Dienstag, 28. Dezember 2010

Background: ABBA, "Mamma Mia" und Musicals an sich...

ABBA - seufz... muss ich mich damit beschäftigen?
Das war eine reine Schlagerkapelle, die ihre große Zeit zum Glück schon lange hinter sich hat. Dass sie so erfolgreich waren, lag vor allem an der guten PR-Arbeit damals. Vom gewonnenen ESC angefangen bis zu den Minikleidchen mit Katzenmotiven. Dass ein Song wie der andere klingt (und das nicht mal besonders gut) und die Tanten zwar hot waren, aber einen deutlichen Akzent hatten, ist schon damals vielen aufgefallen, die sich bei angestrengten Vergleichen wie "die legitimen Beatles-Nachfolger" stets geschüttelt hatten. Zum Glück ging der ABBA-Stern in den 80ern dann schnell unter, so dass sie Damen und Herren sich anschließend aufs Dosenfisch-Verkaufen konzentrieren konnten*.

Dass WDR 4, immerhin einmal Deutschlands größter Schlagersender, schon lange einen Jingle hat, der im Wesentlichen aus I do I do etc. besteht, ist kein Zufall - ABBA war nie mehr als Schlager. Diesen Job haben sie immerhin ganz gut gemacht, sicher besser als die, die sonst auf WDR 4 im Tagesprogramm laufen, aber deshalb ist ihre Musik noch lange nicht konsumierbar.

Vor ein paar Tagen lief im Fernsehen "Mamma Mia" (der Musical-Film mit Meryl Streep und Pierce Brosnan), war in der TV Spielfilm als "Tipp des Tages" angekündigt und mit mehreren Humor-Sternchen versehen, so dass die Familie zunächst nicht abgeneigt war. Nach etwa einer Viertelstunde mussten wir kollektiv erkennen, dass die Musik schrecklich nervt, die Hauptdarsteller allesamt unsympathisch sind, die "Story" dürftig und Humor an keiner Stelle zu erkennen ist. Wir haben dann zuerst während der Songs stummgeschaltet, aber dann nach etwa einer halben Stunde doch lieber woanders hin gezappt. Unerträglich!

Es gibt, man soll's nicht glauben, tatsächlich Leute, die um Musicals grundsätzlich einen großen Bogen machen. Schon, weil die Musik der meisten Stücke grottenschlecht, superseicht und superkitschig ist, da auf maximale Massentauglichkeit getrimmt (Ausnahmen wie die Rock-Musicals aus den frühen 1970ern bestätigen die Regel).

Aber auch weil die Idee an sich absurd ist, dass Dialoge gesungen werden und dabei schön choreografiert herumgetanzt wird. Da so etwas in der Realität nicht funktionieren kann, wird beim Zuschauer vorausgesetzt, dass er dieses Logik-Problem einfach ignoriert. Das klappt schon seit dem frühen 17. Jahrhundert, damals nannte man das "Oper", später "Operette". Man kann versuchen, sich darauf einzulassen (die heutzutage meist großartige Bühnentechnik hilft dabei sicherlich), oder es nach wie vor absurd finden und es einfach kopfschüttelnd lassen. - Ich habe in London vor ein paar Jahren das "Lord of the Rings"-Musical gesehen, das war schon faszinierend, welche Anstrengungen da gemacht wurden, um ein Reiseabenteuer, das die Vorlage ja nun mal ist, auf immer derselben, rundherum von Wänden und einem Zuschauerraum begrenzten Bühne abzubilden. Leider war das auch das einzig Faszinierende. Dass die 1600 Seiten lange Story nicht in zweieinhalb Stunden unterzubringen ist, sollte jedem klar sein, der Peter Jacksons über viermal so lange Verfilmung gesehen hat (und Jackson hat nicht mal Zeit vergeudet mit andauerndem Liedchenabsingen).

Was mich stört, ist, dass in den Köpfen der meisten unkritischen Konsumenten sich offenbar längst festgesetzt hat, dass die Geldmaschine "Musical" eine ganz besonders ehrenwerte Kunstform und Kulturleistung sei, die ihre "Schöpfer", die Ausübenden und die verwendete Musik, unabhängig von ihrer eigentlichen Qualität, grundsätzlich adelt. Kein Musicalfan stört sich offenbar daran, dass nahezu alle Musicals letztlich Zweitverwertungen sind, denen es an originären Ideen mangelt. - Ich warte ja nur auf das große "The Lamb lies down on Broadway"-Musical, uraufgeführt natürlich ebenda, mit Bill Kaulitz als Rael... brrrr...

* kleiner Scherz am Rande - es ist jedoch vielleicht nicht jedem bekannt, dass die Firma "Abba Seafood" wesentlich älter ist als das gleichnamige Hupfdohlenquartett, deshalb erwähne ich es hier.