Dienstag, 29. Juli 2014

Technobabble: Pimp my CD-Player

Mittlerweile kann man schon für ein ehemaliges Massenprodukt wie den CD-Player nostalgische Gefühle entwickeln, denn es werden offenbar keine mehr produziert. Bei Amazon gibt es derzeit unter dem Suchwort "CD-Player" gerade noch eine handvoll Produkte als Neuware für den HiFi-Bereich, von denen das jüngste Modell (ein Denon) schon mehr als zwei Jahre auf dem Markt ist.
Diese Beobachtung habe ich zum Anlass genommen, meinem inzwischen 19 Jahre alten Denon DCD-625 eine kleine Frischzellenkur zu gönnen. Nach wie vor finde ich den Player klasse - besonders seine Zehnertastatur. Denn da ich oft einzelne Tracks aus CDs spiele, ist es echt praktisch, nach dem Einlegen einer CD in die Schublade direkt auf die Tracknummer zu drücken. Dann schließt er die Schublade und spielt sofort den gewünschten Song, ohne sich mit dem Inhaltsverzeichnis aufzuhalten. In der entscheidenden Disziplin Zugriffsgeschwindigkeit schlägt er daher meinen Pioneer BDP-440 Kombiplayer um Längen und ist so immer noch erste Wahl bei CDs. Dass der Player einen möglicherweise nicht mehr ganz aktuellen Delta-Sigma 20 Bit - 8fach Oversampling D/A-Wandler an Bord hat, spielt für mich keine Rolle, denn er ist per SPDIF coaxial an meinen erst zwei Jahre alten Onkyo-A/V-Receiver angeschlossen - ich nutze ihn also nur noch als Laufwerk.


Leider hatte er zuletzt angefangen, etwas zu schwächeln. Manchmal dauerte es deutlich länger als normal, bis das TOC einer CD angezeigt war und bei einigen Selbstgebrannten kam es auch gelegentlich zu Abspielfehlern. Klare Anzeichen dafür, dass die Laserdiode am Ende ihrer Lebensdauer angekommen war. Vermutlich hatte zuletzt nur noch die Fehlerkorrektur dafür gesorgt, dass die meisten CDs abspielbar blieben, aber dass sich das alsbald dramatisch verschlechtern würde, war mir klar.

Zum Glück hatte ich mich damals für ein Markengerät eines renommierten Herstellers entschieden, für das auch nach 19 Jahren noch problemlos Ersatzteile zu bekommen sind. Eine neue Lasereinheit (übrigens von Sony) kostet bei Ebay knapp unter 35 € und ein neuer Antriebsriemen für die Schubladenmechanik war für 3,50 € auch noch drin. Der Wechsel der Einheit hat nicht mal zwei Minuten gedauert, allerdings brauchte ich eine Stunde, um erst einmal herauszufinden, wie weit ich das Laufwerk überhaupt zerlegen musste. Aber ich hatte am Ende wider Erwarten doch keine Schraube übrig, und jetzt spielt er wieder wie am ersten Tag - und hält jetzt hoffentlich nochmal 19 Jahre.

Sonntag, 27. Juli 2014

Technobabble: Eine Lanze für die Blu-Ray

Gegen das Blu-Ray-Disc-Format (BD) kann man sicherlich problemlos Einwände finden:
Zum Beispiel hat es leider einen üblen Kopierschutz sowie die völlig unnütze "BD-LIVE" Funktion, die der Player zum Ausspähen des Userverhaltens missbraucht. Das ist nachgewiesen. Das Ziehen des Netzwerksteckers oder das Deaktivieren der Funktion (sofern überhaupt möglich) quittieren manche Spieler mit Streik oder Nag-Screens.

Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand:
Blu-ray hat durch die etwa vierfache Pixelzahl gegenüber der sog. Standard-Definition (SD), wie wir sie von der DVD und vom digitalen Fernsehstandard DVB kennen, auch auf kleineren TVs die deutlich sichtbar bessere Full-HD-Auflösung. Mittlerweile sind auch kleinere TV-Geräte Full-HD-tauglich, das früher verbreitete "HD-Ready" gibt es bestenfalls noch auf dem Gebrauchtmarkt. Wichtig ist allerdings, dass die TV-Geräte unbedingt auf "Just Scan" oder "no Overscan" gestellt werden, denn sonst werden ca. 6% des Videobilds an den Rändern abgeschnitten unter deutlichem Schärfeverlust durch die damit verbundene Skalierung.

Neben der prinzipbedingten geringeren Auflösung leiden DVDs außerdem an der relativ geringen Maximaldatenrate von ca. 9,5 Mb/s, die sich sämtliche Ton- und Untertitelspuren mit der Videospur teilen müssen (auch die, die gerade nicht genutzt werden). Bei üblicherweise drei oder mehr Sprachspuren und noch mehr Untertitelsprachen bleibt in der Regel zuwenig Datenrate für schnell bewegte Videoinhalte übrig, was oft zu sichtbaren Bildartefakten (den typischen "Klötzchen") führt. Das ist bei Blu-ray kein Problem mehr, auch schon, weil effektivere Videocodecs als das betagte MPEG II der DVD verwendet werden dürfen.

Es gibt aber noch weitere Vorteile der BD wie die 3D-Fähigkeit (davon habe ich schon als Kind geträumt, seit es damals die ersten Versuchssendungen in Rot-Grün-3D im Fernsehen gab). Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Fähigkeit, Kinofilme mit 24 Bildern pro Sekunde, also exakt demselben Tempo wie im Kino abzuspielen. Auf europäischen DVDs (PAL-System) laufen alle Kinofilme mit 25 Bildern pro Sekunde, werden also etwa 4% schneller abgespielt. Erst in jüngerer Zeit wird die daraus resultierende hörbare Tonerhöhung um etwa einen Viertelton nach oben (worunter insbesondere Musikfilme gelitten haben) durch entsprechendes Processing kompensiert. Zu schnell laufen die Filme dennoch.

Mittlerweile scheint sich das Format auch auf dem Nischenmarkt Hires-Audio durchzusetzen. Die bislang verfügbaren Formate SACD und DVD-Audio sind nicht zuletzt auch deshalb gescheitert, weil es dafür neue Player brauchte, deren Mehrwert nur darin bestand, diese Formate abspielen zu können. Ein BD-Player kann aber hochauflösendes, unkomprimiertes Audio auch in der preiswertesten Standardversion abspielen - so definieren die neuen Marketing-Initiativen "PureAudio Blu-Ray" und "High Fidelity Pure Audio" keine neuen Formate, sondern sind vollkompatible Varianten des normalen Blu-Ray Standards.Ob dieser Tonträger langfristig die CD ablösen wird, ist jedoch keine Frage, denn die CD ist bereits längst abgelöst und das Ende der BD kommt in einigen Jahren unausweichlich, spätestens wenn in jedem Wohnzimmer ein 4k-Fernseher steht.

Besitzer einer gut durchmischten Sammlung aus BD, BD-3D, DVD-V, DVD-A, SACD und CD, sowie deren gebrannter Derivate müssen nicht verzweifeln, denn derzeit gibt es ausreichend gut funktionierende Kombiplayer für sämtliche Formate (ein Oppo muss es nicht sein, der Pioneer BDP-450 tut es für 260 € auch - aber bitte nicht den Vorgänger BDP-440 nehmen, der ist leider Murks!).

Montag, 21. Juli 2014

JETHRO TULL - A Passion Play (1973/2014)

Die Neuausgabe der klassischen Jethro Tull-Alben schreitet weiter voran. Nun liegt also "A Passion Play" in überarbeiteter Edition vor. Die schmucke Box trägt den Untertitel: "An Extended Performance" - was sich auf die ebenfalls enthaltenen Chateau d'Herouville-Sessions bezieht.

Abb.: Parlophone/Warner Music
Wie gewohnt ist die Abmischung unspektakulär großartig - Steven Wilson geht wie immer sehr behutsam vor und schafft den Spagat, den Altsound nicht allzu stark zu verändern und trotzdem die neuen Möglichkeiten durch das erweiterte Panorama zu nutzen.

Bei mir hat es dazu geführt, dass ich das Album erstmals tatsächlich genießen konnte, denn plötzlich ist durch den Wilson-Mix eine klare Struktur erkennbar. Vorher fand ich einfach keinen Zugang dazu, gar nicht mal, weil es etwa zu sperrig gewesen wäre, sondern weil es hier zuwenig zu geben schien, was im Gedächtnis bleiben konnte. Scheinbar fehlen "A Passion Play" für ein Werk dieser Länge die offensichtlichen Themen, die einen Wiedererkennungseffekt bewirken konnten. So gibt es bei vergleichbaren Konzeptalben ja oft ein Eingangsthema, das sich dann auch am Ende wiederfindet. Solche Elemente sind bei "A Passion Play" tatsächlich schwieriger auffindbar, aber es gibt sie, verborgen unter einem Überangebot an Ideen, die hier dazu führen, dass viele davon einfach so verpuffen, weil sie nur kurz angerissen werden und dann, von der nächsten gejagt, verschwinden und nie wieder kommen. Soviel Kreativität nutzen andere Bands für vier oder fünf Alben. Umso erstaunlicher, wenn man sich die interessante Entstehungsgeschichte des Albums zu Gemüte führt, die im Booklet ausführlich beschrieben wird - wird da doch erst klar, dass es in nur wenigen Tagen komponiert und eingespielt wurde - obwohl bei den vorhergehenden Sessions in Frankreich eigentlich bereits genug Material erarbeitet worden war, hatte man praktisch nochmal bei Null angefangen.

Die Tapes der Chateau d'Herouville-Sessions sind daher auch die eigentliche Überraschung des Gesamtpakets. Erstmals sind sie vollständig und in der korrekten Reihenfolge - endlich enthalten nun auch die Urversion von Skating away on the thin ice of the new day - immer schon mein Tull-Lieblingssong. Lediglich die Nonsense-Geschichte vom Hare who lost his spectacles, die seinerzeit für "A Passion Play" übernommen und überarbeitet wurde, konnte nicht wieder in den Chateau-Urzustand rückversetzt werden. Befreit von den zusätzlichen Flötentönen und der kitschigen Soundanmutung der späten 1980er Jahre, die für die Erstveröffentlichung der meisten Stücke auf diversen Samplern in dieser Zeit hinzugefügt worden waren, sind die Sessions jetzt erstmals wirklich anhörbar - und erstaunlicherweise gar nicht unbedingt schlechter als das eigentliche Album! Wilsons Ziel war, die Sessions so klingen zu lassen wie das reguläre Album - das ist ihm vollauf gelungen und so macht es Spaß, Album und Sessions direkt hintereinander zu hören.

Design und Ausstattung des Pakets sind vorbildlich, ebenso die Auswahl der Fotos und Memorabilia. Die Texte sind ausführlich und interessant - gut, auf die zwei Seiten mit den Tourdaten 1974 hätte ich verzichten können, aber das war es auch schon, was ich hätte kritisieren können. Schön auch, dass es im selben Format wie die Neuausgabe von "Thick as a Brick" kommt, so stehen die beiden Deluxe-Editionen nett beieinander im Regal. Schade nur, dass nicht auch "Aqualung", "Benefit" und "Stand Up" in diesem Format erschienen sind.

Donnerstag, 10. Juli 2014

MIKE OLDFIELD - Remasters/Remixes 2009-2013

Ich muss vorausschicken: Wie bei so vielen anderen Artists oder Bands habe ich auch meine Begeisterung für Mike Oldfield verloren, in dem Augenblick als er kommerziell erfolgreich wurde. 

Etwa 1977/78 hatte ich die "Boxed" gekauft, ein 4LP-Set, bestehend aus den ersten drei Alben "Tubular Bells", "Hergest Ridge" und "Ommadawn", sowie eine LP "Collaborations" mit Single-Tracks und anderen Obskuritäten. Diese drei Alben werden für mich immer eine herausragende Bedeutung haben, weil sie es immer wieder schaffen, mich in diese Zeit zurückzuversetzen und davon abgesehen einfach großartig und völlig außergewöhnlich waren und sind. Vergleichbares zu Oldfield gab es bis Ende der 1970er Jahre nicht.

1979 hatte ich in der Philipshalle in Düsseldorf ein fabelhaftes Konzert seiner allerersten Tour gesehen, leider bestand die Hälfte der übersichtlichen Setlist aus seinem damals aktuellen Album "Incantations", das nach drei Jahren Pause zwar nicht schlecht war, jedoch die fließenden Übergänge seiner Vorläufer vermissen ließ. Stattdessen wurde oft abrupt von einem Part in den anderen gewechselt, was mir nicht so gut gefiel.
Auch die folgenden vier Alben "Platinum", "QE2", "Five Miles Out" und "Crises" hab ich als Fan noch mehr oder weniger begeistert mitgemacht, mir war aber schon klar, dass es den "alten" Oldfield nicht mehr geben würde. Mit Moonlight Shadow war dann Schluss bei mir - ein perfekter Popsong, den ich anfangs toll fand, der dann aber leider ein Superhit wurde und 1983 dermaßen totgedudelt wurde, dass ich ihn nicht mehr ertragen konnte.

Ich hatte danach immer mal gelegentlich reingehört, was dann so kam. "Amarok" schien ganz interessant zu sein, war aber noch stärker (und härter) zusammengestückelt als "Incantations" - dazu fand ich keinen Zugang. Dann kam "Tubular Bells II", das ich nur noch ärgerlich und peinlich finden konnte. Das war nichts anderes als ein Selbstplagiat, kalkuliert und schamlos - hat sich ja auch wie blöd verkauft. Es kam mir immer vor wie ein schlechter Witz, so als hätte er "Tubular Bells" 1 parodieren wollen. Alle Elemente sind deckungsgleich aufgebaut und arrangiert, nur die Melodien weichen leicht voneinander ab. So ähnlich funktionierte auch damals die Beatles-Persiflage "The Rutles" von Eric Idle und Neil Innes.
Gelohnt hat es sich vermutlich, denn nach einer Serie schlecht verkaufender Alben hat er mit "Tubular Bells II" nochmal gut abgesahnt. Ist doch nett, dieselbe Idee nochmal verkaufen zu können nach so langer Zeit. Bei "Tubular Bells III" ein paar Jahre später haben dann wohl auch die beinharten Fans gemerkt, was hier los war und die "Millennium Bell" war dann nur noch peinlich. "Tubular Bells 2003" hat mich dann doch nochmal interessiert, weil hier ja nicht der Versuch gemacht wurde, Innovation vorzugaukeln, aber das Album war für mich ebenfalls eher eine Enttäuschung, weil kaum etwas übrig war vom Charme des Debuts. Über weite Strecken klang es wie eine schlechte Coverversion eines anderen Künstlers. Wenigstens der 5.1-Mix hat halbwegs Spaß gemacht, Mike hat alle Instrumente im Raum herumkreisen lassen, danach saß man schwindelig gespielt an seinem Sweet Spot. Allerdings fand ich das Ergebnis letztendlich auch nicht wirklich überzeugend, denn ohne diese ganzen kleinen Fehler der Originalversion verlor die Musik ihren Reiz, die 2003er Version war technisch einfach zu perfekt.

Oldfield hatte "Tubular Bells" (das Original) unter schon sehr speziellen Umständen aufgenommen. Er hatte damals im "Manor"-Landsitz, in dem sich auch die damals zum Teil noch im Bau befindlichen Studios von Virgin Records befanden, ein Zimmer bezogen und immer an dem Album gearbeitet, wenn sonst niemand im Studio war. Dadurch war es natürlich Stückwerk und wenn man die Berichte und seine (übrigens sehr lesenswerte) Autobiografie liest, ist auch einiges dabei gehörig schief gegangen, aber mich störte das nie; es hat bis heute einen unerreichten Charme und auch eine erstaunliche Spontaneität, die man bei einem Overdub-Kunstwerk dieser Größenordnung ansonsten kaum erwarten kann.

Übrigens war Oldfield vor seiner Solokarriere längere Zeit als Bassist von Kevin Ayers' Band "The Whole World" unterwegs, versteht also durchaus sein Handwerk. Auf "Tubular Bells" spielt er auch ziemlich anspruchsvolle Sachen - etwa beim Finale von Part 1 wird die ganze Zeit die Gitarre mit ihren schnellen 16teln gedoppelt. Ich habe mal versucht, das auf dem Bass nachzuspielen, schaffe das aber gerade mal drei oder vier Takte lang und das hat dann mit Präzision nichts zu tun.

Gekauft hatte ich mir 2007 die SACD von "Tubular Bells" mit dem genialen Quadro-Mix von 1975: 
Hier stimmt einfach alles - dass es nix im Center und Subwoofer gibt, macht nix. Die Instrumente sind sehr gut verteilt und die Aufnahme ist klar und transparent wie nie. Auch der Rundgang durch das Manor-Studio vor Sailor's Hornpipe ist mit drauf und hier machen Vivian Stanshall und die Jecken wirklich einen Rundgang - einmal rum um den Sweet Spot. Teil 2 ist dadurch gut drei Minuten länger als auf den "normalen" CDs. Der CD-Layer enthält die 25th Anniversary-Version. Diese wäre also entbehrlich, wenn das schöne Booklet im Pixibuchformat nicht wäre - das von der SACD kann man getrost vergessen. Statt eines Booklets gibt es hier nur einen Pappschuber mit drei losen Blättern drin. Wenigstens eins davon ist jedoch sehr interessant, enthält es doch einen Bericht von Phil Newell über die merkwürdigen Umstände beim Zustandekommen des Quadro-Mixes.

Die Quadro-Mixes von "Hergest Ridge" und "Ommadawn" waren jedoch nirgendwo in Sicht, auf eine SACD-Ausgabe wartete man vergebens. In der Zwischenzeit war es einigen Soundfreaks jedoch gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, Quadrofonische Aufnahmen, bei denen die vier Quad-Kanäle auf zwei Stereo-kompatible Kanäle per Phasen-Matrix verteilt waren, digital zu extrahieren. Also besorgte ich mir die CD-Erstausgabe von "Boxed", von der bekannt war, dass sie die originalen, unveränderten Quadro-Masters enthielt. Nachdem mein PC mehrere Tage und Nächte lang durchgelaufen war, hatte ich schließlich eine selbst gebrannte quadrophonische DVD-Audio in der Hand, die heute noch zu meinen am häufigsten gespielten Multichannel-Tonträgern gehört.

Nur wenige Jahre später wurde dann Mike Oldfields Wechsel von Warner zu Universal bekannt gegeben. Universal hatte mit seiner "Deluxe Edition"-Serie bereits Maßstäbe gesetzt und als verkündet wurde, dass Oldfields Alben in diesem Format nach und nach neu erscheinen würden, war die Freude groß. 

Die Rezensionen, die ich zwischen 2009 und 2014 anlässlich der jeweiligen Releases geschrieben hatte, sind hier ohne große inhaltliche Änderungen zusammengefasst:


Die Remasters 2009-2013

Abb.: Amazon
Als erstes wurde, natürlich, "Tubular Bells" neu veröffentlicht, zusätzlich zur "normalen" und "Deluxe Edition" auch in einer "Ultimate Edition" Box im Großformat, die außer einem neuen Surround-Mix auch eine Vinyl-LP enthielt. Mich hat natürlich zuerst die DVD mit dem 5.1 Remix interessiert - hier muss ich sagen: spektakulär! Fantastisch ist noch untertrieben. Kein Vergleich zur SACD mit dem Original Quad-Mix. Schade, dass es nur Dolby Digital und kein dts gibt, aber die Klangqualität ist auch so hervorragend. Eine bessere, knalligere Version vom Caveman hatte ich bis dahin noch nie gehört.
Und Mike Oldfield's Single in Surround ist ebenfalls Gänsehaut-produzierend schön.
Leider wars das auch schon auf der Plus-Seite.

Die vielen Minusse:
- DVD kein dts (schon erwähnt), eine nervige Computeranimation der "Bell" als Videospur (Glocke rotiert in immer demselben, etwa 5 sec langen Loop vor einem sich etwa alle 5 min änderndem bewölkten Himmel).
- Tubular Bells part one live at 2nd House (BBC) hatten wir schon auf der Elements-DVD.
- Die Vivian-Stanshall-Version von Sailor's Hornpipe ist einfach hinten dran geklebt und wird ausgeblendet, bevor das eigentliche Sailor's Hornpipe beginnt.
- Der 2009er Stereo Remix von Tubular Bells klingt leider nur gelegentlich besser als der Originalmix und leidet vor allem an der stark eingeschränkten Dynamik. Zuvor leise Passagen sind jetzt erheblich lauter, was auch den Klangvergleich erschwert (ich musste ständig nachregeln).
- Auch das Remaster des Originalmix' kann mit der 25th Anniversary Edition leider nicht mithalten in Sachen Klarheit und Transparenz.
- Die Demo-CD: OK, ganz interessant für Freaks wie mich, aber klanglich eine einzige Katastrophe. Streckenweise fehlt der rechte Kanal bei Tubular Bells (long) und auch ansonsten gibt es jede Menge Dropouts, Verzerrungen und sonstige Störungen. Bis auf Entrauschen hat man sich hier wohl das Restaurieren gespart. Damit reduziert sich der Wert dieser CD auf "historisch". Frage mich allerdings ernsthaft, wie er damals geschafft hatte, mit diesen Demos Richard Branson zu überzeugen.
- Das Vinyl: Vollkommen überflüssig (wie immer in solchen Verpackungen: treibt nur die Produktionskosten in die Höhe).

Fazit: Was soll ich sagen - irgendwie bin ich froh, doch nicht die 67 Euro dafür ausgegeben zu haben, obwohl das Buch darin mit den Screenshots von Mikes Nuendo-Session schon wirklich klasse aussieht. Andererseits sind die beigelegten Memorabilia-Repliken nicht der Rede wert und die Geschichte hinter "Tubular Bells" steht auch in der 25th Anniversary Edition.
Für den Komplettisten fehlt allerdings auch die Quad-Version (die gibts zwar auf SACD, hätte aber noch gut mit auf die DVD gepasst), sowie die Orchestral Version von 1974.


"Hergest Ridge" (3-Disc-Deluxe Version 2010):

Abb.: Amazon
Fantastisch, dass er sich nun entschieden hat, doch einige der Instrumentenspuren zu belassen, die er für die SQ-Quadro-Abmischung 1976 (die bekanntlich Master war für alle späteren Veröffentlichungen) verworfen hatte. So ist der Klangeindruck deutlich näher am Originalmix von 1974, jedoch sind z.B. die Chöre fast genau so deutlich zu hören wie im Quad-Mix. Hat das Beste draus gemacht, der Gute! Sogar an das Cover kann man sich schnell gewöhnen, zumal das Originalcover im Booklet sogar mit Rückseite seitenfüllend abgebildet ist. Der Klangunterschied zwischen den Quad-Mixen und der Neu-Surroundabmischung ist riesig - das war schon bei Tubular Bells letztes Jahr zu hören. Plötzlich klingt alles viel klarer und sauberer definiert, natürlich ist auch die Kanaltrennung besser und die Ortung eindeutiger.

"Hergest Ridge" fand ich früher immer deutlich schwächer als "Tubular Bells" und "Ommadawn"; dem geneigten Hörer erscheint es noch introvertierter als die beiden anderen Alben und besonders auf Seite 2 auch erheblich repetitiver und, ja: langweiliger. - Fakt ist jedoch (und das habe ich erst Jahre später gelernt), dass die "Boxed"-Version, die ich kannte, eine Neuabmischung war, die sich - anders als die beiden anderen Alben, bei denen es in erster Linie darum ging, die vier Quadro-Kanäle zu füllen - durch radikales Weglassen vieler Instrumente, Stimmen und anderer Elemente "auszeichnete", die die Originalversion erst abwechslungsreich und interessant gemacht haben. Oldfield hatte damit wohl auf die seinerzeit häufig geäußerten Kritiken reagiert, "Hergest Ridge" sei nur ein völlig überproduzierter Abklatsch seines Debuts gewesen. Anders als bei seinen anderen Alben hatte er nach dem Erscheinen von "Boxed" verfügt, dass jede spätere Veröffentlichung von "Hergest Ridge" ausschließlich im "Boxed"-Mix erfolgen durfte. Der Original-Stereo-Mix erschien somit erst mit der Deluxe Edition 2010 zum ersten Mal wieder und zum ersten Mal überhaupt auf CD, dafür ist die "Boxed"-Version nun nach 35 Jahren out-of-print.
Ich denke, man sollte daher erst über das Album urteilen, wenn man auch den Originalmix oder die Neuabmischung von 2010 gehört hat. Inzwischen gibt es die folgenden Versionen, die alle ihre Vorzüge und Nachteile haben:

1. 1974 Original Stereo Mix (UK-Vinyl-Erstauflage und 2010 Deluxe Edition, sowie "Back to black"-Vinyl-Edition)
2. 1976 "Boxed"-Version (stripped-down-Quad-Remix, "Boxed" und alle späteren Vinyl- und CD-Versionen, außer 2010 Veröffentlichungen)
3. 2010 New Stereo Remix (2010 Veröffentlichungen; das ist in etwa ein Kompromiss aus "Boxed"- und Originalversion)
4. 1974 Demo Version (2010 Deluxe Edition; das ist natürlich eine ganz andere Aufnahme)
5. 2010 New 5.1 Surround Mix (2010 Deluxe Edition - mein persönlicher Favorit)


"Ommadawn" (3-Disc-Deluxe Version 2010): 

Abb.: Amazon
Interessanterweise ist der Unterschied zwischen der neuen 5.1-Abmischung und dem Quadrophonie-Mix von 1976 nicht so groß wie erwartet. Klar ist natürlich auch diese Neufassung sauberer, transparenter und präsenter, die Aufteilung der Instrumente und ihre Balance ist jedoch sehr ähnlich, es gibt nur wenige Überrraschungen. Dafür kommt der Mix aber auch weniger subtil und geheimnisvoll rüber. Ommadawn habe ich früher bevorzugt leise gehört, allein bei abgedunkeltem Zimmer und Kerzenlicht. Das war magisch - keine andere Platte hatte diese Wahnsinnsausstrahlung gerade bei geringstem Pegel.

Mit dem neuen Surroundmix hatte ich zunächst das Problem, dass ich die Loudness schlecht einschätzen konnte. Die Dynamik entspricht nämlich nicht dem Original. So hatte ich am Anfang auf vermeintlich gewohnten Pegel eingestellt, es wurde jedoch nicht lauter, da, wo es hätte lauter werden müssen - den Effekt kannte ich schon vom "Tubular Bells"-Remix. Ich hätte also von Anfang an lauter stellen müssen.
Die stark eingeschränkte Dynamik ist vielleicht das größte Manko der neuen Mixe. Am stärksten fällt es auf nach dem orgasmischen Ende von Teil 1 - üblicherweise spielen die African Drums von Jabula leise den Rhythmus weiter ("like post-coital heartbeat"), hier scheinen sie plötzlich, da keine anderen Instrumente mehr zu hören sind, deutlich lauter als noch kurz zuvor. Hatte das Original dann eine minutenlange Ausblende, reißt es hier am Schluss geradezu ab. Nicht sehr geschickt gemacht. Dennoch: der überwiegende Klangeindruck ist sehr gut - es strahlt geradezu, Sound und Mix können bis auf die genannten Einschränkungen als gelungen bezeichnet werden.

Mir ist übrigens erstmals aufgefallen, dass die Quad-Version von Part 1 genau eine Minute länger ist. Warum, kann ich nicht sagen.

Der eigentliche Kaufanreiz dieser Deluxe-Edition ist jedoch die "Lost Version" von Ommadawn, mitnichten ein "Demo", wie uns die Tracklist weismachen will, sondern die wegen technischer Probleme mit dem Bandmaterial abgebrochene, fast fertige Urfassung des ersten Teils in Form eines Stereo-Rough Mixes, den man verschollen glaubte, jedoch kürzlich in den Virgin-Archiven ausgraben konnte. Im Booklet ist die Geschichte dazu genau beschrieben. Durch die unzähligen Overdubs und das ständige Spulen wurde das Tape mechanisch zu stark belastet, es traten hoher Abrieb und zunehmende Dropouts auf. Das Band fiel praktisch auseinander. Auch eine Kopie half nur vorübergehend - auch diesem Tape drohte nach kurzer Zeit das selbe Schicksal. Oldfield war also gezwungen, ganz von vorn zu beginnen, was ihn zunächst in Depressionen stürzte. Wenn man sich die Aufnahme anhört, kann man verstehen, warum. Da stecken Monate an Arbeit drin. Viele Bestandteile der späteren Fassung sind enthalten, einige Ideen kamen offenbar erst beim zweiten Versuch, was Oldfield damals schnell half, den Frust zu überwinden. Natürlich ist die Endfassung Klassen besser - klar, er hatte ja Monate mit dem Material geübt. Dennoch ist diese Aufnahme bemerkenswert gut und hochinteressant - nicht nur für Ommadawn-Fans, denke ich.


"Incantations" (3-Disc-Deluxe Version 2011):

Abb.: Amazon
Für mich als überzeugten Surround-Fan ist das Fehlen der 5.1-Version schon ein Manko - aber man wusste man ja vorher, dass die Multitrack-Tapes des Albums nicht mehr aufzutreiben waren. Das auf der DVD vorhandene Ersatz-Surroundmaterial kann nur wenig beeindrucken. Die drei Stücke aus "Incantations" sind OK, klingen nicht spektakulär, es scheint sich hier jedoch um Outtakes bzw. Alternativaufnahmen zu handeln. Besonders auffällig erscheint das bei Hiawatha, hier leiert Maddy Prior deutlich schlimmer als auf dem Album und manchmal singt sie einfach falsch. Piano Improvisations scheinen alles andere als Improvisationen zu sein, sie klingen eher wie eine "Incantations"-Ouvertüre, sehr schön, allerdings für Surround nicht gerade prädestiniert. Guilty in 5.1 ist eine ziemliche Enttäuschung, der Sound ist flach und pappig, extrem trocken und alles fiept und blubbert gleichmäßig aus allen Lautsprechern. Die Sologitarre ist viel zu laut und das Solo deutlich uninspirierter als in der bekannten Version. Aber ich will nicht meckern, nett, dass wir überhaupt etwas in Surround bekommen haben.

Die neue Aufmachung der Universal Deluxe-Editions ist allerdings traurig. Den halb-transparenten "Deluxe"-Balken gibt es jetzt nur noch als Aufklebe-Streifen, der nicht wiederverwendbar ist, sobald man ihn einmal abgelöst hat (was wenigstens problemlos ging). Der Plastikschuber ist gar nicht mehr vorhanden, naja, der hat gern mal geklemmt, aber ich hätte die Tradition dennoch beibehalten - es hat einfach wertig ausgesehen und die Ausgaben hatten bereits ein entsprechendes Image, was jetzt wohl erstmal zerstört sein dürfte.

Die Liner Notes liefern ein bisschen Oldfield-Bio, aber wenig zum eigentichen Album und kein Wort zum Remaster und zu den Bonustracks. Auf Incantations Live und die Promovideos hätte ich gern verzichtet, denn ich habe die "Exposed"- und "Elements"-DVDs bereits. Stattdessen wäre die Surroundfassung des "Exposed"-Albums hier eine feine Dreingabe gewesen, bei der nicht mal eine neue Abmischung hätte erstellt werden müssen, denn das Album ist ja in allen Versionen stets als SQ-Quad-Mischung erschienen.

Die CD der Deluxe Edition hatte einen bedauerlichen Fehler, den Universal durch eine kostenlos zugeschickte Replacement-Disc korrigieren musste - es fehlte ein Teil eines Takts, deshalb klang es wie ein Sprung in einer Schallplatte, nur ohne den Klick.
Was ich zudem feststellen musste (und was ich 1978 schon festgestellt hatte): Das Album ist gar nicht mal so gut. Es klafft doch nicht nur zeitlich eine große Lücke (drei Jahre) zu den drei Vorgänger-Klassikern. Vor allem habe ich jetzt wieder gemerkt, dass sich einzelne Passagen viel zu oft und variationslos wiederholen, dass es manchmal echt nervt. Hiawatha vor allem - das ist eine gefühlte Viertelstunde immer derselbe Gesang von einer Frau, die wie meine Omma singt in Endlosschleife. Die Gitarrensolos erscheinen weitgehend uninspiriert, oft kommt es einem so vor, als habe er echt nicht gewusst, was er dazu improvisieren sollte. Den afrikanischen Drummern von Jabula hat jemand Halsbänder und Ketten angelegt, die klingen, als ob sie sich nicht trauen oder unwohl fühlen. Ich stelle auch fest, dass es dem Vinyl-Album guttat, dass man vier LP-Seiten hatte, die man erstmal umdrehen bzw. wechseln musste. So alles am Stück und knapp hintereinander weg ist schon heftig. Nicht weiter verwunderlich, dass die Live-Version deutlich kürzer und wesentlich stringenter klingt. Und erstaunlich auch, wie gut Guilty dazu passt, diese Single kam ja deutlich später raus als das Album und hatte diesen sehr zeitgemäßen Discosound, der in meiner ursprünglichen Wahrnehmung immer total anders klang.


"Platinum" und "QE2" (2012):

Abb.: Wikipedia
Ich habe jetzt beide neuen Deluxe Editions intensiv gehört - und bin wenig begeistert. Da ich beide Alben nie auf CD gekauft hatte, war ich gespannt auf das Wiederhören nach so vielen Jahren. Leider war ich doch ziemlich enttäuscht, weil die Alben in meiner Erinnerung deutlich besser waren.

"Platinum" mag 1979 noch ziemlich hip gewesen sein mit seinen unterlegten Disco-Rhythmen, heute ist das mitunter nur schwer erträglich und nervt streckenweise einfach. Leider gilt das auch und vor allem für die ansonsten musikalisch durchaus ambitionierte Platinum-Suite, aber auch Into Wonderland und I got rhythm sind eigentlich ziemlich furchtbar arrangiert und leider auch interpretiert.

Die Bonustracks auf CD 1 sind unspektakulär und wären auch verzichtbar gewesen. Blue Peter ist zwar nett, aber passt irgendwie nicht in den Kontext des Albums und dass Sally fehlt, das seinerzeit auf der Vinyl-Erstausgabe noch enthalten, aber schon bald auf Wunsch von Virgin Records entfernt worden war, ist mehr als nur beklagenswert.

Abb.: Wikipedia
"QE2" schneidet etwas besser ab, auch weil die Drums von Phil Collins und Morris Pert auf den ersten drei Titeln beachtenswert gut, jedenfalls besser als die simplen und variationslosen Discorhythmen von "Platinum" sind. Dennoch erscheinen einige Ideen auch hier nicht ganz ausentwickelt und die oft sehr kurzen Stücke wie Fragmente, was vielleicht das Hauptmanko des Albums ist. Daneben sind die beiden Coverversionen auch nicht wirklich gelungen und nerven schon beim ersten Wiederhören.
Bonustracks: Shiva (ein "reworking" von Sheba mit Text gesungen vom Meister selbst) ist einfach eine scheußliche Geschmacklosigkeit. Es klingt, als habe er einfach mit dem iPhone über die vorhandene Aufnahme drübergesungen und das nicht mal ansatzweise gut. Polka, eine bekannte live B-Seite, hätte man vielleicht mal entrauschen und entbrummen sollen, aber gut, man kann nicht alles haben.

Beide Deluxe-Editions kommen mit je einer Live-Bonus-CD, die vom Mix her nicht immer optimal scheinen - fast wie alte Radio Shows, dabei handelt es sich laut Booklet um Neuabmischungen von den Multitracks "under Mike Oldfield's supervision", naja. Sicherlich am jeweils interessantesten sind die älteren Stücke im Programm, daher ist auch die 1981er Show von "QE2" die spannendere, auch weil die Mitgliederzahl der Liveband gegenüber der "Platinum"-Tour noch einmal reduziert wurde. So erfährt Ommadawn hier die erste offizielle Live-Veröffentlichung, die um einiges anders klingt als die Studiofassung. Maggie Reilly scheint allerdings nicht immer zu wissen, was sie tut oder tun soll und das klingt streckenweise ziemlich peinlich.
In jedem Fall ist es ungünstig, CD1 und CD2 direkt hintereinander zu hören, da direkt am Anfang der Live-CDs die soeben gehörten Album-Stücke erneut zu hören sind, noch dazu in recht wenig variierten Versionen.


"Five Miles Out" (3-Disc-Deluxe Version 2013):

Abb.: Wikipedia
Die Deluxe Edition mit dem neuen 5.1-Mix wurde schon vor längerer Zeit geliefert, hatte aber bis zum Wochenende noch nicht Gehör gefunden. Jetzt also endlich - und leider konnte ich mich anschließend wieder erinnern, warum mir dieses Album nie wirklich zusagen konnte. Taurus II ist ein Oldfield-Longtrack, wie er nicht sein soll - ohne Gefühl und Gespür für Dynamik eingespielt. Drums und Rhythmusgitarren wie von Holzfällern eingespielt - sinnlos eingestreute Pipes und andere Folk-Elemente. Keine Steigerung, kein Sinn fürs Ganze. Schade. Der neue Surround-Mix kann nicht ganz überzeugen, vieles geht einfach unter, andere Sachen stechen überprominent heraus. Noch schlimmer der Rest: Family Man ist nervig, Orabidoo verschenkt seine Möglichkeiten - herausragend ist nur das spartanisch instrumentierte Ende, das ich völlig vergessen hatte. Hier zeigen Oldfield und Reilly, wie man nur mit einer Akustikgitarre und tollem Gesang ein Glanzlicht setzen kann. Der Titelsong kommt auf der DVD gleich dreimal hintereinander und ist ein Musterbeispiel dafür, wie Oldfield sich damals verzettelt hat - hier passt einfach nichts zusammen.


"Crises" (5.1-Mix 2013):
Abb.: WOM
Habe jetzt die DVD aus der Deluxe-Edition mit dem Surroundmix gehört und bin hin- und hergerissen. Das Titelstück ist ihm eigentlich gut gelungen, aber die zweite Seite hat es in sich. Moonlight Shadow ist völlig daneben, er hat den Mix komplett umgekrempelt, ähnlich wie er das auch schon mit Guilty gemacht hat, nur noch schlimmer. Den Anfang lasse ich noch gelten, da hat er die 12"-Version verwendet, aber dann wird es nur furchtbar. Höhepunkt sind seine nervigen (und schlecht gesungenen) Backingvocals, die im alten Mix gar nicht auffielen und die er jetzt viel zu laut nach vorn gemischt hat. Sicherlich gibt es viele Argumente gegen das Fade-Out des Originals, aber den Song einfach abrupt abreißen zu lassen, ersetzt auch kein auskomponiertes Ende. Das klingt so, als sei er noch gar nicht fertig mit dem Mixen gewesen.
Die anderen Songs klingen ebenfalls seltsam bis merkwürdig, aber ich habe "Crises" in den letzten Jahrzehnten nicht mehr gehört (besitze die CD bis heute nicht), daher kann ich kaum feststellen, was alles noch verändert wurde.
Ich denke, er sollte die Surroundmixes gelegentlich doch anderen Leuten überlassen, die etwas davon verstehen...


Gesamtfazit: 
"Incantations" war schon das erste von Oldfields weniger gelungenen Alben, aber immer noch über weite Strecken anhörbarer als alles, was danach kam. Es stimmt, er hat es in den 1980er Jahren ein paarmal geschafft, perfekte Popsongs zu komponieren und zu produzieren. Mistake oder Moonlight Shadow sind gelungene Beispiele. Leider hatte ich immer den Eindruck, als sei ihm danach einfach nichts mehr eingefallen. Schon die Single Crime of Passion war nur ein schamloses und, wie ich finde, recht peinliches Selbstplagiat von Moonlight Shadow.

Ich denke, dass ihm letztlich die komplexeren Kompositionen mehr am Herzen gelegen haben und er da auch ein unbestreitbares Talent hatte. "Tubular Bells" war ja nur der Anfang; "Hergest Ridge" und "Ommadawn" sind mindestens gleichwertige Meisterwerke (mein ewiger Favorit bleibt "Ommadawn"), die trotz einiger Perlen auf späteren Alben künstlerisch meterhoch über allem stehen, was danach kam.

Möglicherweise war das einschneidende Erlebnis, das ihm bei einem Selbsterfahrungs-Seminar 1978 widerfahren war, auch der Grund, warum seine Kreativität danach neue Wege einschlug. Ein überdosierter LSD-Trip in den frühen 1970ern hatte ihn zu einem introvertierten, fast autistischen Einzelgänger gemacht, der, von Angstneurosen und Panikattacken geplagt, keine Bühne betreten konnte, dazu war er schwerst alkoholabhängig. Möglicherweise war die Musik in diesen Jahren seine einzige Möglichkeit, seine Probleme halbwegs zu kompensieren, daher verwundert es nicht, dass sich sein Stil deutlich veränderte, nachdem er diese Probleme los war. Es liegt wohl auf der Hand, dass man nur introvertierte Musik machen kann, wenn man selbst introvertiert ist. Oldfield fing 1979 aber sofort an, sich mit Gastmusikern und später mit mehr oder weniger festen Bands zu umgeben, da war es klar, dass es nicht so weiter gehen konnte.

Dennoch: Wenn man ihn nicht gezwungen hätte, kommerzieller zu werden (es gab ziemlich Druck von Richard Branson seinerzeit, auch und vor allem wegen seiner anfänglichen Weigerung, auf Tour zu gehen), wäre die Substanz seiner Alben nach "Incantations" sicher deutlich besser geworden, das zeigt nicht zuletzt auch das "Amarok"-Album - wohl das beste seiner "Spätwerke", wenngleich auch immer noch kein gutes, da es ziemlich überfrachtetes Stückwerk ohne nachvollziehbare Über- oder Zusammenhänge bot. Aber es entstand immerhin ohne jeden Einfluss von Virgin Records; da er sich damals mit seiner Plattenfirma wegen der für ihn ungünstigen Vertragslage seiner frühen Alben überworfen hatte, wollte er nur noch raus aus seinem laufenden Deal - daher war "Amarok" bewusst so unkommerziell wie möglich gehalten - und zeigt so deutlich, welch kreatives Potential Oldfield auch Ende der 1980er noch hatte.