Samstag, 22. Dezember 2012

CHARLIE - Fantasy Girls (1976) - No Second Chance (1977) - Lines (1978)

Habe lange nach den ersten drei Alben von Charlie gesucht, die es zwar schon seit einiger Zeit auf CD gibt, jedoch nur schwer bezahlbar zu bekommen sind. Daher jetzt bei jpc zugeschlagen (japanische Mini-LP-CDs), auch nicht ganz billig (33,99 €/Stück), sehen aber gut aus:



Das Debutalbum "Fantasy Girls" (1976) war noch etwas unausgewogen, hatte jedoch mit Please Let Me Know und Summer Romances zwei großartige Songs, die seinerzeit auch bei Winfried Trenkler im WDR 2 - Radio liefen. Das zweite Album "No Second Chance" (1977), das ich auch als US-LP mit einem Pinup-Girl-Cover und anderer Track-Reihenfolge habe, war schon der Höhepunkt ihres Schaffens. Johnny Hold Back ist hier der herausragende Song, der Rest ist aber keinesfalls schlecht. Das dritte Album "Lines" (1978) mit den Anspieltipps She loves to be in love und Out of control ist deutlich kommerzieller (erste Notierung in den Billboard Top 100), aber auch etwas glatter und nicht mehr ganz so aufregend.

Musikalisch handelt es sich hier um soliden Mainstream-Rock britischer Prägung, der jedoch nichts mit Glamrock oder Pubrock zu tun hatte, sondern immer mit einem Auge nach Amerika schielte, wo sie dann schließlich auch einige mittlere Hits hatten. Mir hat diese Mischung aus beiden Welten immer ganz gut gefallen, trotz des etwas gewöhnungsbedürftigen Gesangs des Songwriters und Leadgitarristen Terry Thomas. Klingt heute überraschenderweise wenig gealtert und macht wieder Spaß.

Ab dem zweiten Album war übrigens ein gewisser Julian Colbeck als Keyboarder und später auch als Co-Produzent dabei, der ja in den 1980er Jahren u.a. auch mit Steve Hackett zusammenarbeitete.

Samstag, 29. September 2012

Technobabble: Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) I

Ich bin (natürlich) mit Vinyl großgeworden. Schon im zarten Alter von drei Jahren war ich als Discjockey in der Famile berühmt. Obwohl ich da noch nicht lesen konnte, konnte ich A- und B-Seite von Rocco Granatas Single "Marina"/"Manuela" mühelos auseinanderhalten (hat meine Mutter immer stolz erzählt - sie hat nie herausgefunden, wie ich das gemacht habe und ich selbst weiß es leider nicht mehr). Den kleinen Braun-Plattenspieler meiner Eltern konnte ich jedenfalls im Schlaf bedienen. Meine erste eigene Single habe ich mit fünf bekommen. Als sich ein paar Jahre später auf dem Plattenteller erstmals "Hey Jude" drehte, weiß ich noch, dass ich staunte, weil der Song einfach nicht enden wollte. Mit 16 kaufte ich mir die erste, nagelneue Hifi-Anlage, da hatte ich schon über 500 LPs und unzählige Singles.

Aber: die Unzulänglichkeiten der analogen Medien haben mich schon gestört, bevor ich mit Digitaltechnik auch nur ansatzweise in Berührung gekommen war. Ich fand es erstaunlich, dass Platten rauschten und knacksten und dies auch noch umso mehr, je häufiger man sie abspielte. Da konnte man sie noch so vorsichtig am Rand anfassen - selbst ungespielte Platten schienen in der Hülle, vermeintlich sicher verpackt, mit den Jahren zu verderben. Manchmal war es zum Verzweifeln. Da man mit Chromdioxid-Cassetten und Dolby B bessere Rauschabstände erreichen konnte, verfiel auch ich eine zeitlang der Idee, Schallplatten beim ersten Abspielen auf Cassette zu überspielen und die Musik zumindest in der ersten Zeit, wo sie noch frisch war, von diesem Medium abzuspielen. Viele meiner Generation träumten damals von einem Spulentonbandgerät - das kam wenigstens optisch an das heran, was man damals in einem Tonstudio vorfinden konnte. Leider konnte man seine Lieblingsalben nicht als vorbespielte "Schnürsenkel"-Bänder kaufen - es gab bestenfalls vorbespielte Compact-Cassetten. Die waren jedoch teuer und klangen, bedingt durch das industrielle Highspeed-Kopierverfahren und die lange vorherrschenden Eisenoxidbänder, mehr als nur dürftig.

Die Geräteentwickler hatten damals ein einfaches, aber unerreichbares Ziel: Klangtreue (gern auch "HiFi" oder "High Fidelity" genannt). Es gab damals sogar eine HiFi-Norm, das war die DIN 45500, in der u.a. festgelegt war, welche Wertegrenzen die Geräte in verschiedenen kritischen Disziplinen einhalten sollten. Die Norm war zwar recht zahm (sonst hätte Vinyl sie ja nicht schaffen können), aber immerhin ein Gütesiegel. Echte "HiFi"-Geräte nach DIN waren teuer.

Schon damals gab es Mystiker, die glaubten zwischen dicken und dünnen Lautsprecherkabeln einen Unterschied zu hören, aber einig waren sich alle: jeder, wirklich jeder wollte seine Lieblingsmusik so unverfälscht wie möglich hören - eben so, wie es Musiker und Produzent im Studio entschieden hatten!

Dass die sogenannten "Audiophilen" diese Maxime inzwischen aufgegeben haben und nun wieder einem Medium huldigen, das sie damals mit Freuden und völlig zu Recht in die Wüste gejagt haben, ist eine absurde Fußnote der Geschichte. Aber diesen Esoterikern ging es schon damals eher darum, möglichst teure und aufwändige Anlagen zu besitzen als Musik darauf abzuspielen - Digitalgeräte waren Anfangs ja extrem teuer und daher hochbegehrt. Heute sind sie das nicht mehr - klar, dass es also wieder andersrum gehen muss.

Daher nun der neue Vinyl-Hype. Allerdings: Aussagen wie "Vinylplatten klingen aber so schön warm und CDs ach so kalt" hatte man bereits in den frühen 1980ern hören können - sie sind natürlich windelweich und völlig subjektiv, dennoch ist es keineswegs völlig irrational, wenn Menschen vorgeben, Vinyl klanglich zu bevorzugen. Man kann das alles durchaus ein Stück weit erklären - neben dem umgekehrten Placebo-Effekt (etwa: ich habe eine Mörderknete für Plattenspieler-Vorstufe-Verstärker-Kabel-Boxen ausgegeben, daher MUSS das jetzt besser klingen, sonst wär ja alles umsonst gewesen) gibt es durchaus mithilfe der Messtechnik und der Psychoakustik nachvollziehbare Erklärungen für dieses Phänomen. Es trägt den schönen Namen: "Klirrfaktor".

Der Klirrfaktor ist bei analoger Schallspeicherung und -übertragung immer eine kritische Größe, denn ihn möglichst klein zu halten erfordert schaltungstechnischen Aufwand, der zu steigenden Fertigungskosten führt. Wer es mag, da mal in die Tiefe zu gehen: Klirrfaktor (Wikipedia)
Bei der Fertigung einer Schallplatte (die ja seit der Einführung des Direct-Metal-Masterings in den frühen 1980ern keinerlei technische Fortschritte mehr gemacht hat) kommt es prinzipbedingt zu Verzerrungen des Audiosignals. Das bedeutet, dass sowohl beim initiierenden Lackschnitt als auch bei jedem Abspielvorgang der fertigen Platte durch die Platte selbst und durch die Übertragungskette dem Signal eine ganze Reihe sowohl gradzahliger als auch ungeradzahliger Oberschwingungen zugefügt werden, die im Original-Master nicht vorhanden waren. Dies bezeichnet man in der Messtechnik als "nicht-lineare Verzerrungen".

Glücklicherweise hat nun jeder Klang "von Haus aus" Oberschwingungen, denn reine Sinustöne kommen in der Natur nicht vor - und insbesondere der Anteil ungeradzahliger Obertöne, die nicht-harmonisch sind und daher insbesondere bei Musik ab einem gewissen Pegel störend wirken können, ist in der Regel gering. Die unterschiedliche Gewichtung von Obertönen sind für das Gehör entscheidend für die Identifikation eines Klangs. Eine Geige und ein Klavier erzeugen beim selben gespielten Grundton ein völlig unterschiedliches Obertonspektrum, an dem wir das jeweilige Instrument mit geschlossenen Augen erkennen können. Wir kennen uns also sehr gut aus mit Obertönen.
Von nicht-linearen Verzerrungen profitieren also im Wesentlichen die natürlich vorhandenen Obertöne, was zu dem psychoakustischen Effekt führt, dass so "behandelte" Klänge einen wahrnehmbaren Gewinn an Präsenz erfahren. Das liegt daran, dass das Gehör eine nicht-lineare Frequenzkurve hat, die im Mittenbereich am empfindlichsten ist (optimiert für Sprachwahrnehmung). Eine annähernd gleichmäßige Verteilung künstlicher Obertöne führt also vorwiegend zu einer gesteigerten Wahrnehmung dort, wo das Gehör am empfindlichsten ist. Gleichzeitig wird das Originalsignal durch die Überlagerung ein Stück weit verdeckt, zusammen mit der ohnehin schlechten Wiedergabetreue von sehr dynamischen Impulsen mit kurzen Attack-Zeiten (z.B. Bassdrum) wird das Signal quasi "verschliffen", was zu weiteren Verzerrungen führt, die sich nun dynamisch auswirken (hohe Dynamik=große Verzerrungen). Das ist nichts anderes als der Effekt, den viele Hörer mit "warm" charakterisieren.

Daher werfen Laien wie auch angebliche Fachleute der Digitaltechnik ja seit jeher vor, sie sei "kalt" und daher herzlos. In der messtechnischen Realität ist sie jedoch nur auf größtmögliche Neutralität getrimmt - nicht vergessen: das war von je her das Ziel aller Audioentwickler (übrigens auch von denen, die bis 1980 noch an der Weiterentwicklung der Vinylschallplatte gerabeitet haben)!
Mit den beim Digital Recording überall verbreiteten 24 bit A/D-Wandlern hat man dieses Ziel inzwischen mit relativ einfachen Mitteln erreicht; auch bei Doppelblindtests ist es selbst Fachleuten mit geschultem Gehör nicht mehr möglich, zwischen einem analogen Original-Mastertape und der digitalen Kopie davon zu unterscheiden.

"Vinyl ist besser" ist also Unfug oder bestenfalls fragwürdige Geschmackssache. Holt man jedoch das offenbar längst überholte Ideal der "Klangtreue" wieder aus der Schublade, kommt man nicht umhin festzustellen, dass eine technische Überlegenheit der Schallplatte objektiv nicht vorhanden ist. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das, was man klanglich beim Vinyl als Benefit empfinden mag, künstliche Obertöne sind, die von der ganzen Fertigungs- und Wiedergabekette hinzugefügt wurden - natürlich ohne Autorisierung der beteiligten Künstler!*
Wem es also auch in diesen aufgeklärten Zeiten darauf ankommt, das Studiomaster exakt so zu hören, wie es die Musiker und der Produzent im Studio entschieden haben, kann das definitiv nicht mit einem Plattenspieler tun (und wenn er noch so teuer war).

*Nebenbei bemerkt gibt es natürlich längst Effektgeräte, die einem Klang künstliche Oberschwingungen zufügen können. In den 1970ern nannte man die "Exciter" - später waren sie verpönt, da sie einen starken Gewöhnungsfaktor hatten - bei längerem Gebrauch ermüdete die Wahrnehmung des Effekts, was den Toningenieur schnell um seine Neutralität brachte.



Die nächsten Folgen dieser Serie:
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) II
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) III
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) IV
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) V
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VI
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VII
Vinyl vs. CD (Wahn und Wirklichkeit) VIII 

Mittwoch, 22. August 2012

STYX - The Grand Illusion (1977)

Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat - eigentlich hasse ich diese Band bis in alle Ewigkeit allein für Boat On A River, aber ein paar Jahre davor haben STYX ganz nette, durchaus ambitionierte Musik gemacht - natürlich stets innerhalb der Grenzen von US-AOR, dem es 1977 ja nicht schlecht ging.

THE GRAND ILLUSION ist möglicherweise ihr Meisterwerk, das ich selbst nie besessen habe, aber wohl dank einer guten Cassetten-Überspielung von der LP eines Freundes in- und auswendig kenne - was ich soeben, da ich die kürzlich bei Amazon zum Spottpreis erstandene und sehr gut klingende CD zum ersten Mal höre, mit Erstaunen feststelle.

Es gibt zum Teil erstklassiges Songwriting - die gesamte "Seite 1" ist ohne Fehler mit dem genialen Title-Track als Opener, dann Tommy Shaws großartiges Fooling Yourself (bester Song des Albums), das etwas übertriebene Superstars und als Höhepunkt Come Sail Away als Abschluss. Einziger Ausfall: Miss America als Opener von "Seite 2", die insgesamt etwas abfällt, aber immer noch durchhörbar ist.

Was mir nach all den Jahren allerdings weit weniger gefällt, ist der affektierte high-pitch-Gesang in typischer US-Poser-Art - da sind alle drei Sänger leider gleich übel.

Freitag, 3. August 2012

SUSANNA HOFFS - Someday (2012)

Abb.: Amazon
Ihr erstes Soloalbum von 1991, das auf dem Erfolg des Bangles-Hits Eternal Flame aufsetzte und aus Susanna Hoffs einen internationalen Superstar machen sollte, enthielt mit My Side Of The Bed zwar einen veritablen, jedoch auch recht peinlichen weil schamlos kommerziellen Hit ("Shala-la-la, shalala-la-la, he-ya, he-ya"), ansonsten jedoch nur dürftigstes, aalglatt produziertes Füllmaterial. Das Album floppte und schon war sie eigentlich unten durch, daher wurde ihr eigentliches Solodebut "Susanna Hoffs" fünf Jahre später weitestgehend und leider zu Unrecht völlig ignoriert.

16 Jahre später nun ein neues Soloalbum! - Da das letzte Bangles-Album "Sweetheart Of The Sun" nicht ganz überzeugen konnte (die von Susanna gesungenen Songs ausgenommen) wurde ihr nunmehr drittes Soloalbum mit etwas gemischten Gefühlen erwartet, doch es kann voll und ganz überzeugen. Erstklassige Popsongs, die zwar nicht alle auf Anhieb ins Ohr gehen, jedoch immer stärker werden, je öfter man sie hört.

Schon der Opener November Sun ist ein kleines Meisterwerk der Arrangierkunst: Nach den ersten Takten rechnet man mit einem eher akustisch-puristisch gehaltenen Folk-Song, plötzlich setzt eine Trompete ein, dann ein Streichquartett, mehrere Mellotron-artige Flöten, später dann eine Orgel. Das Ganze so geschickt gemacht, dass man immer noch denkt, man hört einen simplen Folksong.

Großartige Musiker, großartige Produktion von Mitchell Froom (Suzanne Vega, Crowded House, Richard Thompson). Nach den hörbar preiswerten Spaß-Produktionen mit Matthew Sweet ("Under The Covers" Vol.1 + 2, übrigens ebenfalls empfehlenswert) scheint es hier wieder ein ordentliches Budget gegeben zu haben. Dass das Album nur 10 Tracks und 31 Minuten Laufzeit hat, ist nicht schlimm, denn umso schneller kann man wieder November Sun hören - wobei auch unter den anderen Tracks kein einziger Ausfall ist.

Dienstag, 19. Juni 2012

PINK FLOYD - Animals (1977)

Abb.: Wikipedia
Rückblickend betrachtet, ist "Animals" sicher nicht das beste Pink Floyd-Album, aber es bleibt für mich etwas besonderes, denn ich hatte den Hype um das Release seinerzeit bewusst miterlebt. Die Pressekampagne war schon sensationell und wenn man bedenkt, dass wir hier in Deutschland nur die Ausläufer mitbekommen haben... - trotzdem gab es damals nur zwei Sterne im Musik Express und einen ziemlichen, jedoch durchaus differenzierten Verriss.

Pink Floyd, so sah es damals aus, hatten sich mit dieser Platte endgültig in den Rock-Dinosaurier-Himmel katapultiert - was natürlich, ähnlich wie bei Genesis ein Jahr später, wegen der vorherrschenden musikalischen Großwetterlage -das Tiefdruckgebiet "Punk" sollte noch einige Zeit dräuen- eine gewisse hämische Dimension bekam, vor allem drüben auf der Insel. Animals war nicht gut gelitten. Drei von vier Mitgliedern der Sex Pistols trugen ein Pink-Floyd-T-Shirt mit der handgemalten, unglaublich provokanten Überschrift "I HATE" abwechselnd (ob es zwischendurch gewaschen wurde oder nicht, ist nicht überliefert).


Die Verkäufe waren dennoch ordentlich und die Musik - wenn auch nicht spektakulär, aber durchaus frisch und innovativ. Winfried Trenkler spielte Dogs seinerzeit komplett in seiner WDR2-Sendung "Rock-In", deren Stammhörer ich war. Ich kann mich erinnern, dass ich gleichermaßen fasziniert wie enttäuscht war - enttäuscht vor allem, weil das Album die durch die Vorgängeralben und die gigantische Werbekampagne hochgeschraubten Erwartungen nicht einlösen konnte. Fasziniert war ich vor allem von den optischen Details - das Battersea-Kohlekraftwerk auf dem Cover ist ein großartig-bedrückender Bau - schon in Natura sehenswert und beeindruckend, mit der speziellen Farbgebung des Hipgnosis-Artworks jedoch spektakulär finster und bedrohlich.

Die Aufnahmetechnik des Albums ist durchweg grandios - bis heute begeistert mich, wie in Sheep die gehaltenen Vokale von Waters Leadgesang nach wenigen Sekunden zu Gilmours Gitarre werden - Morphing nannte man das später. Dogs und vor allem Sheep sind agressive, finstere Meisterwerke mit einer unglaublichen Intensität, dazu mit feinsten Gitarrenriffs und perfektem, zeitlosem Sound.
Was ich erst viel später erfahren habe: diese beiden zentralen Albumtracks waren keine neuen Stücke, sondern lediglich Überarbeitungen der schon ein paar Jahre früher live gespielten Songs Raving and Drooling und You've got to be crazy, die wohl für das Vorgängeralbum "Wish You Were Here" konzipiert, jedoch ausgesondert worden waren.
Wirklich neu waren also nur die Roger Waters-Kompositionen, Pigs und die beiden Teile von Pigs on the wing, die das Album einrahmen. Diese sind zwar etwas belanglos, aber tausendmal besser als ähnlich angelegte Waters-Solo-Songs auf "The Wall".

Zu Pigs on the wing gibt es noch eine interessante Randnotiz: Parallel zur LP und Compact-Cassette erschien das Album seinerzeit in den USA auch im dort recht beliebten Format 8-Track-Cartridge. Diese enthält eine exklusive Langfassung von Pigs on the wing, bei dem die beiden Teile durch einen Mittelteil verbunden sind, der ein Gitarrensolo von Snowy White enthält. Pigs on the wing, so ist verschiedenen Quellen, u.a. auch Wikipedia zu entnehmen, sei ursprünglich ein einziger, drei Minuten langer Song gewesen, den man nachträglich auseinandergeschnitten habe, wodurch das Solo entfiel. Dass Snowy White und nicht David Gilmour das Solo eingespielt hat, wird damit begründet, dass man versehentlich ein früheres Solo David Gilmours gelöscht habe, so dass Snowy den wegen Babypause abwesenden Gilmour ersetzen musste.

Dropout im rechten Kanal (unten)
Das halte ich jedoch für reine Phantasie, denn beim Übergang zu Snowy Whites zugegeben schönem Solo ist ein Schnitt deutlich zu vernehmen. Außerdem ändert sich an dieser Stelle entsprechend der doch recht unterschiedlichen Abmischungen der beiden Einzelteile der Sound der Aufnahme. Bei Pigs on the wing 1 spielt nur eine einzige Gitarre und sie steht recht monofon im Center der Stereobasis, bei Pigs on the wing 2 (und nach dem Schnitt) spielen plötzlich zwei Gitarren und die sind auch noch extrem links und rechts aufgestellt. Der Schnitt selbst ist übrigens technisch nicht besonders gut ausgeführt: der rechte Kanal hat an der fraglichen Stelle einen etwa 11 Millisekunden langen Dropout. Klarer Hinweis auf einen damals üblichen 45°-Schrägschnitt des Tapes, der den linken Kanal einen Tick früher einsetzen lässt.

Man kann daher davon ausgehen, dass Pigs on the wing von Anfang an als Zweiteiler geplant und auch getrennt aufgenommen und abgemischt wurde, exakt so, wie es dann auf Vinyl, Cassette und später CD zu hören war und ist. Den Kollegen ist irgendwann, als das Album längst fertig war, bewusst geworden, dass die Tracklist des Albums für die 8-Spur-Cartridge Version etwas ungünstig war. Die Cartridges enthielten nämlich ein Endlos-Tape, das wieder von vorn begann, sofern man es nicht von Hand stoppte. Dadurch liefen jedoch Part 2 und Part 1 immer hintereinander - nicht nur langweilig, sondern auch in der falschen Reihenfolge. Irgendjemand hatte dann vermutlich die Idee, die beiden fertig gemasterten Teile plus ein 35 Sekunden langes Mittelstück (möglicherweise aus einem Outtake) zusammenzukleben. Um den deutlich hörbaren Übergang zu kaschieren und wohl auch, um den Song in der neuen Langversion abwechslungsreicher zu gestalten, benötigte man nur noch ein Gitarrensolo. Gilmour war nicht greifbar, also schnappte man sich Snowy White, der gerade im Studio herumstand. End of story.

Die lange Version mit dem Solo wurde übrigens 1995 auf Snowy Whites inzwischen vergriffenem Sampler "Goldtop" zum ersten und bisher einzigem Mal auf CD veröffentlicht.

Mittwoch, 25. Januar 2012

PINK FLOYD - Atom Heart Mother (1970)

Habe jetzt "Atom Heart Mother" (2011 Remaster) überstanden und in zwei Etappen gehört. Dabei war aus Versehen der Shuffle-Knopf im iPhone gedrückt, so dass ich die Songs der zweiten LP-Seite nicht in der korrekten Reihenfolge gehört habe, was die nachträgliche Zuordnung meiner Eindrücke etwas erschwert, aber egal. Begonnen hat das aber mit der berüchtigten Atom Heart Mother Suite - die ich als "interessant" charakterisieren würde, ohne dass das jetzt ein Euphemismus sein soll. Sie haben hier definitiv was gewagt und Neuland beschritten, auch wenn das Experiment mit Bläsern und einem klassisch ausgebildeten Chor wohl als weitgehend gescheitert angesehen wird. Ich fand es weitgehend OK, wobei es mir im Mittelteil natürlich etwas zu kakophonisch zuging,  der "Text" des Chorgesangs jedoch mehrfach spontane Heiterkeit bereitet hatte: "Ssa ssa ssa ssa whsss - rrrrrrrr ho di rabatika gogotschaaah ... Wasserkuh, Wasserkuh - ruckuku ruckuku" - das hat schon viel Schönes.
Von den ziemlich sinnfreien Experimenten (wohl zuviel Stockhausen gehört die Jungs) mal abgesehen ist das Stück aber harmlos, durchaus anhörbar, schafft es aber nicht annähernd, eine vergleichbar magische Athmosphäre zu erzeugen wie ein Jahr später das ebenfalls LP-Seiten-füllende Echoes. Vielleicht sind es auch die Bläser, die über weite Strecken dann doch zu konventionell arrangiert sind und bei denen man oft das Gefühl hat, dass ihre Melodielinien, von einer Hammond oder einem Mellotron gespielt, vielleicht besser gekommen wären.

Die B-Seite des Albums ist auf jeden Fall zugänglicher. If - so etwas wie die Blaupause einer klassischen Roger-Waters-Ballade: nett aber etwas spannungslos. Summer '68 dann eine überraschend kurzweilige Einlage von Rick Wright - hier sind die Bläser besser passend eingesetzt. Fat Old Sun beginnt dann -für mich überraschend, denn das war mir bisher gar nicht aufgefallen- mit dem gleichen Glockengebimmel wie 24 Jahre später High Hopes - es ist nicht ganz identisch, ich habe aber nachhören müssen, um mich zu vergewissern. Ansonsten ist der Song, der am ehesten schon in Richtung "Meddle" geht, der vielleicht erste richtig gute Gilmour-Song, auch wenn ausgerechnet hier das Gitarrensolo an Ende klingt, als hätte es ein Anfänger gespielt. Schon seltsam, dennoch mein Favorit auf diesem Album. Mit Alan's Psychedelic Breakfast, einem weiteren Longtrack, wird man allerdings wieder ein wenig zu "Ummagumma" zurückgeworfen. Nach den lustigen Frühstücksgeräuschen zu Beginn ertönt mehrstimmiges pentatonisches Gedudel, dann schlürft Alan (etwas zu übertrieben) Tee, macht den Herd an und dazu erklingen akustische Gitarren, später die Pedal-Steel, offenbar Gilmours Beitrag. Plätschert etwas vor sich hin - am Ende hören wir passend dazu das Spiegelei brutzeln. Klingt lecker. Die letzten vier Minuten gehören dann der Band, die sich im Midtempo durch ein gefälliges, aber höhepunktloses Instrumental spielt - zum Schluss macht Alan dann den Abwasch und das Album ist zuende.

Es fehlen zu einem guten Floyd-Album ein wenig die großen Kompositionen und mit der Titel-Suite hat man sich ein wenig verzettelt, aber so ist es ein schönes Übergangsalbum, das gut in die Zeit passt. 1970 war ohnehin ein Jahr der Veränderungen, schon weil sich die Beatles endgültig auflösten und so Platz machten für einen Haufen neuer Bands, die alle ungefähr gleichzeitig aus den Startlöchern kamen. "Atom Heart Mother" ist sicher besser als sein Ruf und sicher ist nicht alles darauf "pretty horrible" (David Gilmour in der Nachbetrachtung).

Mittwoch, 18. Januar 2012

PINK FLOYD - die frühen und die späten Alben

"THE PIPER AT THE GATES OF DAWN" - sicherlich hat dieses Album mehr Substanz als die drei Nachfolgealben, wo die Band die Kurve ohne Syd Barrett noch nicht so recht hinbekommen hatte und die eigenen Ideen noch etwas klemmten und mangels Masse zum Teil breit ausgewalzt wurden. Ich habe mich gerade in den letzten Tagen durch "A SAUCERFUL OF SECRETS", "MORE" und "UMMAGUMMA" durchgehört - und kann diesen Alben heute deutlich weniger abgewinnen als früher. Über weite Strecken findet hier, besonders bei den Longtracks, unispiriertes, repetitives Gedudel statt. Besonders schlimm: die Orgelimprovisationen über weitgehend statischen Klangteppichen ohne Harmoniewechsel und mit zum Teil völlig frei laufenden Krach-Collagen, denen man mit Recht das Label "psychedelisch" aufkleben kann, aber heute nur noch so klingen, als seien die Musiker völlig zugedröhnt gewesen.

Insbesondere für das hochgelobte "Ummagumma" lautet mein Fazit: über weite Strecken grauenhaft. Den Live-Teil kann man noch halbwegs ertragen, wenngleich die Songs viel zu lang ausgewalzt sind, aber was die Kollegen da einzeln verbrechen, ist mitunter schon schlimm. So sehr ich mich bemüht habe, die meisten Stücke konnte ich nicht bis zum Ende durchhören. Sysiphus fängt ja ganz nett an, aber dann spielt Wright offenbar Piano mit den Ellenbogen. Waters Beitrag ist erstaunlich belanglos und Gilmour kriegt es irgendwie nicht hin - ein paar gute Ideen, aber nichts passt wirklich zusammen. Am Schluss nervt dann Mason. Sorry, aber das ist verschwurbelter und ziemlich breitgetretener Quark.

"Piper" war da ein schöner Gegensatz mit seinen ausgefeilten Songstrukturen voller bizarrer und genialer Einfälle, dazu zähle ich auch die frühen Singles. In seiner Innovationskraft ist es m. E. durchaus mit "Sgt. Pepper" vergleichbar; es wurde ja zur selben Zeit wie dieses aufgenommen (und vielleicht nicht zufällig ebenfalls in den Abbey Road Studios) und nur zwei Monate später veröffentlicht, was übrigens auch ein Beleg dafür ist, dass die Beatles damals auch nur den "Zeitgeist" aufgegriffen haben und sich dazu offenbar Anregungen aus dem sog. "Underground", zu dem PF damals gehörten, geholt hatten. Pink Floyd waren ja durchaus schon einige Zeit vor ihrem Debutalbum aktiv und hatten sich in der Londoner Szene einen Namen gemacht.
"Piper" hat halt nur mit den späteren Floyd nicht viel zu tun, vielleicht hat es das Album in der Wahrnehmung der Spätgeborenen deshalb schwerer.

A propos späte Pink Floyd: Heute morgen habe ich dann doch noch einmal "THE FINAL CUT" gehört. Es war nicht ganz so schlimm, wie ich es in Erinnerung hatte (nur einmal gehört vor 29 Jahren) - es ist von wenigen Momenten abgesehen eigentlich nur langweilig und Roger Waters sollte seine elaborierten Texte nicht selbst singen, das scheint jedenfalls das zu sein, was er noch weniger kann als spannende Songs zu schreiben. Alles was auf "The Wall" nervt, ist hier wiederzufinden. Leider aber auch kaum etwas von dem, was auf "The Wall" gut ist. Das Album war allerdings problemlos durchhörbar. Gut ist es deswegen trotzdem nicht.

Und schließlich "A MOMENTARY LAPSE OF REASON" - diesem Album wird ja von vielen Fans glatt die Existenzberechtigung abgesprochen - soo schlecht ist es aber doch nun wirklich nicht! - Da gibt es ein paar schöne Momente. Learning to fly ist eine ganz nette Single, On the turning away eine typische Floyd-Ballade mit einem feinen Gitarrensolo und One Slip fand ich immer schon einen tollen Song, der auch auf jedem anderen Album ein Höhepunkt wäre. Heute morgen in der Bahn aber fiel mir positiv das Instrumental Terminal Frost auf - das ist richtig klasse, hat ein paar unerwartete Harmoniewechsel, schöne Soli (Gitarre und Sax) und ist ein weiterer Höhepunkt des Albums. Gut, The Dogs Of War ist furchtbar, damit wollte Gilmour wohl Waters Abwesenheit kompensieren...
Sicher ist das Album kein Klassiker aber ich sag mal, doch sicher besser als "More", "Ummagumma" und "The Final Cut"!

Sonntag, 8. Januar 2012

JEFF WAYNE - The War of the Worlds

Ich habe mir neulich, trotz meiner überlieferten Abneigung gegen dieses Machwerk, mir die DVD der Konzerttour 2006 angeschaut und etwa drei Viertel davon sogar ertragen, danach hat es mir jedoch wirklich gereicht. Das Album kenne ich noch aus den 70ern, als ein Freund es ständig spielte und meinte, das sei ganz toll. Ich konnte dem damals schon nicht allzu viel abgewinnen, jetzt weiß ich auch wieder, warum:

Dieser Jeff Wayne hat nichts anderes gemacht, als drei oder bestenfalls vier musikalische Ideen auf Doppelalbumlänge auszuwalzen. Nicht nur, dass diese Ideen sich bis zur Nervgrenze ständig kaum variiert wiederholen, das ganze Album ist auch unterlegt mit dem ewig gleichen 70er-Jahre-Disco-Rhythmus, der auch einem unbefangenerem Hörer schon nach drei Minuten auf den Keks gehen sollte.

Dass das mit Rock und erst recht mit Prog nichts zu tun hat, erkennt man dann spätestens an der Form der Präsentation. Das sprechende Richard-Burton-Ei ist ein Witz, der Lightshow fällt nichts Besseres ein als Laserschüsse und die LED-Wand zeigt armselige Animationen. Das lebensgroße Alienschiff ist sicher teuer gewesen und sieht halbwegs spektakulär aus, dafür musste eben woanders gespart werden. Klar wird aber spätestens im zweiten Teil der DVD, dass Wayne nun offenbar nicht mehr beabsichtigt, uns sein "Werk" als die armselige Alan-Parsons-Kopie zu verkaufen, die die Studiofassung ursprünglich darstellte. Er will nun den Musical-Charakter stärker in den Vordergrund stellen und das ist ihm gut gelungen, obwohl es so aussieht, als könne er sich nicht recht entscheiden, ob es vielleicht doch nur eine konzertante Aufführung ist. Als Musical mag es so schlecht wie jedes andere sein, aber das mögen die entscheiden, die sich in diesem Sektor besser auskennen.

Dass man von Jeff Wayne in den Jahren zwischen dem Album und dieser "Auferstehung" nichts gehört hat, überrascht nicht. Ohnehin kam er wohl nur deshalb aus der Gruft damit, weil die Rente nicht mehr gereicht hat.