Dienstag, 19. Juni 2012

PINK FLOYD - Animals (1977)

Abb.: Wikipedia
Rückblickend betrachtet, ist "Animals" sicher nicht das beste Pink Floyd-Album, aber es bleibt für mich etwas besonderes, denn ich hatte den Hype um das Release seinerzeit bewusst miterlebt. Die Pressekampagne war schon sensationell und wenn man bedenkt, dass wir hier in Deutschland nur die Ausläufer mitbekommen haben... - trotzdem gab es damals nur zwei Sterne im Musik Express und einen ziemlichen, jedoch durchaus differenzierten Verriss.

Pink Floyd, so sah es damals aus, hatten sich mit dieser Platte endgültig in den Rock-Dinosaurier-Himmel katapultiert - was natürlich, ähnlich wie bei Genesis ein Jahr später, wegen der vorherrschenden musikalischen Großwetterlage -das Tiefdruckgebiet "Punk" sollte noch einige Zeit dräuen- eine gewisse hämische Dimension bekam, vor allem drüben auf der Insel. Animals war nicht gut gelitten. Drei von vier Mitgliedern der Sex Pistols trugen ein Pink-Floyd-T-Shirt mit der handgemalten, unglaublich provokanten Überschrift "I HATE" abwechselnd (ob es zwischendurch gewaschen wurde oder nicht, ist nicht überliefert).


Die Verkäufe waren dennoch ordentlich und die Musik - wenn auch nicht spektakulär, aber durchaus frisch und innovativ. Winfried Trenkler spielte Dogs seinerzeit komplett in seiner WDR2-Sendung "Rock-In", deren Stammhörer ich war. Ich kann mich erinnern, dass ich gleichermaßen fasziniert wie enttäuscht war - enttäuscht vor allem, weil das Album die durch die Vorgängeralben und die gigantische Werbekampagne hochgeschraubten Erwartungen nicht einlösen konnte. Fasziniert war ich vor allem von den optischen Details - das Battersea-Kohlekraftwerk auf dem Cover ist ein großartig-bedrückender Bau - schon in Natura sehenswert und beeindruckend, mit der speziellen Farbgebung des Hipgnosis-Artworks jedoch spektakulär finster und bedrohlich.

Die Aufnahmetechnik des Albums ist durchweg grandios - bis heute begeistert mich, wie in Sheep die gehaltenen Vokale von Waters Leadgesang nach wenigen Sekunden zu Gilmours Gitarre werden - Morphing nannte man das später. Dogs und vor allem Sheep sind agressive, finstere Meisterwerke mit einer unglaublichen Intensität, dazu mit feinsten Gitarrenriffs und perfektem, zeitlosem Sound.
Was ich erst viel später erfahren habe: diese beiden zentralen Albumtracks waren keine neuen Stücke, sondern lediglich Überarbeitungen der schon ein paar Jahre früher live gespielten Songs Raving and Drooling und You've got to be crazy, die wohl für das Vorgängeralbum "Wish You Were Here" konzipiert, jedoch ausgesondert worden waren.
Wirklich neu waren also nur die Roger Waters-Kompositionen, Pigs und die beiden Teile von Pigs on the wing, die das Album einrahmen. Diese sind zwar etwas belanglos, aber tausendmal besser als ähnlich angelegte Waters-Solo-Songs auf "The Wall".

Zu Pigs on the wing gibt es noch eine interessante Randnotiz: Parallel zur LP und Compact-Cassette erschien das Album seinerzeit in den USA auch im dort recht beliebten Format 8-Track-Cartridge. Diese enthält eine exklusive Langfassung von Pigs on the wing, bei dem die beiden Teile durch einen Mittelteil verbunden sind, der ein Gitarrensolo von Snowy White enthält. Pigs on the wing, so ist verschiedenen Quellen, u.a. auch Wikipedia zu entnehmen, sei ursprünglich ein einziger, drei Minuten langer Song gewesen, den man nachträglich auseinandergeschnitten habe, wodurch das Solo entfiel. Dass Snowy White und nicht David Gilmour das Solo eingespielt hat, wird damit begründet, dass man versehentlich ein früheres Solo David Gilmours gelöscht habe, so dass Snowy den wegen Babypause abwesenden Gilmour ersetzen musste.

Dropout im rechten Kanal (unten)
Das halte ich jedoch für reine Phantasie, denn beim Übergang zu Snowy Whites zugegeben schönem Solo ist ein Schnitt deutlich zu vernehmen. Außerdem ändert sich an dieser Stelle entsprechend der doch recht unterschiedlichen Abmischungen der beiden Einzelteile der Sound der Aufnahme. Bei Pigs on the wing 1 spielt nur eine einzige Gitarre und sie steht recht monofon im Center der Stereobasis, bei Pigs on the wing 2 (und nach dem Schnitt) spielen plötzlich zwei Gitarren und die sind auch noch extrem links und rechts aufgestellt. Der Schnitt selbst ist übrigens technisch nicht besonders gut ausgeführt: der rechte Kanal hat an der fraglichen Stelle einen etwa 11 Millisekunden langen Dropout. Klarer Hinweis auf einen damals üblichen 45°-Schrägschnitt des Tapes, der den linken Kanal einen Tick früher einsetzen lässt.

Man kann daher davon ausgehen, dass Pigs on the wing von Anfang an als Zweiteiler geplant und auch getrennt aufgenommen und abgemischt wurde, exakt so, wie es dann auf Vinyl, Cassette und später CD zu hören war und ist. Den Kollegen ist irgendwann, als das Album längst fertig war, bewusst geworden, dass die Tracklist des Albums für die 8-Spur-Cartridge Version etwas ungünstig war. Die Cartridges enthielten nämlich ein Endlos-Tape, das wieder von vorn begann, sofern man es nicht von Hand stoppte. Dadurch liefen jedoch Part 2 und Part 1 immer hintereinander - nicht nur langweilig, sondern auch in der falschen Reihenfolge. Irgendjemand hatte dann vermutlich die Idee, die beiden fertig gemasterten Teile plus ein 35 Sekunden langes Mittelstück (möglicherweise aus einem Outtake) zusammenzukleben. Um den deutlich hörbaren Übergang zu kaschieren und wohl auch, um den Song in der neuen Langversion abwechslungsreicher zu gestalten, benötigte man nur noch ein Gitarrensolo. Gilmour war nicht greifbar, also schnappte man sich Snowy White, der gerade im Studio herumstand. End of story.

Die lange Version mit dem Solo wurde übrigens 1995 auf Snowy Whites inzwischen vergriffenem Sampler "Goldtop" zum ersten und bisher einzigem Mal auf CD veröffentlicht.