Samstag, 21. Juni 2014

GENESIS - Inside and Out (Song, 1977)

Dieser relativ unbekannte Genesis-Song (Erstveröffentlichung 1977 auf der 7"-EP "Spot the Pigeon") steht bekannteren Klassikern wie Cinema Show oder One for the Vine in nichts nach. Einem ruhigen, akustisch gehaltenen Anfang folgt ein schöner Refrain mit mehrstimmigem Gesang und perfekten Drum-Rolls bei der Wiederholung, untermalt mit einer großartigen Basslinie. Das Arrangement steigert sich stetig, um dann zur Hälfte der Laufzeit in ein furioses Uptempo-Instrumental zu münden, in dem buchstäblich alle Register gezogen werden. Es gibt tolle Solos von Keyboard und Leadgitarre, garniert mit einfallsreichen Arpeggios und tiefen Bass-Drones. Was will man mehr? - Wenn wir damals gewusst hätten, dass wir so etwas schon beim nächsten Genesis-Album schmerzhaft vermissen würden...

Dass Inside and Out nicht auf dem W&W-Album gelandet ist, hatte sicherlich keine qualitativen Gründe - auch bandintern galt der Song mindestens als gleichwertig gegenüber den Albumtracks, ansonsten hätte er sicher nicht All in a mouses's night von der Setlist der Wind & Wuthering-Tour 1977 verdrängen können. Ich vermute, ausschlaggebend war neben der Länge des Songs letztlich die Ähnlichkeit des ersten Teils mit Your own special way. Beide Songs gingen nicht, also hatte man sich einfach für den kürzeren entschieden.


Quelle: Wikipedia
Dass dieser Song im Übrigen keine beliebige Single-B-Seite war - auch nicht in der Wertschätzung der Band - kann man daran erkennen, dass er eben nicht auf einer Single-B-Seite landete, sondern auf einer exklusiven EP! Die beiden anderen enthaltenen Songs Match of the day wie auch Pigeons kamen sicherlich nicht für das Album infrage; beide waren schon eher Outtakes im eigentlichen Sinn. Jedoch wurde für Match of the day immerhin sogar ein Video gedreht und einen Top-of-the-pops-Auftritt bei der BBC hatten sie auch damit. Erst ein paar Jahrzehnte später fingen sie an, sich offenbar für den Text zu schämen, weshalb der Song - sehr zum Ärger der Fans - nicht im zweiten "Archive"-Box-Set enthalten war. Auch Pigeons war ein durchaus interessanter Song; ein kleines musikalisches Experiment, bei dem sie sich die besondere Mühe gegeben hatten, einen Ton die ganze Laufzeit über stehen zu lassen und darunter alle möglichen Akkorde, die diesen Ton beinhalteten, zu variieren. Der Text war eher ein Leichtgewicht - es ging um Taubenscheiße auf dem Dach des Außenministeriums -  wurde aber immerhin für den Titel der EP genutzt: "Spot the Pigeon" - übrigens ein Wortspiel mit "Spot the ball" - einem damals in UK sehr beliebten Zeitungsrätsel, bei dem der Ball aus einem Foto mit einer Fußballszene herausretuschiert wurde und der Leser seine Position dann anhand der Bewegungen oder Blickrichtungen der abgebildeten Personen erraten musste.

Dazu muss man wissen, dass sich EPs (Abk. für "Extended Play") seit den 1950er Jahren besonders in UK zu einem eigenen Kunstformat entwickelt hatten. Es handelte sich um eine äußerlich normale 7"-Schallplatte, wie sie für Singles verwendet wurde, jedoch mit mehr als nur zwei Stücken, die ähnlich wie bei einer Langspielplatte mit einem vergrößerten Rillenabstand sichtbar auseinander gehalten wurden. Um die gegenüber einer normalen Single verlängerte Spieldauer zu ermöglichen, wurden EPs mit geringerer Rillenauslenkung (= Lautstärke) oder mit 33,3 statt 45 U/min geschnitten. In der Regel hatten EPs einen eigenen Titel, der wie ein Albumtitel oft nicht identisch mit dem Titel eines der vorhandenen Songs war. EPs hatten zudem im sofort erkennbaren Unterschied zu normalen Singles immer auch ein Picture Cover - normale 7"-Singles hatten in den UK bis weit in die 1970er Jahre hinein nur eine neutrale Hülle mit dem Logo der Plattenfirma und einem Kreisausschnitt für das Label!

Anfangs stellten EPs meist Kompilationen aus früher erschienenen Singles dar oder beinhalteten Songs einer parallel erscheinenden LP. Die Beatles brachten jedoch mit "Long Tall Sally" 1964 erstmals eine EP mit vier (für den UK-Markt) neuen Songs heraus und es waren auch die Fab Four, die das Format mit der 1967 erschienenen Doppel-E.P. "Magical Mystery Tour" mit sechs neuen Songs, Foldout-Cover und eingeheftetem Fotobuch zum Höhepunkt führten. Daher war eine EP -zumindest in UK- immer etwas Besonderes.

Nebenbei bemerkt war "Spot the Pigeon" keinesfalls die erste Genesis-EP, denn bereits 1972 gab es eine "Nursery Cryme"-EP mit drei Tracks (wenn auch nur als Promo) und eine weitere EP mit vier Tracks vom "The Lamb lies down on Broadway"-Album erschien 1975 in Brasilien.

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