Sonntag, 20. Januar 2013

XAO SEFFCHEQUE UND DER REST: Ja - Nein - Vielleicht (1981)

Es ist im Nachhinein wirklich erstaunlich, welche Möglichkeiten sich ambitionierten Musikern Ende der 1970er/Anfang der 1980er boten. Es fanden sich tatsächlich Labels, die offen waren für wirklich neue Formen von Musik und nie wieder gab es wohl in Deutschland einen derart hohen kreativen Output. Es gab sogar vereinzelt Hits, die die etablierte Musikindustrie veranlasste, alles unter Vertrag zu nehmen, das nicht bei drei auf den Bäumen war. Unter dem Label "Neue Deutsche Welle" begann dann schnell der Ausverkauf und alles war vorbei.

Xao Seffcheque gehörte zur Düsseldorfer Punk-Szene um Bands wie Mittagspause, Fehlfarben, Der KFC, Die Toten Hosen etc. und war auch als Journalist bei diversen Musikzeitschriften tätig. Weil ich vor Jahren für das Düsseldorfer "Rondo"-Label einige Songs aus deren Repertoire für einen Label-Sampler remastert hatte, darunter auch einen Song von Xaos erstem Soloalbum "Deutschland nicht über alles", bekam ich Anfang des Jahres eine Mail mit der Anfrage, sein erstes "echtes" Soloalbum "JA - NEIN - VIELLEICHT" für die CD-Erstveröffentlichung zu remastern.

Daher habe ich in den letzten Tagen kaum etwas anderes gehört und muss feststellen, dass diese Musik einfach klasse ist. Die 32 Jahre sind nahezu spurlos daran vorbeigegangen, und es ist erstaunlich, wie frisch alles klingt. Das ist hier bei weitem kein Punk, auch wenn die Herkunft sich in der Grundhaltung niederschlägt, sondern eine ziemlich groovige, locker aber professionell eingespielte Mischung aus Funk, Jazz, Ska, Industrial, Rock und ja: Prog. Eine Assoziation bei mir war spontan Van der Graaf Generator. Aber auch Techno-artige, repetitive Strukturen wurden hier bereits vorweggenommen. Das Album erscheint überwiegend instrumental, klingt auch heute noch avantgardistisch und ist ungemein vielschichtig. Nach mehrmaligem Hören fast hypnotisch, einfach stark.

Anspieltipps gibt es nicht viele im Netz, was wohl auch daran liegt, dass es bislang keine CD davon gibt. Bei YouTube findet sich lediglich das allerdings nicht sehr repräsentative Du und ich.

Ich finde es klasse, dass diese Musik nun wiederveröffentlicht werden soll und ich darf verraten, dass es auch vier zum Teil unveröffentlichte Bonustracks geben wird, die 1981 für eine EP geplant waren, die das "Schallmauer"-Label jedoch so kurz nach dem Album nicht veröffentlichen wollte, darunter auch Solaungidohäng und das Lied vom verlorenen Wort, die man sich eine Zeitlang auf der Rondo-Homepage anhören konnte.


Update 13.2.2017: diesen Eintrag hatte ich vor ziemlich genau vier Jahren geschrieben - die CD ist jedoch bis heute nicht veröffentlicht worden. Allerdings wird am 17.2.2017 ein Sampler namens "Ja, nein, vielleicht kommt sehr gut - A Selection of Electronic Beats 1980-82" beim Hamburger Label "Bureau B" erschienen, der fast alle Stücke dieses Albums enthält. Es fehlen das Dizzy Gillespie-Cover Eine Nacht in Tunesien und der Opener Gute Freunde, letzterer ist jedoch in der englischen, bisher unveröffentlichten Version als Good Friends (mit der unnachahmlichen Julie Jigsaw) dabei. Unveröffentlicht sind ebenfalls die Stücke Julie's in Germany und Unfamous last words (das oben erwähnte "Lied vom verlorenen Wort" mit neuem Titel) dazu fünf weitere elektronische Tracks vom eher satirisch-kabarettistischen Vorgänger-Album "Sehr gut kommt sehr gut". Seit einigen Tagen gibt es auch ein offizielles Video dazu:


Donnerstag, 17. Januar 2013

BIFFY CLYRO: Opposites (2013)


Wahrscheinlich das nächste große Ding, wenn sie sich zusammenreißen.
Erst hab ich gedacht, typische Hype-Band, aber einige Songs dieses Albums haben das gewisse Etwas. Die Musik (wie auch immer man sie klassifiziert) ist eine Mischung aus Foo Fighters, Snow Patrol, Porcupine Tree und Fallout Boy.



Ganz nett ist auch die neue Single Black Chandelier (YouTube).

Der erste Eindruck: Viele Songs sind sich recht ähnlich und insgesamt scheint das Album daher deutlich zu lang.

Muss das aber nach mehreren Durchläufen korrigieren: das Album ist klasse!
Nachteil bei einem 20-Track-Album, das auf 2 CDs aufgeteilt ist: es dauert, bis man alle Songs überhaupt zur Kenntnis nimmt. Und Biffy Clyro haben einige Perlen ganz ans Ende gepackt, darunter auch einige sehr schöne ruhige Stücke.

Besonders der Opener Different People gefällt mir ausnehmend gut wegen des starken Kontrastes - ruhiger Anfang (passt gut zum Hipgnosis-mäßigen Cover) und hektisches Ende. Auch der sich abwechselnde 7/8-8/8 -Takt ist toll gemacht. Weitere Anspieltipps: Trumpet Or Tap und The Thaw (beide im 6/8), das anfangs sphärische The Fog, das am Ende unglaublich Krach macht, andere Kracher wie das schon im letzten jahr als Single veröffentlichte Stingin Belle, sehr schön auch Spanish Radio mit seinen spanischen Trompeten und einem 5/4-Takt, Pocket könnte eine weitere Single werden, das etwas bombastische Skylight mit schönen Synthies oder mein derzeitiger Favorit Accident without Emergency.

Bis jetzt schon mal klar das Album des Jahres!

Auf jeden Fall sollte man die 2CD/1DVD-Version bevorzugen. Vor allem, weil Accident without Emergency in dem Single-Album nicht enthalten ist, aber auch die anderen zusätzlichen Songs sind allesamt gut und die Aufteilung in zwei Mal 10 Songs mit Pause zum Wechseln trägt zur Entspannung bei. Die CDs haben eigene (Unter-)Titel: "The Sand at the Core of Our Bones" und "The Land and the End of Our Toes" (beides Zitate aus dem Refrain von Sounds Like Balloons, dem dritten Song). Ursprünglich war geplant, die beiden CDs mit diesen Titeln einzeln rauszubringen. Musikalisch lässt sich nicht wirklich ein Gegensatz ("Opposites") erkennen, beide CDs klingen wie aus einem Guß.
Die DVD ist allerdings verzichtbar. Sie zeigt nur kurze Musikausschnitte und enthält ansonsten viel Gelaber aus dem Studio und Übungsraum von Band und Produzent. Wer gern breitesten Schottischen Akzent hört, wird jedoch seine Freude haben.

Montag, 7. Januar 2013

STRAWBS - Deep Cuts (1975/2006)

Unlängst habe ich die fehlenden Alben meiner frühen Lieblingsband STRAWBS geordert. Das sind vor allem die, die seinerzeit nicht bei A&M erschienen waren. Die beiden Polydor/Oyster-Alben "Deep Cuts" und "Burning For You" von 1976 und 77 sind nun angekommen und nach vielen Jahren hab ich erstere mal wieder hören dürfen.

Nach einer Serie von vier superben Prog-Folkrock-Alben nacheinander - "Grave New World", "Bursting At The Seams" (mit dem Single-Überhit Part Of The Union), "Hero and Heroine" und "Ghosts" (1972-75) - war das ebenfalls noch 1975 eingespielte "Nomadness" leider ein ziemlicher Flop, der die Band um den charismatischen Singer/Songwriter Dave Cousins den Plattenvertrag kostete. Das neue Label muss wohl einen Hit verlangt haben, jedenfalls ist der Opener I Only Want My Love To Grow In You extrem poppig, aber eben auch gut gemacht. Leider fiel in meiner Erinnerung der Rest des Albums immer stark ab - was ich beim Wiederhören der CD jetzt weitgehend revidieren musste. Sicher ist die Scheibe näher am "Classic Rock" als am Folkrock, aber Prog-Anleihen gibt es noch oft genug und Cousins schafft es immer wieder, seine Stimme dramatisch klingen zu lassen, wobei er hier nur selten in das Pathos der Anfangstage verfällt.

Das Album gab es schon mehrfach auf CD, von BGO gab es auch beide Oyster-Alben im Doppelpack - mit dem üblichen, kastrierten Cover. 2006 ist es erstmals remastert auf dem bandeigenen Witchwood-Label erschienen und hat einen guten Bonustrack - das von Gitarrist Dave Lambert geschrieben und gesungene You Won't See The Light, das dem Album gut zu Gesicht gestanden hätte. Lambert hatte auf den Vorgängeralben immer mindestens einen eigenen Song unterbringen können - warum dieser hier gescheitert war, ist kaum nachvollziehbar. Die anderen Songs sind hier meist von Cousins/Cronk geschrieben - damals ein Novum, hatte Cousins bis dahin doch eher allein komponiert. Vielleicht auch eine Vorgabe der Plattenfirma, leider gibt es keinerlei Erklärtext im Booklet - immerhin sind die Texte dabei.

"Burning For You", das Nachfolgealbum, hatte ich insgesamt noch besser in Erinnerung - mal sehen, ob das noch stimmt. An die oben genannten magischen Vier kommt allerdings sowieso keines so schnell ran.