim Finale von Part 1 wird die ganze Zeit die Gitarre mit ihren schnellen 16teln gedoppelt. Ich habe mal versucht, das auf dem Bass nachzuspielen, schaffe das aber gerade mal drei oder vier Takte lang und das hat dann mit Präzision nichts zu tun.

Gekauft hatte ich mir 2007 die SACD von "Tubular Bells" mit dem genialen Quadro-Mix von 1975: 
Hier stimmt einfach alles - dass es nix im Center und Subwoofer gibt, macht nix. Die Instrumente sind sehr gut verteilt und die Aufnahme ist klar und transparent wie nie. Auch der Rundgang durch das Manor-Studio vor Sailor's Hornpipe ist mit drauf und hier machen Vivian Stanshall und die Jecken wirklich einen Rundgang - einmal rum um den Sweet Spot. Teil 2 ist dadurch gut drei Minuten länger als auf den "normalen" CDs. Der CD-Layer enthält die 25th Anniversary-Version. Diese wäre also entbehrlich, wenn das schöne Booklet im Pixibuchformat nicht wäre - das von der SACD kann man getrost vergessen. Statt eines Booklets gibt es hier nur einen Pappschuber mit drei losen Blättern drin. Wenigstens eins davon ist jedoch sehr interessant, enthält es doch einen Bericht von Phil Newell über die merkwürdigen Umstände beim Zustandekommen des Quadro-Mixes.

Die Quadro-Mixes von "Hergest Ridge" und "Ommadawn" waren jedoch nirgendwo in Sicht, auf eine SACD-Ausgabe wartete man vergebens. In der Zwischenzeit war es einigen Soundfreaks jedoch gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, Quadrofonische Aufnahmen, bei denen die vier Quad-Kanäle auf zwei Stereo-kompatible Kanäle per Phasen-Matrix verteilt waren, digital zu extrahieren. Also besorgte ich mir die CD-Erstausgabe von "Boxed", von der bekannt war, dass sie die originalen, unveränderten Quadro-Masters enthielt. Nachdem mein PC mehrere Tage und Nächte lang durchgelaufen war, hatte ich schließlich eine selbst gebrannte quadrophonische DVD-Audio in der Hand, die heute noch zu meinen am häufigsten gespielten Multichannel-Tonträgern gehört.

Nur wenige Jahre später wurde dann Mike Oldfields Wechsel von Warner zu Universal bekannt gegeben. Universal hatte mit seiner "Deluxe Edition"-Serie bereits Maßstäbe gesetzt und als verkündet wurde, dass Oldfields Alben in diesem Format nach und nach neu erscheinen würden, war die Freude groß. 

Die Rezensionen, die ich zwischen 2009 und 2014 anlässlich der jeweiligen Releases geschrieben hatte, sind hier ohne große inhaltliche Änderungen zusammengefasst:


Die Remasters 2009-2013

Abb.: Amazon
Als erstes wurde, natürlich, "Tubular Bells" neu veröffentlicht, zusätzlich zur "normalen" und "Deluxe Edition" auch in einer "Ultimate Edition" Box im Großformat, die außer einem neuen Surround-Mix auch eine Vinyl-LP enthielt. Mich hat natürlich zuerst die DVD mit dem 5.1 Remix interessiert - hier muss ich sagen: spektakulär! Fantastisch ist noch untertrieben. Kein Vergleich zur SACD mit dem Original Quad-Mix. Schade, dass es nur Dolby Digital und kein dts gibt, aber die Klangqualität ist auch so hervorragend. Eine bessere, knalligere Version vom Caveman hatte ich bis dahin noch nie gehört.
Und Mike Oldfield's Single in Surround ist ebenfalls Gänsehaut-produzierend schön.
Leider wars das auch schon auf der Plus-Seite.

Die vielen Minusse:
- DVD kein dts (schon erwähnt), eine nervige Computeranimation der "Bell" als Videospur (Glocke rotiert in immer demselben, etwa 5 sec langen Loop vor einem sich etwa alle 5 min änderndem bewölkten Himmel).
- Tubular Bells part one live at 2nd House (BBC) hatten wir schon auf der Elements-DVD.
- Die Vivian-Stanshall-Version von Sailor's Hornpipe ist einfach hinten dran geklebt und wird ausgeblendet, bevor das eigentliche Sailor's Hornpipe beginnt.
- Der 2009er Stereo Remix von Tubular Bells klingt leider nur gelegentlich besser als der Originalmix und leidet vor allem an der stark eingeschränkten Dynamik. Zuvor leise Passagen sind jetzt erheblich lauter, was auch den Klangvergleich erschwert (ich musste ständig nachregeln).
- Auch das Remaster des Originalmix' kann mit der 25th Anniversary Edition leider nicht mithalten in Sachen Klarheit und Transparenz.
- Die Demo-CD: OK, ganz interessant für Freaks wie mich, aber klanglich eine einzige Katastrophe. Streckenweise fehlt der rechte Kanal bei Tubular Bells (long) und auch ansonsten gibt es jede Menge Dropouts, Verzerrungen und sonstige Störungen. Bis auf Entrauschen hat man sich hier wohl das Restaurieren gespart. Damit reduziert sich der Wert dieser CD auf "historisch". Frage mich allerdings ernsthaft, wie er damals geschafft hatte, mit diesen Demos Richard Branson zu überzeugen.
- Das Vinyl: Vollkommen überflüssig (wie immer in solchen Verpackungen: treibt nur die Produktionskosten in die Höhe).

Fazit: Was soll ich sagen - irgendwie bin ich froh, doch nicht die 67 Euro dafür ausgegeben zu haben, obwohl das Buch darin mit den Screenshots von Mikes Nuendo-Session schon wirklich klasse aussieht. Andererseits sind die beigelegten Memorabilia-Repliken nicht der Rede wert und die Geschichte hinter "Tubular Bells" steht auch in der 25th Anniversary Edition.
Für den Komplettisten fehlt allerdings auch die Quad-Version (die gibts zwar auf SACD, hätte aber noch gut mit auf die DVD gepasst), sowie die Orchestral Version von 1974.


"Hergest Ridge" (3-Disc-Deluxe Version 2010):

Abb.: Amazon
Fantastisch, dass er sich nun entschieden hat, doch einige der Instrumentenspuren zu belassen, die er für die SQ-Quadro-Abmischung 1976 (die bekanntlich Master war für alle späteren Veröffentlichungen) verworfen hatte. So ist der Klangeindruck deutlich näher am Originalmix von 1974, jedoch sind z.B. die Chöre fast genau so deutlich zu hören wie im Quad-Mix. Hat das Beste draus gemacht, der Gute! Sogar an das Cover kann man sich schnell gewöhnen, zumal das Originalcover im Booklet sogar mit Rückseite seitenfüllend abgebildet ist. Der Klangunterschied zwischen den Quad-Mixen und der Neu-Surroundabmischung ist riesig - das war schon bei Tubular Bells letztes Jahr zu hören. Plötzlich klingt alles viel klarer und sauberer definiert, natürlich ist auch die Kanaltrennung besser und die Ortung eindeutiger.

"Hergest Ridge" fand ich früher immer deutlich schwächer als "Tubular Bells" und "Ommadawn"; dem geneigten Hörer erscheint es noch introvertierter als die beiden anderen Alben und besonders auf Seite 2 auch erheblich repetitiver und, ja: langweiliger. - Fakt ist jedoch (und das habe ich erst Jahre später gelernt), dass die "Boxed"-Version, die ich kannte, eine Neuabmischung war, die sich - anders als die beiden anderen Alben, bei denen es in erster Linie darum ging, die vier Quadro-Kanäle zu füllen - durch radikales Weglassen vieler Instrumente, Stimmen und anderer Elemente "auszeichnete", die die Originalversion erst abwechslungsreich und interessant gemacht haben. Oldfield hatte damit wohl auf die seinerzeit häufig geäußerten Kritiken reagiert, "Hergest Ridge" sei nur ein völlig überproduzierter Abklatsch seines Debuts gewesen. Anders als bei seinen anderen Alben hatte er nach dem Erscheinen von "Boxed" verfügt, dass jede spätere Veröffentlichung von "Hergest Ridge" ausschließlich im "Boxed"-Mix erfolgen durfte. Der Original-Stereo-Mix erschien somit erst mit der Deluxe Edition 2010 zum ersten Mal wieder und zum ersten Mal überhaupt auf CD, dafür ist die "Boxed"-Version nun nach 35 Jahren out-of-print.
Ich denke, man sollte daher erst über das Album urteilen, wenn man auch den Originalmix oder die Neuabmischung von 2010 gehört hat. Inzwischen gibt es die folgenden Versionen, die alle ihre Vorzüge und Nachteile haben:

1. 1974 Original Stereo Mix (UK-Vinyl-Erstauflage und 2010 Deluxe Edition, sowie "Back to black"-Vinyl-Edition)
2. 1976 "Boxed"-Version (stripped-down-Quad-Remix, "Boxed" und alle späteren Vinyl- und CD-Versionen, außer 2010 Veröffentlichungen)
3. 2010 New Stereo Remix (2010 Veröffentlichungen; das ist in etwa ein Kompromiss aus "Boxed"- und Originalversion)
4. 1974 Demo Version (2010 Deluxe Edition; das ist natürlich eine ganz andere Aufnahme)
5. 2010 New 5.1 Surround Mix (2010 Deluxe Edition - mein persönlicher Favorit)


"Ommadawn" (3-Disc-Deluxe Version 2010): 

Abb.: Amazon
Interessanterweise ist der Unterschied zwischen der neuen 5.1-Abmischung und dem Quadrophonie-Mix von 1976 nicht so groß wie erwartet. Klar ist natürlich auch diese Neufassung sauberer, transparenter und präsenter, die Aufteilung der Instrumente und ihre Balance ist jedoch sehr ähnlich, es gibt nur wenige Überrraschungen. Dafür kommt der Mix aber auch weniger subtil und geheimnisvoll rüber. Ommadawn habe ich früher bevorzugt leise gehört, allein bei abgedunkeltem Zimmer und Kerzenlicht. Das war magisch - keine andere Platte hatte diese Wahnsinnsausstrahlung gerade bei geringstem Pegel.

Mit dem neuen Surroundmix hatte ich zunächst das Problem, dass ich die Loudness schlecht einschätzen konnte. Die Dynamik entspricht nämlich nicht dem Original. So hatte ich am Anfang auf vermeintlich gewohnten Pegel eingestellt, es wurde jedoch nicht lauter, da, wo es hätte lauter werden müssen - den Effekt kannte ich schon vom "Tubular Bells"-Remix. Ich hätte also von Anfang an lauter stellen müssen.
Die stark eingeschränkte Dynamik ist vielleicht das größte Manko der neuen Mixe. Am stärksten fällt es auf nach dem orgasmischen Ende von Teil 1 - üblicherweise spielen die African Drums von Jabula leise den Rhythmus weiter ("like post-coital heartbeat"), hier scheinen sie plötzlich, da keine anderen Instrumente mehr zu hören sind, deutlich lauter als noch kurz zuvor. Hatte das Original dann eine minutenlange Ausblende, reißt es hier am Schluss geradezu ab. Nicht sehr geschickt gemacht. Dennoch: der überwiegende Klangeindruck ist sehr gut - es strahlt geradezu, Sound und Mix können bis auf die genannten Einschränkungen als gelungen bezeichnet werden.

Mir ist übrigens erstmals aufgefallen, dass die Quad-Version von Part 1 genau eine Minute länger ist. Warum, kann ich nicht sagen.

Der eigentliche Kaufanreiz dieser Deluxe-Edition ist jedoch die "Lost Version" von Ommadawn, mitnichten ein "Demo", wie uns die Tracklist weismachen will, sondern die wegen technischer Probleme mit dem Bandmaterial abgebrochene, fast fertige Urfassung des ersten Teils in Form eines Stereo-Rough Mixes, den man verschollen glaubte, jedoch kürzlich in den Virgin-Archiven ausgraben konnte. Im Booklet ist die Geschichte dazu genau beschrieben. Durch die unzähligen Overdubs und das ständige Spulen wurde das Tape mechanisch zu stark belastet, es traten hoher Abrieb und zunehmende Dropouts auf. Das Band fiel praktisch auseinander. Auch eine Kopie half nur vorübergehend - auch diesem Tape drohte nach kurzer Zeit das selbe Schicksal. Oldfield war also gezwungen, ganz von vorn zu beginnen, was ihn zunächst in Depressionen stürzte. Wenn man sich die Aufnahme anhört, kann man verstehen, warum. Da stecken Monate an Arbeit drin. Viele Bestandteile der späteren Fassung sind enthalten, einige Ideen kamen offenbar erst beim zweiten Versuch, was Oldfield damals schnell half, den Frust zu überwinden. Natürlich ist die Endfassung Klassen besser - klar, er hatte ja Monate mit dem Material geübt. Dennoch ist diese Aufnahme bemerkenswert gut und hochinteressant - nicht nur für Ommadawn-Fans, denke ich.


"Incantations" (3-Disc-Deluxe Version 2011):

Abb.: Amazon
Für mich als überzeugten Surround-Fan ist das Fehlen der 5.1-Version schon ein Manko - aber man wusste man ja vorher, dass die Multitrack-Tapes des Albums nicht mehr aufzutreiben waren. Das auf der DVD vorhandene Ersatz-Surroundmaterial kann nur wenig beeindrucken. Die drei Stücke aus "Incantations" sind OK, klingen nicht spektakulär, es scheint sich hier jedoch um Outtakes bzw. Alternativaufnahmen zu handeln. Besonders auffällig erscheint das bei Hiawatha, hier leiert Maddy Prior deutlich schlimmer als auf dem Album und manchmal singt sie einfach falsch. Piano Improvisations scheinen alles andere als Improvisationen zu sein, sie klingen eher wie eine "Incantations"-Ouvertüre, sehr schön, allerdings für Surround nicht gerade prädestiniert. Guilty in 5.1 ist eine ziemliche Enttäuschung, der Sound ist flach und pappig, extrem trocken und alles fiept und blubbert gleichmäßig aus allen Lautsprechern. Die Sologitarre ist viel zu laut und das Solo deutlich uninspirierter als in der bekannten Version. Aber ich will nicht meckern, nett, dass wir überhaupt etwas in Surround bekommen haben.

Die neue Aufmachung der Universal Deluxe-Editions ist allerdings traurig. Den halb-transparenten "Deluxe"-Balken gibt es jetzt nur noch als Aufklebe-Streifen, der nicht wiederverwendbar ist, sobald man ihn einmal abgelöst hat (was wenigstens problemlos ging). Der Plastikschuber ist gar nicht mehr vorhanden, naja, der hat gern mal geklemmt, aber ich hätte die Tradition dennoch beibehalten - es hat einfach wertig ausgesehen und die Ausgaben hatten bereits ein entsprechendes Image, was jetzt wohl erstmal zerstört sein dürfte.

Die Liner Notes liefern ein bisschen Oldfield-Bio, aber wenig zum eigentichen Album und kein Wort zum Remaster und zu den Bonustracks. Auf Incantations Live und die Promovideos hätte ich gern verzichtet, denn ich habe die "Exposed"- und "Elements"-DVDs bereits. Stattdessen wäre die Surroundfassung des "Exposed"-Albums hier eine feine Dreingabe gewesen, bei der nicht mal eine neue Abmischung hätte erstellt werden müssen, denn das Album ist ja in allen Versionen stets als SQ-Quad-Mischung erschienen.

Die CD der Deluxe Edition hatte einen bedauerlichen Fehler, den Universal durch eine kostenlos zugeschickte Replacement-Disc korrigieren musste - es fehlte ein Teil eines Takts, deshalb klang es wie ein Sprung in einer Schallplatte, nur ohne den Klick.
Was ich zudem feststellen musste (und was ich 1978 schon festgestellt hatte): Das Album ist gar nicht mal so gut. Es klafft doch nicht nur zeitlich eine große Lücke (drei Jahre) zu den drei Vorgänger-Klassikern. Vor allem habe ich jetzt wieder gemerkt, dass sich einzelne Passagen viel zu oft und variationslos wiederholen, dass es manchmal echt nervt. Hiawatha vor allem - das ist eine gefühlte Viertelstunde immer derselbe Gesang von einer Frau, die wie meine Omma singt in Endlosschleife. Die Gitarrensolos erscheinen weitgehend uninspiriert, oft kommt es einem so vor, als habe er echt nicht gewusst, was er dazu improvisieren sollte. Den afrikanischen Drummern von Jabula hat jemand Halsbänder und Ketten angelegt, die klingen, als ob sie sich nicht trauen oder unwohl fühlen. Ich stelle auch fest, dass es dem Vinyl-Album guttat, dass man vier LP-Seiten hatte, die man erstmal umdrehen bzw. wechseln musste. So alles am Stück und knapp hintereinander weg ist schon heftig. Nicht weiter verwunderlich, dass die Live-Version deutlich kürzer und wesentlich stringenter klingt. Und erstaunlich auch, wie gut Guilty dazu passt, diese Single kam ja deutlich später raus als das Album und hatte diesen sehr zeitgemäßen Discosound, der in meiner ursprünglichen Wahrnehmung immer total anders klang.


"Platinum" und "QE2" (2012):

Abb.: Wikipedia
Ich habe jetzt beide neuen Deluxe Editions intensiv gehört - und bin wenig begeistert. Da ich beide Alben nie auf CD gekauft hatte, war ich gespannt auf das Wiederhören nach so vielen Jahren. Leider war ich doch ziemlich enttäuscht, weil die Alben in meiner Erinnerung deutlich besser waren.

"Platinum" mag 1979 noch ziemlich hip gewesen sein mit seinen unterlegten Disco-Rhythmen, heute ist das mitunter nur schwer erträglich und nervt streckenweise einfach. Leider gilt das auch und vor allem für die ansonsten musikalisch durchaus ambitionierte Platinum-Suite, aber auch Into Wonderland und I got rhythm sind eigentlich ziemlich furchtbar arrangiert und leider auch interpretiert.

Die Bonustracks auf CD 1 sind unspektakulär und wären auch verzichtbar gewesen. Blue Peter ist zwar nett, aber passt irgendwie nicht in den Kontext des Albums und dass Sally fehlt, das seinerzeit auf der Vinyl-Erstausgabe noch enthalten, aber schon bald auf Wunsch von Virgin Records entfernt worden war, ist mehr als nur beklagenswert.

Abb.: Wikipedia
"QE2" schneidet etwas besser ab, auch weil die Drums von Phil Collins und Morris Pert auf den ersten drei Titeln beachtenswert gut, jedenfalls besser als die simplen und variationslosen Discorhythmen von "Platinum" sind. Dennoch erscheinen einige Ideen auch hier nicht ganz ausentwickelt und die oft sehr kurzen Stücke wie Fragmente, was vielleicht das Hauptmanko des Albums ist. Daneben sind die beiden Coverversionen auch nicht wirklich gelungen und nerven schon beim ersten Wiederhören.
Bonustracks: Shiva (ein "reworking" von Sheba mit Text gesungen vom Meister selbst) ist einfach eine scheußliche Geschmacklosigkeit. Es klingt, als habe er einfach mit dem iPhone über die vorhandene Aufnahme drübergesungen und das nicht mal ansatzweise gut. Polka, eine bekannte live B-Seite, hätte man vielleicht mal entrauschen und entbrummen sollen, aber gut, man kann nicht alles haben.

Beide Deluxe-Editions kommen mit je einer Live-Bonus-CD, die vom Mix her nicht immer optimal scheinen - fast wie alte Radio Shows, dabei handelt es sich laut Booklet um Neuabmischungen von den Multitracks "under Mike Oldfield's supervision", naja. Sicherlich am jeweils interessantesten sind die älteren Stücke im Programm, daher ist auch die 1981er Show von "QE2" die spannendere, auch weil die Mitgliederzahl der Liveband gegenüber der "Platinum"-Tour noch einmal reduziert wurde. So erfährt Ommadawn hier die erste offizielle Live-Veröffentlichung, die um einiges anders klingt als die Studiofassung. Maggie Reilly scheint allerdings nicht immer zu wissen, was sie tut oder tun soll und das klingt streckenweise ziemlich peinlich.
In jedem Fall ist es ungünstig, CD1 und CD2 direkt hintereinander zu hören, da direkt am Anfang der Live-CDs die soeben gehörten Album-Stücke erneut zu hören sind, noch dazu in recht wenig variierten Versionen.


"Five Miles Out" (3-Disc-Deluxe Version 2013):

Abb.: Wikipedia
Die Deluxe Edition mit dem neuen 5.1-Mix wurde schon vor längerer Zeit geliefert, hatte aber bis zum Wochenende noch nicht Gehör gefunden. Jetzt also endlich - und leider konnte ich mich anschließend wieder erinnern, warum mir dieses Album nie wirklich zusagen konnte. Taurus II ist ein Oldfield-Longtrack, wie er nicht sein soll - ohne Gefühl und Gespür für Dynamik eingespielt. Drums und Rhythmusgitarren wie von Holzfällern eingespielt - sinnlos eingestreute Pipes und andere Folk-Elemente. Keine Steigerung, kein Sinn fürs Ganze. Schade. Der neue Surround-Mix kann nicht ganz überzeugen, vieles geht einfach unter, andere Sachen stechen überprominent heraus. Noch schlimmer der Rest: Family Man ist nervig, Orabidoo verschenkt seine Möglichkeiten - herausragend ist nur das spartanisch instrumentierte Ende, das ich völlig vergessen hatte. Hier zeigen Oldfield und Reilly, wie man nur mit einer Akustikgitarre und tollem Gesang ein Glanzlicht setzen kann. Der Titelsong kommt auf der DVD gleich dreimal hintereinander und ist ein Musterbeispiel dafür, wie Oldfield sich damals verzettelt hat - hier passt einfach nichts zusammen.


"Crises" (5.1-Mix 2013):
Abb.: WOM
Habe jetzt die DVD aus der Deluxe-Edition mit dem Surroundmix gehört und bin hin- und hergerissen. Das Titelstück ist ihm eigentlich gut gelungen, aber die zweite Seite hat es in sich. Moonlight Shadow ist völlig daneben, er hat den Mix komplett umgekrempelt, ähnlich wie er das auch schon mit Guilty gemacht hat, nur noch schlimmer. Den Anfang lasse ich noch gelten, da hat er die 12"-Version verwendet, aber dann wird es nur furchtbar. Höhepunkt sind seine nervigen (und schlecht gesungenen) Backingvocals, die im alten Mix gar nicht auffielen und die er jetzt viel zu laut nach vorn gemischt hat. Sicherlich gibt es viele Argumente gegen das Fade-Out des Originals, aber den Song einfach abrupt abreißen zu lassen, ersetzt auch kein auskomponiertes Ende. Das klingt so, als sei er noch gar nicht fertig mit dem Mixen gewesen.
Die anderen Songs klingen ebenfalls seltsam bis merkwürdig, aber ich habe "Crises" in den letzten Jahrzehnten nicht mehr gehört (besitze die CD bis heute nicht), daher kann ich kaum feststellen, was alles noch verändert wurde.
Ich denke, er sollte die Surroundmixes gelegentlich doch anderen Leuten überlassen, die etwas davon verstehen...


Gesamtfazit: 
"Incantations" war schon das erste von Oldfields weniger gelungenen Alben, aber immer noch über weite Strecken anhörbarer als alles, was danach kam. Es stimmt, er hat es in den 1980er Jahren ein paarmal geschafft, perfekte Popsongs zu komponieren und zu produzieren. Mistake oder Moonlight Shadow sind gelungene Beispiele. Leider hatte ich immer den Eindruck, als sei ihm danach einfach nichts mehr eingefallen. Schon die Single Crime of Passion war nur ein schamloses und, wie ich finde, recht peinliches Selbstplagiat von Moonlight Shadow.

Ich denke, dass ihm letztlich die komplexeren Kompositionen mehr am Herzen gelegen haben und er da auch ein unbestreitbares Talent hatte. "Tubular Bells" war ja nur der Anfang; "Hergest Ridge" und "Ommadawn" sind mindestens gleichwertige Meisterwerke (mein ewiger Favorit bleibt "Ommadawn"), die trotz einiger Perlen auf späteren Alben künstlerisch meterhoch über allem stehen, was danach kam.

Möglicherweise war das einschneidende Erlebnis, das ihm bei einem Selbsterfahrungs-Seminar 1978 widerfahren war, auch der Grund, warum seine Kreativität danach neue Wege einschlug. Ein überdosierter LSD-Trip in den frühen 1970ern hatte ihn zu einem introvertierten, fast autistischen Einzelgänger gemacht, der, von Angstneurosen und Panikattacken geplagt, keine Bühne betreten konnte, dazu war er schwerst alkoholabhängig. Möglicherweise war die Musik in diesen Jahren seine einzige Möglichkeit, seine Probleme halbwegs zu kompensieren, daher verwundert es nicht, dass sich sein Stil deutlich veränderte, nachdem er diese Probleme los war. Es liegt wohl auf der Hand, dass man nur introvertierte Musik machen kann, wenn man selbst introvertiert ist. Oldfield fing 1979 aber sofort an, sich mit Gastmusikern und später mit mehr oder weniger festen Bands zu umgeben, da war es klar, dass es nicht so weiter gehen konnte.

Dennoch: Wenn man ihn nicht gezwungen hätte, kommerzieller zu werden (es gab ziemlich Druck von Richard Branson seinerzeit, auch und vor allem wegen seiner anfänglichen Weigerung, auf Tour zu gehen), wäre die Substanz seiner Alben nach "Incantations" sicher deutlich besser geworden, das zeigt nicht zuletzt auch das "Amarok"-Album - wohl das beste seiner "Spätwerke", wenngleich auch immer noch kein gutes, da es ziemlich überfrachtetes Stückwerk ohne nachvollziehbare Über- oder Zusammenhänge bot. Aber es entstand immerhin ohne jeden Einfluss von Virgin Records; da er sich damals mit seiner Plattenfirma wegen der für ihn ungünstigen Vertragslage seiner frühen Alben überworfen hatte, wollte er nur noch raus aus seinem laufenden Deal - daher war "Amarok" bewusst so unkommerziell wie möglich gehalten - und zeigt so deutlich, welch kreatives Potential Oldfield auch Ende der 1980er noch hatte.

Donnerstag, 26. Juni 2014

Background: Zwei Cents für Michael Jackson

Natürlich bin ich als Rock-Fan überhaupt kein Fan von ihm und konnte auch den Hype noch nie verstehen. Sicher hat er sich von Quincy Jones ein paar nette Pop-Soul-Schlager produzieren lassen und sicherlich war die Choreographie seiner Videos und Live-Shows hervorragend und meinetwegen auch innovativ. Immerhin, das ständige Sich-in-den-Schritt-fassen und den "Moonwalk" hat er oder sein Choreograph erfunden (wobei ich nie kapiert habe, was letzterer mit der Fortbewegung auf unserem Erdtrabanten zu tun hatte). Jedoch sind mir diese Las-Vegas-mäßigen, zutiefst amerikanischen Präsentationsformen von Popularmusik immer schon ein Gräuel gewesen und haben mich überwiegend nur den Kopf schütteln lassen - nicht im Rhythmus versteht sich.

Was ich aber noch viel weniger verstehe, ist das Zeugs über sein Privatleben, über das sich die Boulevardmedien so genüßlich ausgebreitet haben, dass jetzt jeder meint, er wüßte, wie es bei Michael zuhause, in der Familie, und auf der Neverland-Ranch so abgegangen ist. Dabei werden immer nur dieselben endlos ausgewalzten Klischees vom prügelnden Vater, dem Affen, dem Baby über dem Geländer, den Nasen-OPs und den Beruhigungsmitteln ausgebreitet, immer begleitet von der üblichen, hoffnungslos naiven Küchenpsychologie.
Die so gewonnenen "Erkenntnisse" werden dann unreflektiert zu Fakten erklärt und ebenso verbreitet, dabei sollte jeder halbwegs aufgeklärte Mensch mit einem Minimum an Medienkompetenz wissen, dass ein Großteil der dort publizierten "Informationen" reine Fiktion sind. Das ist die eigentliche Tragik des Michael Jackson.

Mittwoch, 25. Juni 2014

STEVE HARLEY & COCKNEY REBEL - The Best Years of our Lives (1975/2014)


Dieses Album wird zwar erst im nächsten Jahr 40, die 4-Disc-Deluxe-Edition gibt es jedoch jetzt schon:
Best Years of Our Lives (Definitive Edition),the: Amazon.de: Musik


Abb.: Parlophone/Warner Music
Viele halten es für das beste Steve Harley-Album, ich finde die beiden unter "Cockney Rebel" (ohne Harleys Namen) laufenden Vorläufer-Alben "The Human Menagerie" und "The Psychomodo" mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar noch einen Tick besser. Allerdings enthält "The Best Years Of Our Lives" immerhin seinen einzigen Nummer-1-Hit Make me smile (come up and see me), sowie mit Mr Raffles eine weitere erfolgreiche Single.

Harley hatte mich damals schon wegen seiner Skurrilität und seines etwas absurden Humors fasziniert. Wenn ich auch als 13jähriger nicht verstand, worum es in Mr Soft (vom "Psychomodo"-Album) ging, war es klar, dass das ein großer Spaß war. Make me smile halte ich auch heute noch für einen perfekten Popsong. "Best Years" enthält aber noch weitere Perlen, wie etwa das leicht wahnsinnige Mad man moonlight oder das etwas quälend-klagende It wasn't me. Hier gibt es einfach keinen Ausfall - das Album ist von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend und wenn man es zum ersten Mal hört, weiß man nie was als nächstes kommt. Dabei bliebt es jederzeit eingängig und anhörbar, Harley zügelt hier seine Gesangseskapaden etwas, was dem Sound auch guttut (für den übrigens kein geringerer als Alan Parsons verantwortlich war). Klanglich erscheint diese Neuausgabe gegenüber der EMI-CD-Erstveröffentlichung von 1994 deutlich verbessert.

Abb.: Parlophone/Warner Music
Die Deluxe-Edition beinhaltet neben dem remasterten Originalalbum auch das komplette Konzert aus dem Hammersmith Odeon von 1975 auf 2 CDs plus 1 DVD - letztere enthält nur Ausschnitte des Konzerts - bei YouTube gibt es mehr davon, womöglich auch auf einigen Bootlegs. Sowas ist immer schade, denn ein offizielles Release sollte solch obskure Quellen eigentlich obsolet machen. Grundsätzlich weiß ich jedoch nicht, ob ich das Konzert überhaupt in dieser Breite benötigt hätte, denn "Face to face" (von 1977) ist als Livealbum unerreicht und das Hammersmith-Konzert, von dem bisher nur Sebastian und Mad man moonlight auf Single-B-Seiten veröffentlicht waren, erscheint über weite Strecken doch etwas schludrig performt gewesen zu sein.

Das Neuerscheinen dieses Albums hat bei mir ein kleines Steve Harley-Revival ausgelöst - höre derzeit fast nichts anderes und habe jetzt auch noch einige Alben-Lücken in meiner Sammlung gesichtet - und gleich geschlossen.


Wer sich stattdessen lieber die beiden ersten Cockney Rebel - Alben anhören möchte, dem sei diese Box empfohlen:

Cavaliers-An Anthology 1973-1974
Cavaliers-An Anthology 1973-1974: Amazon.de: Musik

Abb.: Parlophone/Warner Music
Diese hübsche 4CD-Box beinhaltet die Alben "The Human Menagerie" und "The Psychomodo" inklusive erstmals aller zugehörigen 7"-Releases (B-Seiten etc.) plus eine exklusive CD mit absolut hörenswerten Frühversionen des Debuts (technisch hochwertige Demoaufnahmen) plus ein paar Outtakes des zweiten Albums. CD 4 enthält drei BBC-Sessions von 1974, von denen einige ebenfalls unveröffentlicht waren. Das alles mit informativem Booklet und zu einem Preis von unter 20 Euro.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es jedoch: in den EMI-CD-Ausgaben von 1992 klingen beide Alben einen kleinen Tick besser, weil offenbar sauberer überspielt und mit mehr Headroom gemastert.

Samstag, 21. Juni 2014

GENESIS - Inside and Out (Song, 1977)

Dieser relativ unbekannte Genesis-Song (Erstveröffentlichung 1977 auf der 7"-EP "Spot the Pigeon") steht bekannteren Klassikern wie Cinema Show oder One for the Vine in nichts nach. Einem ruhigen, akustisch gehaltenen Anfang folgt ein schöner Refrain mit mehrstimmigem Gesang und perfekten Drum-Rolls bei der Wiederholung, untermalt mit einer großartigen Basslinie. Das Arrangement steigert sich stetig, um dann zur Hälfte der Laufzeit in ein furioses Uptempo-Instrumental zu münden, in dem buchstäblich alle Register gezogen werden. Es gibt tolle Solos von Keyboard und Leadgitarre, garniert mit einfallsreichen Arpeggios und tiefen Bass-Drones. Was will man mehr? - Wenn wir damals gewusst hätten, dass wir so etwas schon beim nächsten Genesis-Album schmerzhaft vermissen würden...

Dass Inside and Out nicht auf dem W&W-Album gelandet ist, hatte sicherlich keine qualitativen Gründe - auch bandintern galt der Song mindestens als gleichwertig gegenüber den Albumtracks, ansonsten hätte er sicher nicht All in a mouses's night von der Setlist der Wind & Wuthering-Tour 1977 verdrängen können. Ich vermute, ausschlaggebend war neben der Länge des Songs letztlich die Ähnlichkeit des ersten Teils mit Your own special way. Beide Songs gingen nicht, also hatte man sich einfach für den kürzeren entschieden.


Quelle: Wikipedia
Dass dieser Song im Übrigen keine beliebige Single-B-Seite war - auch nicht in der Wertschätzung der Band - kann man daran erkennen, dass er eben nicht auf einer Single-B-Seite landete, sondern auf einer exklusiven EP! Die beiden anderen enthaltenen Songs Match of the day wie auch Pigeons kamen sicherlich nicht für das Album infrage; beide waren schon eher Outtakes im eigentlichen Sinn. Jedoch wurde für Match of the day immerhin sogar ein Video gedreht und einen Top-of-the-pops-Auftritt bei der BBC hatten sie auch damit. Erst ein paar Jahrzehnte später fingen sie an, sich offenbar für den Text zu schämen, weshalb der Song - sehr zum Ärger der Fans - nicht im zweiten "Archive"-Box-Set enthalten war. Auch Pigeons war ein durchaus interessanter Song; ein kleines musikalisches Experiment, bei dem sie sich die besondere Mühe gegeben hatten, einen Ton die ganze Laufzeit über stehen zu lassen und darunter alle möglichen Akkorde, die diesen Ton beinhalteten, zu variieren. Der Text war eher ein Leichtgewicht - es ging um Taubenscheiße auf dem Dach des Außenministeriums -  wurde aber immerhin für den Titel der EP genutzt: "Spot the Pigeon" - übrigens ein Wortspiel mit "Spot the ball" - einem damals in UK sehr beliebten Zeitungsrätsel, bei dem der Ball aus einem Foto mit einer Fußballszene herausretuschiert wurde und der Leser seine Position dann anhand der Bewegungen oder Blickrichtungen der abgebildeten Personen erraten musste.

Dazu muss man wissen, dass sich EPs (Abk. für "Extended Play") seit den 1950er Jahren besonders in UK zu einem eigenen Kunstformat entwickelt hatten. Es handelte sich um eine äußerlich normale 7"-Schallplatte, wie sie für Singles verwendet wurde, jedoch mit mehr als nur zwei Stücken, die ähnlich wie bei einer Langspielplatte mit einem vergrößerten Rillenabstand sichtbar auseinander gehalten wurden. Um die gegenüber einer normalen Single verlängerte Spieldauer zu ermöglichen, wurden EPs mit geringerer Rillenauslenkung (= Lautstärke) oder mit 33,3 statt 45 U/min geschnitten. In der Regel hatten EPs einen eigenen Titel, der wie ein Albumtitel oft nicht identisch mit dem Titel eines der vorhandenen Songs war. EPs hatten zudem im sofort erkennbaren Unterschied zu normalen Singles immer auch ein Picture Cover - normale 7"-Singles hatten in den UK bis weit in die 1970er Jahre hinein nur eine neutrale Hülle mit dem Logo der Plattenfirma und einem Kreisausschnitt für das Label!

Anfangs stellten EPs meist Kompilationen aus früher erschienenen Singles dar oder beinhalteten Songs einer parallel erscheinenden LP. Die Beatles brachten jedoch mit "Long Tall Sally" 1964 erstmals eine EP mit vier (für den UK-Markt) neuen Songs heraus und es waren auch die Fab Four, die das Format mit der 1967 erschienenen Doppel-E.P. "Magical Mystery Tour" mit sechs neuen Songs, Foldout-Cover und eingeheftetem Fotobuch zum Höhepunkt führten. Daher war eine EP -zumindest in UK- immer etwas Besonderes.

Nebenbei bemerkt war "Spot the Pigeon" keinesfalls die erste Genesis-EP, denn bereits 1972 gab es eine "Nursery Cryme"-EP mit drei Tracks (wenn auch nur als Promo) und eine weitere EP mit vier Tracks vom "The Lamb lies down on Broadway"-Album erschien 1975 in Brasilien.

Samstag, 7. Juni 2014

SUSANNA HOFFS - Susanna Hoffs (1996)

Abb.: Wikipedia
Suzies zweites Soloalbum, nach dem missglückten Erstling, mit dem Kapital aus dem Bangles-Hit Eternal Flame geschlagen werden sollte, wofür sie die künstlerische Kontrolle jedoch aus der Hand geben musste. Das Album "When you're a boy" verkaufte sich nur mäßig, weshalb Columbia sie fallen ließ. So dauerte es fünf lange Jahre bis zum zweiten Album, bei dem sie jedoch alles richtig machte. An fast jedem Song hat sie einen Songwriting-Credit und der Sound ist weit entfernt von glattgebügeltem Mainstream. Mit illustren Gastmusikern, darunter Jim Keltner, Bill Bottrell, Kevin Gilbert und Mick Fleetwood lässt sie es zeitweise ordentlich scheppern und krachen, geradliniger Rock mit Folk-Elementen. Es gibt keinen einzigen Ausfall, die Single-Auskopplung All I want ist besser als das Original von The Lightning Seeds, und die Eigenkompositionen Beekeeper's Blues und vor allem Enormous Wings bestechen durch starke Harmonien und interessante Arrangements. Leider kam das Album dann doch ein paar Jahre zu spät und verkaufte sich nicht. Schade, aber mit mehr Erfolg hätte es die Bangles-Reunion drei Jahre später vielleicht nicht gegeben...

Mittwoch, 14. Mai 2014

COLDPLAY - Ghost Stories (2014)

Abb.: Wikipedia
Habe das neue Album gestern abend auf dem Nachhauseweg gehört und war entsetzt!

Muss vorausschicken - Coldplay habe ich anfangs eher gehasst (besonders Clocks), erst mit "X&Y" wurden sie für mich interessant. "Viva la Vida/Prospekt's March" fand ich sogar beeindruckend gut, vor allem weil Brian Eno hier maßgeblichen Einfluss hatte. "Mylo Xyloto" war nicht ganz so toll, hatte aber immer noch ein paar klasse Songs.

Aber jetzt "Ghost Stories", das neue Album? - Sorry aber das geht gar nicht. Ich war mehrere Male auf der Skip-Taste und hab es mir nur verkniffen, weil ich mir gesagt habe, da musst du einmal durch. Die ersten drei Songs gehen noch - der Opener Always in my head ist akzeptable Coldplay-Konfektionsware, tut aber nicht weh. Magic, die erste Single, geht auch noch, aber schon bei Ink wird es schnell zum Gähnen, obwohl der Song mit 3:48 gar nicht mal so lang ist. Dann jedoch folgt True Love, ein Song, der nicht nur nicht aus den Puschen kommt, sondern auch noch extrem unter Chris Martins leider schiefem Falsettgesang leidet. Aber es wird noch schlimmer: Midnight ist ein reines Ambience-Stück, das mit seinen merkwürdigen Vocoder-Effekten schon nach anderthalb Minuten auf den Keks geht. Leider sind es fünf nahezu unerträgliche Minuten, die es zu überstehen gilt. Another Arms ist eine Minute kürzer, aber nicht viel kurzweiliger. Jetzt wird es langsam wirklich anstrengend. Oceans ist der obligatorische Chris-Martin-Akustik-Song, der leider ebenfalls unter schiefem Gesang in höchstem Register leidet. Schon nach der ersten Minute zuckt der Finger auf der Skip-Taste. Aber mit A Sky full of Stars kommt danach leider die wohl schrecklichste Coldplay-Single aller Zeiten - das ist miesester Euro-Techno-Trash, nicht zum Aushalten. Danach kommt dann das fast achtminütige Schlussstück mit dem sinnigen Titel O. Getragen von einem, sagen wir: preiswerten Klaviermotiv plätschert es dahin, bis dann bei 3:45 min der beste Teil des ganzen Albums folgt: fast zweieinhalb Minuten vergnügliche Stille. Das Gefühl der Erleichterung stellt sich sogleich ein. Dass es am Schluss nochmal eine Minute Synthie-Pads-Geschwurbel mit dem üblichen Chris-Martin-Gepiepse gibt - geschenkt.

Fazit: dieses Album wird keine zweite Chance von mir bekommen!

Montag, 12. Mai 2014

20 Songs für die Insel...

...wären mir für einen längeren Aufenthalt vermutlich zu wenig. Aber wenn es nur 20 sein sollen, dann vielleicht diese hier:

BEATLES: Strawberry Fields forever
BIFFY CLYRO: Many of Horror
BLACKFIELD: My Gift of Silence
BUTTERFLY BOUCHER: Another White Dash
BRUCE COCKBURN: Lovers in a Dangerous Time


THE CURE: Primary
ELBOW: One Day Like This
FLEETWOOD MAC: Go Your Own Way
PETER GABRIEL: Solsbury Hill
GENESIS: The Cinema Show

DON HENLEY: The Boys of Summer
JETHRO TULL: Skating away (on the thin ice of the new day)
MATCHBOX TWENTY: Unwell
THE MISSION: Severina
THE MOVE: Fire Brigade

STRAWBS: I only want my love to grow in you
RICHARD THOMPSON: I can't wake up to save my life
TRAIN: Drops of Jupiter
ULTRAVOX: I Can't Stay Long
WIRE: Outdoor Miner

Alle Songtitel sind Links zu (hoffentlich) nicht geblockten Videos.
Mein Kriterium war allein der Song - habe nicht auf Quotierung oder auf Interpreten geachtet, sondern nur darauf, dass Song und Arrangement möglichst großartig sind. Die Liste umspannt ein halbes Jahrhundert und ist selbstverständlich ohne jeden Anspruch auf Definitivität..

Background: Gedanken zum ESC 2014

Ist es wirklich so schwierig, in der Kunst originell/originär zu sein? - ich glaube nicht, denn wenn es nicht originell ist, ist es nicht Kunst, sondern Kitsch (siehe auch Stichwort "Originalitätszwang"). Das ist das ganze Dilemma des Eurovision Song Contests, denn da ist so gut wie nichts originell und damit wirklich sehenswert. - Wobei: auch Kitsch hat natürlich seine Daseinsberechtigung, solange es Leuten gefällt. Die Frage ist nur, ob man sowas europaweit und mit diesem ungeheuren Aufwand präsentieren und feiern muss.

Hauptproblem bei den meisten ESC-Beiträgen ist ja gerade, dass es sich um Konsens-Stücke handelt, denen man jeden Wagemut und Exzentrik früh ausgetrieben hat, damit sie das nivellierende Plebiszit in Form von Vorauswahlen, Semifinals und Finale überstehen. Daher ist das trübe Mucke von der Schlager- oder Disco-Stange. Gewagt wird da bestenfalls noch mit der Performance/Präsentation, aber auch da habe ich auch in diesem Jahr nichts gesehen, was über vordergründig-platte Effekthascherei hinausgeht. Damen mit Vollbart (mit oder ohne Unterleib) gab es schon vor 120 Jahren auf den Rummelplätzen dieser Welt und "Sex sells" ist auch nicht wirklich eine neue Erkenntnis. Trotzdem gibt es immer wieder unmotivierte Dekogestalten wie damals Dita von Teese oder jetzt hier die polnischen Wasch-Schlampen mit ihren prachtvollen Dekolletés. Das finde ich in erster Linie peinlich. Das größte Fremdschämpotential hatte definitiv der Auftritt der Franzosen. Keine Ahnung, wie die es geschafft haben, dafür Freigang aus der Geschlossenen zu bekommen.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass die Abfrage der nationalen Votings deutlich interessanter ist als die eigentlichen Darbietungen. Ich habe mir schon lange angewöhnt, erst dann einzuschalten, wenn das Ranking-Quizspielchen losgeht. Vorher kann man sich gefühlte 20 Mal den Schnelldurchgang anschauen; das allein ist zwar schon genug schwere Kost, aber ganz ohne Musik kann man sich ja auch keine Vorstellung des Elends machen.

Früher gab es beim ESC zwar nicht weniger schlechte Musik, aber die teilnehmenden Nationen waren in gewisser Weise stolz darauf, sich mit einem Minimum an landestypischen Eigenheiten und Traditionen zu präsentieren. Da gab es wenigstens etwas Abwechslung. Heute erklingt quer durch Europa der gleiche, langweilige Disco-Shit und sogar die Russen singen auf Englisch. Da verwundert es auch nicht, wenn die überwältigende Mehrheit der beteiligten "Musiker" anschließend komplett in der kollektiven Vergessenheit verschwindet.

Ich hatte 2011 die Gelegenheit, im Pressezentrum des ESC in Düsseldorf zu arbeiten, was durchaus Spaß gemacht hat, denn die Stimmung vor Ort war klasse und alle hatten extrem gute Laune. Dabei ist mir klargeworden, dass der ESC in erster Linie ein Mega-Party-Event ist - um Musik geht es dabei nicht.

Wahrscheinlich gehöre ich aber nur nicht zur ESC-Zielgruppe, ist schon klar...  ;)