Freitag, 13. März 2015

STEVE HACKETT - Wolflight (2015)

Nach vier Jahren veröffentlicht Steve Hackett ein Album mit neuem Material und man durfte vorab gespannt sein, ob die höchst erfolgreiche Phase seines Retrospektiv-Albums "Genesis Revisited II", mit dem er in den letzten Jahren unterwegs gewesen war, auf seinen Stil Einfluss nehmen konnte. Um es vorweg zu nehmen: nur ganz gelegentlich sind hier Genesis-artige Stilelemente zu vernehmen, das Album folgt mehr oder weniger der Linie von "Out of the tunnel's mouth" (2009) und "Beyond the shrouded horizon" (2011).

Das Album beginnt dem Titel entsprechend mit Wolfsgeheul und der Opener Out of the body entpuppt sich dann als eine Art Ouvertüre; eine kurze instrumentale Einleitung mit vielleicht etwas zu süßlichen Geigenklängen.

Der Titelsong Wolflight kommt danach als erster Longtrack in recht abwechslungsreichem Gewand. Hier gibt es schon die hymnisch-programmatische Quintessenz des Albums - klassische Klänge von Nylongitarre und Orchester vermischt mit exotischen Saiteninstrumenten, fetten Chören, knalligen Drums (im Marschmusik-Gewand) und tollen Gitarrensoli. Die Musik beschreibt einen weiten Spannungsbogen über einem bisweilen etwas finsteren Arrangement, das das Stück auch gut als Filmsoundtrack tauglich machen würde.
Ab 6:05 min wird zweimal ein Thema von Fire On The Moon aus seinem 2009er Album "Out Of The Tunnel's Mouth" zitiert. Als ich die Gelegenheit hatte, Hackett zu fragen, welchen Grund er für dieses Selbstzitat hatte, gab er sich ahnungslos und meinte, dass dies eventuell seinem Alter geschuldet sei... - Wie auch immer: die Melodie stimmt 1:1 und auch die Tonart ist identisch. Kann man sich HIER anhören - die gesungenen Parts von Fire On The Moon und die Sologitarre von Wolflight wechseln sich in dem Soundclip ab.

Love song to a vampire beginnt mit einem feinen Intro auf der Nylongitarre und fast ist man überrascht, Steves Stimme mal ganz allein und ohne große Effekte zu hören, da setzt auch schon der übliche vielstimmige Chor ein, in dem sein Gesang dann auf- bzw. untergeht. Als Refrain gibt es auch hier wieder einen "Aaaah"-Chor, auch den gab es schon so ähnlich bei Fire on the moon, hier ist er jedoch deutlich weniger prägnant und vordergründig, weil der Song insgesamt eher verhalten daherkommt. Bemerkenswert ist das wunderschöne Gitarrensolo im typischen Hackett-Signature-Stil. Ab Minute 7 wird es dann zunächst klassisch - ein Orchester spielt sich kurz in den Vordergrund, danach wird es kurz etwas lauter - Steve deutet an, dass er auch im Alter noch flinke Finger hat - bevor es dann hymnisch ausklingt.

The wheel's turning beginnt mit einem seltsamen 2/4-Takt und Kirmesmusik, dazu murmelt Hackett leise "There is no Schadenfreude here", danach beginnt der eigentliche Song, den man ja schon vom Video kennt. Hier jedoch die Langversion, die der allzu poppigen Videofassung doch einige proggige Ecken und Kanten entgegensetzt. Das Orchester fügt sich hier gut ein, manchmal fühlt man sich an die sperrigeren Momente von "Voyage of the Acolyte", seinem Debutalbum von 1975 erinnert. Beim Gesang ist man jedoch schnell wieder in der Gegenwart, bzw. seiner jüngeren Vergangenheit. Die Gitarrensoli am Schluss zählen zur Extraklasse, werden jedoch fast ein wenig zu früh mit den Kirmesklängen kreuzgeblendet.

Corycian fire beginnt mit exotischen Instrumenten über einem dumpfen Dröhnen, fast wie von einem Hubschrauber, anschließend setzt ein traditionellen Streichquartett einen unerwarteten Kontrapunkt. Schwere Drums und verzerrter Gesang sorgen danach für einen erneuten Spannungsbogen, immer wieder unterbrochen von fernöstlichen Einwürfen. Mit Orff-artigen Chören, die sich zu einem schönen Höhepunkt hinaufschrauben, endet das Stück dann recht abrupt.

Earthshine ist dann ein schöner Kontrast in Form eines tollen Nylon-Solostücks. Manchmal glaubt man, hier Teile der Überleitungen, mit denen er früher gern die Einzelteile seiner Acoustic-Medleys verbunden hat, wiederzuerkennen. Aber hier geht es nicht darum, Fingerfertigkeit zu demonstrieren; das Stück ist vielmehr auskomponiert, gut strukturiert und steht in einer Reihe seiner besten Werke für Klassische Gitarre.

Loving sea klingt stark nach Crosby, Stills & Nash. Zwei Akustik-Gitarren mit schnell geschlagenen Country-Akkorden und feiner, durchgehend mehrstimmiger Gesang wird nur hier und da von rückwärts eingespielten E-Gitarren durchkreuzt.

Mit Black thunder folgt dann der letzte Longtrack des Albums. Das Schwergewicht beginnt mit düster-stampfendem Rhythmus, wieder leicht verzerrtem Gesang. Der Titel passt exakt zur finsteren Atmosphäre dieses Stücks. Am Schluss darf Rob Townsend ein schönes Klarinettensolo beisteuern.

Dust and dreams ist eine seltsame, instrumentale Mixtur aus fernöstlicher Laute und den entsprechenden Harmonien dazu auf einem recht soliden Reggae-Rhythmus - allerdings nur bis etwa zur Hälfte des Songs, dann wird es wieder "Black thunder"-artig finster. Obendrauf liegt dann ein weiteres großartiges Gitarrensolo.
In diesem Song finden sich zwei weitere Selbstzitate: die Melodie der Sologitarre ab 1:48 min findet sich ursprünglich direkt zu Beginn seines "klassischen" Albums "Metamorpheus" (2005), etwa 18 Sekunden im Stück The Pool of Memory and the Pool of Forgetfulness. Und das donnernde Schlagzeug in der zweiten Hälfte basiert offensichtlich auf einem Sample aus Valley of the Kings (aus dem Album "Genesis Revisited", 1996).

Der Übergang zu Heart song gelingt fast unbemerkt, da Rhythmus und Gitarrensolo praktisch unverändert bleiben, danach kommt ein dem Finale angemessener Gesang. Der Text ist kurz und enstpricht einem harmlosen Liebeslied, fast würde man sich wünschen, hier mal keinen Chor hören zu müssen, aber das entscheidende Resümee "let me find a way to love you" singt Hackett dann tatsächlich allein und erstaunlich souverän. Seine Gitarrenlinie im Hintergrund klingt ähnlich wie das Jingle-Jangle, das er vor Ewigkeiten zu einem anderen Finalsong, nämlich Afterglow beigesteuert hat. Auch ein "Aaah"-Chor und die typischen Akkordprogressionen à la Tony Banks dürfen nicht fehlen. Ich denke, diesen hübschen kleinen Song hat er in seinem typisch-britischen Humor mit der Zunge in der Backe geschrieben. Leider beginnt schon nach weniger als zweieinhalb Minuten die gemächliche Ausblende, mit der ein weiteres, schönes Gitarrensolo im Nichts verklingt.


Trotz der durchaus bekannt vorkommenden Formel hat Steve Hackett hier ein ambitioniertes Album vorgelegt, das mit viel Liebe zum Detail aufgenommen, jederzeit frisch und interessant erscheint. Besser noch als beim Vorgänger "Beyond the shrouded horizon" sind ihm hier einige wirklich große Würfe gelungen. Zudem gibt es keinen einzigen Schwachpunkt, immer wenn man gerade befürchtet, dass es im nächsten Moment vielleicht doch zu glatt und konventionell werden könnte, kriegt Hackett im richtigen Augenblick die Kurve und findet einen überraschenden Ausweg. Einige Arrangements scheinen hier und da vielleicht ein wenig zu bombastisch, zu dick aufgetragen. Das mindert jedoch nicht das Hörvergnügen und man freut sich schon auf den nächsten Durchlauf.