Dienstag, 21. Juni 2011

GENESIS - Follow You Follow Me (Song, 1978)

Abb.: Wikipedia
Follow You Follow Me ist relativ clever gemachter Pop - das muss man dem Stück lassen. Die Rhythmusgitarre gibt bereits zu Anfang das aus zehn Tönen unablässig und mit wenig Variation wiederholte Hauptthema vor. Dieses wird unter der Strophe durchgehalten. Im Refrain dient das Thema dann als Hookline, die Keyboards spielen es unisono mit und zum Schluss gibt es noch den lei-lei-lei-Falsetto-Chor, der - ja was wohl - genau: das Hauptthema singt.

Dadurch wird erreicht, dass man diese Melodie ständig hört - als Ohrwurm wirkt sie noch nach, wenn der Song lange vorbei ist. Unkritische Musikhörer mögen es, wenn sie einen Song wiedererkennen oder nach 10 Sekunden mitsummen können. Das vereinfacht den Kauf, da es auch nicht schwerfällt, es dem Verkäufer im Plattenladen vorzusingen. Kritische Musikhörer würden anmerken wollen, dass hier mit der Brechstange und recht schamlos versucht wurde, eine kommerziell erfolgreiche Single zu schreiben (was somit auch gelungen war).
Eine Anbiederung an den Massengeschmack war das dennoch nicht, denn was den Song auch ausmacht, ist das großartig gespielte Shuffle-Schlagzeug und die richtungsweisende Rhythmusgitarre, bei denen Mike seinen Mechanics-Stil vorwegnahm. Leider geht beides in der Album-Version ziemlich unter, nicht jedoch im US-Single-Remix.
FYFM im US-Remix
Da knallen die Drums plötzlich und die Keyboards quengeln sich nicht nervig in den Vordergrund. Auch kann man erstmals einen E-Bass bemerken, der sogar richtig groovt. Schade, dass es diese Version nie auf einen digitalen Tonträger geschafft hat.

Ein bisschen gemein war damals, dass der Erfolg dieser Single viele neue, vor allem weibliche Fans generierte, die sich dann -etwas blauäugig- ein Ticket für die anstehende Tournee besorgten - und sich dann verwundert die Ohren reiben mussten, entsprach doch der Rest des Programms so gar nicht ihren durch die Single geschürten Erwartungen. Sie mussten sich einfach noch ein paar Jahre gedulden...

GENESIS - ...And Then There Were Three... (1978)

Abb.: Wikipedia
Dieses Album ist für viele Genesis-Fans der Scheidepunkt - bis dahin war (fast) alles gut, danach ging es nur noch bergab. - Das ist natürlich etwas zu einfach und wie immer ist es hilfreich, das Album im Hinblick auf seine Entstehungszeit einzuordnen. 1978 und in den beiden Jahren davor hatte sich die Musikszene vor allem in UK um 180° gewendet. Genesis galten zwar auch vorher nie als unbedingt angesagt, aber mit dem Aufkommen des Punk und der nachfolgenden Gleichschaltung der damals noch wichtigen Musikgazetten fanden sich Genesis plötzlich in einer Reihe mit den anderen "Dinosauriern" des Rock, etwa Yes, King Crimson, Pink Floyd und ELP - und kassierten entsprechende Prügel.

Genesis ging es zu dieser Zeit auch aus anderen Gründen nicht gut. Gitarrist Steve Hackett hatte sich nach internen Querelen um seinen Anteil am musikalischen Output nach der "Wind & Wuthering"-Tour 1977 frustriert verabschiedet und die nunmehr zum Trio geschrumpfte Band litt unter einem Berg von Schulden. Banks, Collins und Rutherford wollten daher einen Wechsel einleiten - weg vom den progressiv-symphonischen Zehnminütern hin zu einfacheren Songstrukturen, die auch ein wenig zeitgemäßer anmuten sollten und sich so vielleicht besser verkaufen ließen. Leider trafen sie nicht immer die richtigen Entscheidungen. Eine davon war sicherlich, David Hentschel im Produzentensessel sitzen zu lassen.
Das Songmaterial selbst ist dabei noch halbwegs akzeptabel zu nennen, wenn auch keinerlei Höhepunkte wie auf früheren Alben zu finden sind (Cinema Show, Afterglow, Dance On A Volcano, Ripples, um nur wenige zu nennen). Steves Ausstieg hatte bewirkt, dass es auf der Gitarrenseite ein Vakuum gab, das Mike nicht annähernd füllen konnte, obwohl das Bemühen erkennbar ist, die E-Gitarre hin- und wieder zu betonen, als ob man sagen wollte: "hört her, hat gar nicht weh getan". Leider wurden darüber jedoch vor allem die akustischen Gitarrenparts nahezu vollständig geopfert - was sehr überraschend war, da Mike an diesen doch bislang einen großen Anteil hatte. Da seine E-Gitarre jedoch nicht annähernd Steves Kompetenz hatte, war das Gleichgewicht hier deutlich zu Tonys Gunsten verschoben. Jeder Song ist daher stark Keyboard-lastig, ständig wabern käsige Klangteppiche - zum ersten Mal fehlte das Mellotron - die Drums sind pappig und selten im Vordergrund und die Gitarren gehen im Klangbrei weitgehend unter. Das Konzept - wenn es denn überhaupt eins gab - ging nur an wenigen Stellen auf.

David Hentschel war als Produzent der Herausforderung entweder nicht gewachsen, oder er hatte nicht erkannt, dass die neuen Strukturen auch einen neuen Sound erfordert gehabt hätten. Dies kann man vor allem daran erkennen, dass die erhältlichen Remixe, schon der frühe US-Remix der Follow You Follow Me-Single aber auch der 2007er Nick-Davis-Remix des ganzen Albums, wie auch die Live-Versionen plötzlich um ganze Klassen frischer, dynamischer und lebendiger klangen als das von ihm verantwortete Original.

Dies und die Abkehr von den proggigen Instrumentalpassagen war das, was die bis-dahin-Genesis-Fans so enttäuschend fanden. Ich behaupte mal, dass nur sehr wenige, die vor "...And Then There Were Three..." bereits Fans der Band waren, dieses Album ebenfalls gut finden konnten. Im Rückblick und losgelöst vom damaligen Zeitgeist (ich habe 1978 auch lieber die Sex Pistols, The Cars, Ultravox, Devo und Ramones gehört) mag der Eindruck vielleicht anders sein, inzwischen wird das Album (unverdienterweise) oft als verdienter Nachfolger von "A Trick Of The Tail" und "Wind & Wuthering" oder sogar als "letztes gutes" Genesis-Album gehandelt.

Wäre "...And Then There Were Three..." bereits von Hugh Padgham produziert worden und hätte es den Sound von "Abacab" vorweggenommen, wäre es sicher völlig anders rezipiert worden. Möglicherweise wäre es sogar zu dem Meilenstein der Bandgeschichte geworden, für den "Abacab" leider ein paar Jahre zu spät gekommen war, aber die kreative Luft in der Band war zu diesem Zeitpunkt eigentlich zu dünn, um nicht zu sagen: raus. Das Album ist wie ein Beweis dafür, dass man die bisherige Stilrichtung ohne Steve Hackett (leider) nicht weiter bedienen konnte.

Versucht haben sie es immerhin tapfer, daher klingt "...And Then There Were Three..." über weite Strecken wie ein schaler Aufguß der vorangegangenen beiden Alben, ohne auch nur annähernd deren Originalität und Qualität zu erreichen. Burning Rope besteht aus Elementen abgeleitet von Eleventh Earl of Mar und One For The Vine, Undertow reimt sich nicht zufällig auf Afterglow und Deep in the Motherlode erscheint nicht viel mehr als eine Neuauflage von Squonk im 6/8-Takt. Das hatte man alles schon vorher und leider auch besser gehört. Halbwegs originell war bestenfalls Scenes from a night's dream und - ja, zugegeben: Follow you follow me.

Tatsächlich war bei aller berechtigter Kritik an diesem superbanalen und extrem kommerziellen Song hier der einzige Schritt in Richtung Neuland zu beobachten. Dieser ungenierte Versuch, einen Pop-Hit zu schreiben, kann man nur als gelungen betrachten. Die Bandgeschichte war daher hier doch nicht zuende, denn zum einen wurde die Singleauskopplung der bis dahin größte Hit - und zum anderen schaffte es die anschließende Tournee, die "...And Then There Were Three..."-Stücke so gut in die Setlist zu integrieren, dass sowohl alte wie neue Fans auf ihre Kosten kamen.

Die danach anstehende, fast zweijährige Pause wurde dann klug für die überfällige Neuaufstellung genutzt und so die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der 1980er Jahre geschaffen. Weitreichendste Änderung: nach dem Vorbild Follow you follow me wurden alle wichtigen Songs ab sofort nur noch im Team und während der Recording-Sessions geschrieben und entwickelt. Nach 1982 fand sogar überhaupt keine Einzelkomposition mehr den Weg in eine Album-Setlist.

"...And Then There Were Three..." war daher für die Band immens wichtig - dieses Album hat -sicherlich unbeabsichtigt- das Kunststück geschafft, den Beteiligten aufzuzeigen, warum eine deutliche Veränderung zwingend erforderlich war. Es ist nur ein wenig schade, dass es dazu erst hat veröffentlicht werden müssen...

Freitag, 1. April 2011

I BLAME COCO - The Constant




Üblicherweise kommt Murks dabei raus, wenn Verwandte oder Verschwägerte von Rockstars ihre eigene Musik rausbringen - oder wenns nicht Murks ist, ist es schlecht nachgemacht. Aber was Eliot "Coco" Sumner und ihre Band hier abgeliefert haben, erinnert tatsächlich einerseits irgendwo an Sting und Police, ist andererseits aber gleichzeitig kilometerweit entfernt davon. Interessanterweise ist die Stimme noch das Ähnlichste, auch die Art der Phrasierung deutet auf den Erzeuger hin. Aber dann ist man doch gebannt durch den teilweise recht elektronisch klingenden Klangteppich aus analogen Synthies und gesampelten Drumbeats gepaart mit fast schon progressiv zu nennendem Rock. Einige Songs haben schnell Ohrwurmcharakter, ohne direkt aufdringlich zu sein, andere überzeugen durch witzige Einfälle und intelligente Texte. Einziger Ausfall ausgerechnet die Neil Young-Coverversion Only Love Can Break Your Heart und mit dem Remix von Quicker am Ende kann ich auch nicht viel anfangen (aber das ist mit "Remixen" bei mir immer so).

Das Album läuft auf meinem iPhone schon seit Mitte Februar in der Hot-Rotation und wenn ich für das Club-Konzert in Köln Anfang März noch eine Karte hätte bekommen können, wär ich da gewesen.

Hochinteressant: bei YouTube gibt es ein Video von den Aufnahmen zu einer Acoustic EP, die ich leider noch nie irgendwo zu kaufen gesehen habe: YouTube - Coco recording Acoustic EP

 Für mich jetzt schon das Album des Jahres (und das mir als ausgewiesenem Sting-Verächter)!